STIKO-Chef würde eigene Kinder nicht impfen lassen mRNA-Kinderimpfstoff ist schon bestellt – Empfehlung nur noch Formsache?

Von Alexander Wallasch

Thomas Mertens, der Chef der Ständigen Impfkommission (STIKO) offenbarte in einem Interview, er würde seine eigenen Kinder nicht gegen Corona impfen lassen. Aber was ist so ein persönliches Bekenntnis eigentlich noch wert? Ist das exakt jener kümmerliche Rest Wahrhaftigkeit, der noch möglich erscheint unter dem enormen politischen Druck, der auf der Kommission lastet?

Oder macht sich hier jemand sauber und versucht den ramponierten Ruf einer Institution zu retten? Die STIKO war zuletzt in Verruf geraten, als sie sich zunächst tapfer gegen eine Impfempfehlung für Kinder ab 12 aussprach und später einknickte und der Haltung der Regierung willfährig die passende Empfehlung anreichte.

Damals sollen es neue Studiendaten aus den USA gewesen sein, die eine Pro-Entscheidung bewirkt hatten, wo man zuvor noch davon abgeraten hatte, was in der Debatte um die Glaubwürdigkeit der STIKO eine wichtige Rolle spielt.

Die Empfehlung der STIKO, Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren zu impfen, wurde dann nachgereicht in einer offiziellen Mitteilung damit begründet, „dass nach gegenwärtigem Wissensstand die Vorteile der Impfung gegenüber dem Risiko von sehr seltenen Impfnebenwirkungen überwiegen“.

Warum ab 12 Jahren doch geimpft werden sollte, argumentierte die Kommission u. a. mit der Gefahr „assoziierter psychosozialer Folgeerscheinungen“. Aber sind diese Störungen nicht erst Folge der Corona-Maßnahmen der Bundesregierung? An Corona erkranken können junge Menschen nämlich nachweislich nur höchst selten. Auch sprach sich die STIKO in besagter Mitteilung auf der Seite des Robert Koch-Instituts „ausdrücklich dagegen aus, dass bei Kindern und Jugendlichen eine Impfung zur Voraussetzung sozialer Teilhabe“ zu machen. Aber warum dann die Empfehlung?

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bedankte sich Mitte August 2021 ganz artig bei der STIKO und sprach von einer „guten Nachricht“. Eltern und Jugendliche hätten damit eine klare Empfehlung, sich für die Impfung zu entscheiden: „Die Fakten sprechen für die Impfung, ausreichend Impfstoff für alle Altersgruppen ist da.“ Und als würden sich die Eltern nur so darum reißen, fügte Spahn an, die Impfungen könnten gleich beginnen. Wäre ja auch blöd gewesen, man hätte alles wegkippen müssen.

Ruf in Mitleidenschaft gezogen

Der Ruf der STIKO hat schwer Schlagseite. Denn wenn es um ihre Kinder geht, sind bei Eltern die roten Linien ganz besonders dick – selbst noch bei Eltern, die sich haben impfen lassen.

Und um das Maß der Zerrüttung noch deutlicher zu machen, soll hier der Verband der Amtsärzte zitiert werden, der Ende Juni 2021 die Unabhängigkeit der STIKO anzweifelte und dringend Reformen anmahnte. Schon damals ging es insbesondere um den politischen Druck wegen der Kinderimpfungen. Besagter Verband wollte die Unabhängigkeit der wissenschaftlichen Einrichtung organisatorisch besser abgesichert haben. Ganz konkret hätte beispielsweise Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) Druck ausgeübt und die STIKO „an ihre Verantwortung“ erinnert, dergestalt, dass diese sich doch bei ihrer Impfentscheidung für Kinder ab 12 Jahren an der Entscheidung der Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) orientieren solle, die ja schon zugestimmt hätte.

Jetzt, da also Kinder ab 12 Jahren geimpft werden dürfen und sollen, nahm sich die Politik erwartungsgemäß Kinder zwischen fünf und elf Jahren vor. Und wieder begann das schon bekannte Spiel des Zauderns der STIKO. Wann wird sie dieses Mal kippen? Im zweiten Durchgang erkennt man die Taschenspielertricks noch besser, wenn der Vorsitzende der Kommission voranschreitet und sich erst einmal gegen eine Impfung positioniert – schadet ja nichts.

Als Trickserei ist das deshalb besonders perfide, weil der Wissenschaftler hier angebliche persönliche Zweifel öffentlich macht, mutmaßlich nur um Zweifler einzufangen, getreu dem Motto: Ich bin ja auch nicht sicher, aber vertrauen sie mir, wenn ich es später sein werde.

Thomas Mertens versucht es im zweiten Durchgang mit der persönlichen Ansprache und verkündet also, er würde seine Kinder unter zwölf Jahren derzeit nicht impfen lassen. Das allerdings hatte schon Mitte Juni dieses Jahres auch Andreas Gassen, Chef der Kassenärztlichen Vereinigung (KBV), über seine Kinder gesagt, als es noch um die 12- bis 17-Jährigen ging. Gassen sagte damals: „Das Impfrisiko ist für gesunde Kinder und Jugendliche, auch wenn es sehr gering ist, wohl höher als das einer Corona-Infektion.“

Der politische Druck auf die STIKO bei den 12- bis 17-Jährigen könnte sich jetzt bei den 5- bis 11-Jährigen identisch wiederholen. Denn wieder ist die EMA vorausgeeilt und hat den von Biontech entwickelten mRNA-Kinderimpfstoff Mitte November zugelassen. Aber allein der Begriff „mRNA-Kinderimpfstoff“ dürfte bei vielen Eltern für eine massive Alarmstimmung gesorgt haben.

Aussagen über Langzeitschäden kaum möglich

Es kann zukünftig hilfreich sein, gedanklich abzuspeichern, wie der Chef der STIKO seine politische Haltung gegen das mRNA-Kinderimpfen begründet, bevor diese Haltung politisch kassiert wird.

Für die Impfentscheidung der Eltern muss jetzt folgende Empfehlung gelten: Schauen Sie genauer hin, was Leute wie Mertens und Co äußerten, solange die Daumenschrauben noch nicht so eng gedreht wurden. Die Glaubwürdigkeit könnte hier im selben Maße sinken, wie die Sorge steigt, liebgewonnene berufliche Positionen zu riskieren bzw. bei den Regierenden in Ungnade zu fallen.

STIKO-Chef Thomas Mertens sagt aktuell, er würde seine Kinder nicht impfen, weil es bisher keine Daten gäbe jenseits jener Daten aus der Zulassungsstudie des Impfstoffs. Das ist nicht weniger als eine fundamentale Kritik an den Impfstoffherstellern selbst. Die Ständige Impfkommission hat sicher ihre eigenen Erfahrungen mit den Pharmakonzernen. Weiter sagt Mertens, die aktuellen Publikationen würden zeigen, dass Aussagen über Langzeitschäden kaum möglich seien. Aber wann wären die denn möglich? Sicher nicht heute, nicht morgen und auch nicht in einem Jahr.

Zum Vergleich – in Sachen „Langzeitfolgen“

Exakt an solchen Aussagen müssen Eltern Thomas Mertens festnageln, wenn die STIKO in den kommenden zwei Wochen – um den 11. Dezember herum will man sich verbindlich äußern – erneut umkippen sollte.

Und es gibt noch einen wichtigen Aspekt, der kaum Beachtung gefunden hat: Sollte es wirklich dazu kommen, dass die Ständige Impfkommission KEINE Empfehlung für die mRNA-Impfstoffe für Kinder zwischen fünf und elf Jahren ausspricht, dann bleibt dennoch die Empfehlung für die 12- bis 17-Jährigen bestehen.

Und dann muss man fragen, ob die bereits festgestellte Impfträgheit in dieser Gruppe noch einmal massiv nachlässt. Und mal ernsthaft: Welche verantwortungsvollen Eltern würde denn eine 12-, 13- oder 14-Jährige impfen, wenn die Stiko es für einen 11-, 10- und 9-Jährigen nicht empfiehlt?

Mit anderen Worten: Wenn es bei der Haltung von Mertens bleibt, Kinder unter 12 nicht zu impfen, könnte das massive Auswirkungen auch auf das Impfverhalten bei 12- bis 17-Jährigen haben.

Wechselnde Stimmung

Und Mertens weiß sehr genau, welche Vorwürfe es gegen seine RKI-nahe Kommission gibt. Die wechselnde Stimmung in der Öffentlichkeit und auch bei Politikern, sagte Mertens im Podcast mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, „könne nicht das Maß für die Entscheidung der Kommission sein, ob eine Impfung von Kindern empfohlen werde“. Wirklich nicht?

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Und weiter sagt Mertens: „Falsche politische Entscheidungen können nicht durch eine Impfung korrigiert werden.“ Der STIKO-Chef kritisiert zudem, dass eine fehlende Impfbereitschaft der 18- bis 59-Jährigen nun durch eine Impfung der Kinder ausgeglichen werden soll.

Aber wenn er nichts davon hält, dann soll er die Empfehlung halt nicht aussprechen. Und dann muss er noch dringender Rede und Antwort stehen, warum er es bei den 12- bis 17-Jährigen bereits empfohlen hat. Der Vorsitzende der STIKO sagt zum Timing der Empfehlung: „Sie wird sicher fertig sein, bevor der Kinder-Impfstoff in Deutschland verfügbar ist.“

Eine weitere mutmaßlich massive Einflussnahme der Politik auf die STIKO ist ebenfalls noch kaum thematisiert worden: Sollte sich die STIKO nämlich wider Erwarten gegen die Impfung entscheiden, hieße das noch lange nicht, dass die Regierung dieser Empfehlung überhaupt folgt. Das Gegenteil ist wahrscheinlich, denn diese mRNA-Impfstoffe für Kinder sind von der Regierung schon verbindlich eingekauft worden! Die Lieferung soll sogar bereits am 13. Dezember erfolgen.

Und was will man dann machen mit so einer Lieferung, wenn die STIKO „nein“ sagt und man sich der STIKO-Entscheidung anschließen würde – mal theoretisch vorgestellt? Würde man den Impfstoff etwa spendabel nach Afrika verschiffen, wo es der STIKO dann gleichgültiger wäre, wenn da fünfjährige Afrikaner mit einem von Deutschlands erster Impfbehörde abgelehnten mRNA-Kinderimpfstoff geimpft werden?

Und dann folgt so ein Satz von Thomas Mertens aus besagtem Podcast, der das Potenzial hat, alles Vorhergehende als reine Lippenbekenntnisse zu entlarven:

„Wenn die Krankheit für die zu Impfenden medizinisch gesehen keine schwerwiegende Rolle spielt, muss man umso sicherer sein, dass die Impfung auch auf Dauer gut verträglich ist.“

Einfacher und präziser ausgedrückt: Wenn es lupenreiner Unsinn ist, Kinder zu impfen, dann soll man wenigstens schauen, dass die Impfung keinen Schaden anrichtet. Ja, seid Ihr denn mittlerweile von allen guten Geistern verlassen?

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Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine.

Alexander Wallasch ist gebürtiger Braunschweiger und betreibt den Blog alexander-wallasch.de. Er schrieb schon früh und regelmäßig Kolumnen für Szene-Magazine. Wallasch war 14 Jahre als Texter für eine Agentur für Automotive tätig – zuletzt u. a. als Cheftexter für ein Volkswagen-Magazin. Über „Deutscher Sohn“, den Afghanistan-Heimkehrerroman von Alexander Wallasch (mit Ingo Niermann), schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: „Das Ergebnis ist eine streng gefügte Prosa, die das kosmopolitische Erbe der Klassik neu durchdenkt. Ein glasklarer Antihysterisierungsroman, unterwegs im deutschen Verdrängten.“ Seit August ist Wallasch Mitglied im „Team Reitschuster“.

 
Bild: Screenshot Video Pflegekraft
Text: wal

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