Technik statt Torjubel – was der Fußball vom Staat gelernt hat Millimeterwahnsinn auf dem Platz – und im echten Leben

Schon wieder Fußball? Ja und nein. Denn nur vordergründig geht es hier um das Spiel – eigentlich geht es um unsere Gesellschaft. Der FC Augsburg verlor am Samstag sein Spiel gegen die Eintracht Frankfurt – das er gewonnen hätte, wenn es nicht den Video-Assistenten VAR gegeben hätte. Zweimal jubelten die Augsburger, zweimal wurden sie nach quälenden Minuten bitter enttäuscht: Millimeter entschieden über Abseits – nicht erkennbar für das menschliche Auge.

Ja, ich mag Fußball. Aber manchmal frage ich mich, ob ich der Einzige bin, dem das alles keinen Spaß mehr macht.

Augsburgs Trainer Manuel Baum brachte es trocken auf den Punkt – wie aus einem Loriot-Sketch: „Es ist wie wenn man beim Arzt ist, Blut abgenommen bekommt und auf das Ergebnis wartet.“

Treffer. Denn genau das ist der Punkt: Dieses Warten, dieses Ungewisse, dieser „Jubel auf Probe“ – es zerstört die Emotionen. Statt Herzklopfen gibt’s Bürokraten-Puls. Statt Torjubel einen Videoanalysebericht.

Und dann sind es Millimeter, bei denen niemand sagen kann, ob’s wirklich Abseits war. Selbst die Technik kommt an ihre Grenzen – wegen Bildrate, Perspektive, Körperhaltung. Was soll das?

Und wer leidet? Nicht die Funktionäre. Sondern Trainer wie Baum, Vereine wie Augsburg, Fans im Stadion – die nach einem vermeintlichen Tor in sich zusammenfallen wie ein Kartenhaus.

Da passt Baums Ironie: „Wir haben das Tor ja auch zweimal schön gefeiert.“

Der Mann hat nicht nur einen klaren Matchplan, sondern auch trockenen Humor. Leider nützt das nichts, wenn das System gegen ihn arbeitet. Augsburg gewinnt gegen Leverkusen mit Mut – und wird eine Woche später vom Videobeweis niederkartografiert.

Und die Fußballoberen? Die klammern sich an die Illusion technischer Unfehlbarkeit. Die Spieler rennen, die Trainer arbeiten – und irgendwo in Köln zieht jemand eine Linie.

Das ist kein Fortschritt. Das ist Entfremdung. Vom Spiel. Vom Fan. Von dem, was Fußball mal war: ein Drama – kein Digitalprotokoll.

„Ich bin ein Freund davon, dass das schnell geht“, sagte FCA-Kapitän Keven Schlotterbeck. „Aber wenn du fünf Minuten da stehst, wird’s kalt, das Verletzungsrisiko steigt – zumal du eh schon platt bist.“

Mir ist völlig klar – die VAR-Entscheide können immer auch der eigenen Mannschaft helfen. Und deshalb geht es hier nicht um meine Enttäuschung als jemand, der den Fußballverein seiner Heimatstadt unterstützt. Obwohl der FCA brav Männchen macht vor dem rot-grünen Zeitgeist, und für angebliche Vielfalt, Buntheit und Toleranz ist, aber nur wenn die in die „richtige“, linke Richtung gehen – und umgekehrt kritische Journalisten wie mich aus seinen Pressekonferenzen ausschließt. Aber mir sind die opportunistischen Funktionäre egal, es geht mir um den Verein.

Was bedeutet der VAR in seiner heutigen, völlig überzogenen Form wirklich? Er kastriert das Spiel. Er nimmt ihm Spontanität und Emotionalität. Man könnte ihn auf grobe Fehlentscheidungen begrenzen – so war es mal gedacht. Aber diese Idee wurde pervertiert – in ein Millimeter-Regime.

Damit kein Missverständnis entsteht: Ich bin kein grundsätzlicher Gegner des Videobeweises. Bei wirklich gravierenden Fehlentscheidungen – verdeckten Tätlichkeiten, klaren Handspielen, brutalen Fouls oder einem offensichtlich falschen Abseitspfiff, den kein Schiedsrichter sehen konnte – kann und soll Technik helfen. Genau dafür war der VAR einmal gedacht: als Korrektiv bei grobem Unrecht. Was er heute ist, ist etwas völlig anderes: ein Korinthenkacker-Instrument, das Emotionen zerstört, Millimeter juristisch seziert und ein lebendiges Spiel in ein technokratisches Prüfverfahren verwandelt.

Was wir heute erleben, ist eine juristische Überdehnung einer einst einfachen Regel. Die Abseitsregel sollte verhindern, dass sich Spieler unfair hinter die Verteidigung schleichen. Es ging um Raum, Abstand, Intelligenz. Nicht um die Zehenspitze im Verhältnis zum Ellbogen bei 25-facher Zeitlupe.

Warum halten die Funktionäre daran fest? Weil ein überdrehter VAR auf Speed nicht nur Technik ist – sondern Machtsymbol. Er verleiht Kontrolle, Status, Bedeutung. Und genau deshalb klammern sie sich daran. Nicht, weil es dem Spiel gut tut – sondern weil es ihnen nützt.

Man spürt es förmlich: Diese Mischung aus Technikgläubigkeit, Kontrollwahn und Fortschrittsfetisch. Wer heute gegen die absurden Auswüchse der einst guten Idee VAR argumentiert, gilt schnell als gestrig. „Aber ohne VAR wäre das doch nicht entdeckt worden!“ – Ja. Und?

Früher wurde auch nicht jede Hand gepfiffen. Und das war gut so. Fußball war nie gerecht – aber er war menschlich. Heute ist er rechnerisch – aber nicht besser. Nur weniger lebendig.

Die Funktionäre stehen auf Kongressen, rühmen sich der „Fairness durch Technik“, lassen sich feiern für „Modernisierung“ – und merken nicht, dass sie das Fundament schleifen, auf dem alles steht: Emotion, Unmittelbarkeit, Drama.

Das Spiel wurde für Menschen gemacht – nicht für Softwareingenieure in Köln. Aber solange sich mit „Innovation“ Preise gewinnen und mit VAR-Verträgen Geld verdienen lässt, wird dieser Irrsinn weitergehen.

Und während die Fans sich nach echtem Torjubel sehnen, knautschen die Funktionäre ihre Tagungsskripte. Wenn ein Tor wegen ein paar Millimetern aberkannt wird – die niemand im Stadion, niemand im Fernsehen, nicht einmal der Schiedsrichter in Echtzeit wahrnehmen konnte – dann hat nicht der Spieler betrogen, sondern das System das Spiel verraten.

Denn niemand fühlt sich betrogen, wenn ein Tor zählt, obwohl der Fuß fünf Millimeter zu weit vorn war. Aber alle fühlen sich betrogen, wenn ein Treffer nach fünf Minuten Videostudium aberkannt wird – ohne klare Sicht, ohne eindeutiges Bild, nur: mit Linie. Das ist nicht Fußball. Das ist technokratische Torverhinderung.

Und es ist mehr als das – es ist ein Symptom. Denn was an einem überzogenen, übergriffigen VAR sichtbar wird, ist ein Muster. Nicht nur im Stadion – sondern im ganzen Land:

– Die Entfremdung durch übertechnisierte Kontrolle
– Der Verlust von gesundem Menschenverstand zugunsten kalter Bürokratie
– Das Ersticken des Lebens durch Regeln, Paragraphen, Gremien
– Die Selbstzerstörung eines Systems im Namen der „Optimierung“
– Das Verstummen der Empirie vor dem „Protokoll“

Was der überzogene VAR dem Spiel antut, tun Politik, Behörden und Institutionen längst dem Alltag an:

Wenn Schulen wochenlang leer stehen, weil ein Fenster sich nicht öffnen lässt – aber niemand die Verantwortung übernimmt. Wenn jemand keinen CT-Termin bekommt, weil der Arzt seinen Antrag nicht im richtigen Formularformat eingereicht hat. Wenn Heizungen nicht repariert werden dürfen, weil sie das neue GEG verletzen. Wenn ein Zug einfach aus dem System gelöscht wird – damit die Bahn pünktlich bleibt – auf dem Papier. Wenn ein Kind nicht zur Schule darf, weil ein Komma im Impfnachweis fehlt. Oder wenn ein Rentner seinen Pass verliert, aber drei Termine und vier Wochen braucht, um einen neuen zu beantragen – obwohl alle Daten längst im System stehen.

Und weiter geht’s:

Wenn ein Neubauprojekt scheitert, weil auf dem Grundstück eine seltene Spinne vermutet wird – obwohl seit Jahren dort nur Gestrüpp wächst. Wenn Familien für den Dachausbau mehr Gutachten brauchen als früher ein Atomkraftwerk. Wenn der Eigentümer seine Wohnung nicht sanieren darf, weil die Dämmverordnung von 2022 im Widerspruch zur KfW-Förderlogik von 2025 steht. Wenn Bauanträge Jahre dauern, aber gleichzeitig „Wohnraummangel“ beklagt wird. Wenn Vorschriften das Bauen unbezahlbar machen – und dieselben, die sie beschlossen haben, dann über Wohnungsmangel und hohe Mieten klagen. Wenn ein Reisepass heute so viel kostet wie ein Abendessen, Behördengebühren astronomisch sind – und der Führerschein mehr kostet als ein alter Gebrauchtwagen.

Das ist nicht Fortschritt. Das ist Überregulierung – technokratisch, selbstgerecht, unkontrolliert. Als Funktionsprinzip eines übergriffigen Staates.

Und genau wie beim VAR geht es nicht mehr um das, was ursprünglich Sinn machte. Nicht um Fairness. Nicht um Sicherheit. Sondern um Kontrolle, um Regelbefolgung um der Regel willen. Um Geld. Und um Macht.

Eine Gesellschaft, die den Millimeter wichtiger nimmt als das Miteinander, verliert beides: Maß und Mitte. Sie verliert ihre Freiheit in einer Welt voller Formulare, Linien, Kontrollzentren.

Das ist der gleiche Wahn.
Die gleiche Linie.
Die gleiche Idee von Kontrolle statt Vertrauen.

Wie auf dem Platz, so im Land: Überreguliert, kontrollsüchtig, ohne Gespür für den Menschen.

Und wer das kritisiert? Gilt als altmodisch. Als Fortschrittsverweigerer. Genau wie früher der, der beim Videobeweis noch auf sein Herz hörte. Und nicht auf die Linie aus Köln. Sondern aufs Leben.

Fortschritt? Vielleicht. Aber einer, der das Spiel tötet – und die Gesellschaft gleich mit.

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