Von Daniel Weinmann
Deutschlands wirtschaftlicher Abstieg ist unübersehbar. Im aktuellen Länderindex der Stiftung Familienunternehmen belegt die Bundesrepublik den 18. Platz unter 21 Ländern – vier Plätze tiefer als im vergangenen Jahr. Die Infrastruktur verkommt, das Bildungswesen ist allenfalls noch Mittelmaß und die Abgaben an den nimmersatten Staat steigen immer höher. Was ist passiert? Warum steuert das einstige Vorzeigeland der Weltwirtschaft geradewegs in die Bedeutungslosigkeit?
Der Historiker und Soziologe Rainer Zitelmann hat sich dieser Frage mit soziologischen Methoden angenommen. Sein neues Buch „Der Aufstieg des Drachen und des weißen Adlers“ thematisiert die wirtschaftliche Erfolgsgeschichte Polens und Vietnams seit dem Fall der Mauer – und erklärt zugleich den Niedergang dieses Landes. „In Deutschland haben viele vergessen, dass Marktwirtschaft die Basis unseres Wohlstandes ist“, sagte der Publizist im Interview mit der „Welt“.
Zitelmann hat Umfragen in zahlreichen Ländern in Auftrag gegeben, die zeigen, wie unterschiedlich Menschen wirtschaftlichen Erfolg bewerten. „Was verbinden Sie mit dem Wort Kapitalismus“, wollte er etwa wissen. Das Ergebnis: „In Vietnam waren die drei am häufigsten genannten Begriffe Fortschritt, Innovation und großes Warenangebot“, bilanziert Zitelmann. In Deutschland assoziierten die Menschen diesen Begriff dagegen vor allem mit Gier, Leistungsdruck und Korruption. Tief ist der Graben auch bei der Haltung gegenüber Reichen. Während 62 Prozent der Deutschen Reiche für egoistisch halten, sind es in Polen nur 19 Prozent. Fast jeder zweite Bundesbürger hält Reiche zudem für gierig.
»Das wird uns auf die Dauer schwächen«
Hierzulande ist längst von Deindustrialisierung und von wirtschaftlichem Abstieg die Rede – während Polen und Vietnam seit Jahrzehnten zu den wirtschaftlich dynamischsten Ländern der Welt zählen. „Der Grund ist nicht das absolute Verhältnis zwischen Markt und Staat, sondern wie sich dieses verändert hat“, konstatiert der 26-fache Buchautor. „Die Rolle des Staates wurde in den Jahren ab 1990 zurückgedrängt, in Deutschland dagegen nimmt der Einfluss des Staates auf die Wirtschaft seit der Merkel-Ära massiv zu. Das wird uns auf die Dauer schwächen.“
Deutschland verspielt seinen Wohlstand durch seine von Grünrot geschürte kapitalismusfeindliche Geisteshaltung, die Eigeninitiative, Gewinnstreben und Reichtum als Ausgeburt des Teufels betrachtet und im ausufernden Staat den Heilsbringer sieht, der die Menschen schützt. Gleichmacherei und Nivellierung sind die Ausgeburt der grünroten Liebe zum Sozialismus. Wer erfolgreich ist, soll zahlen.
„In Deutschland haben viele vergessen, dass Marktwirtschaft die Basis unseres Wohlstandes ist“, bringt Historiker Zitelmann diese Anschauung auf den Punkt. „Vietnam und Polen haben sich von der Planwirtschaft entfernt und in Deutschland marschieren wir in Richtung Planwirtschaft.“
»Umweltprobleme wesentlich größer als im Kapitalismus«
Den Verfechtern der Ökoplanwirtschaft gehe es nur vordergründig um Umwelt und Klimawandel, sagte der 65-Jährige Ende Januar der „Neuen Zürcher Zeitung“. Ihr eigentliches Ziel seien die Beseitigung des Kapitalismus und die Errichtung einer staatlichen Planwirtschaft. „In Wahrheit soll das Privateigentum abgeschafft werden, auch wenn es formal bestehen bleibt. Dem Unternehmer gehört weiter seine Fabrik, aber er wird zum angestellten Manager des Staates, der allein entscheidet, was und wie viel produziert wird.“ Staatliche Planwirtschaft sei schon immer gescheitert und die Umweltprobleme in planwirtschaftlichen Systemen seien wesentlich größer als im Kapitalismus.
Das Geheimnis für wirtschaftlichen Erfolg laute stattdessen: Mehr Markt. „Adam Smith, der im Juni 300 Jahre alt würde, hatte recht: Wirtschaftswachstum wird der Menschheit aus der Armut helfen und das Wichtigste für Wirtschaftswachstum ist wirtschaftliche Freiheit!“ In seinem Buch „Wohin treibt unsere Republik? Wie Deutschland links und grün wurde“ beschrieb der promovierte Geschichtswissenschaftler bereits 1994 den steigenden Einfluss der Grünen, der „weit über ihre Beteiligung an Landesregierungen und die in Wahlen dokumentierten Erfolge hinausgeht“ als zentrales Problem dieses Landes.
Blickt man angesichts der derzeitigen Situation noch weiter zurück, entpuppt sich Otto von Bismarck als großer Visionär. Die Worte des ersten deutschen Reichskanzlers sind heute aktueller – und beklemmender – denn je: „Die erste Generation schafft Vermögen, die zweite verwaltet Vermögen, die dritte studiert Kunstgeschichte und die vierte verkommt vollends.“
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Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.
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