SIE WOLLTE KARL LAUTERBACH ENTFÜHREN
Die Terror-Oma mit dem Kartoffelsack
Nein, Sie haben sich nicht verlesen. Das war heute Schlagzeile in der „Bild“. Und ähnlich im ganzen deutschen Blätter-Land zu lesen. Und in der Anstalts-Welt zu sehen.
Zu sehen ist darunter ein Bild einer zierlichen, fast gebrechlichen Oma, die in Karlsruhe von Polizisten aus einem Polizeihelikopter geleitet wird. Die Frau wirkt, soweit man das den wenigen Bildern entnehmen kann, etwas wirr, ja sogar verschroben. Die pensionierte Lehrerin wird abgebildet ohne Verpixelung ihres Gesichtes – was bei jedem Frauenmörder und Kinderschänder zur Wahrung seiner Persönlichkeitsrechte Standard ist, gilt offenbar nicht für verwirrt wirkende Rentnerinnen aus Sachsen.
Unter dem Foto schreiben die „Bild“-Journalisten:
„Leicht gebeugt, aber ohne fremde Hilfe steigt die ältere Dame mit dem schlohweißen Haar aus dem Hubschrauber, umklammert mit der rechten Hand eine Papiertüte, in der sonst Kartoffeln getragen werden.
Elisabeth R. ist 75 Jahre alt und laut Generalbundesanwalt Chefin einer Terrorbande, die den Umsturz in Deutschland plante! Eines der ersten Ziele: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (59). Er sollte entführt, seine Leibwächter notfalls getötet werden.“ Der Frau war aufgrund ihres „Reichsbürger“-Gedankenguts das Ruhegehalt aberkannt worden, wogegen sie sich vergeblich juristisch zur Wehr setzte. Dass Menschen heute wegen „falschen Gedankengut“ die Pension gestrichen wird, für die sie Jahrzehnte arbeiteten, ist erstaunlich.
Weiter schreibt das Blatt: „Gestern Morgen nahmen Polizisten die mutmaßliche Terror-Oma in ihrem Haus in Flöha (Sachsen) fest, flogen sie nach Karlsruhe zum Bundesgerichtshof. Hier wurden bereits Terroristinnen wie RAF-Gründerin Ulrike Meinhof († 41) oder Beate Zschäpe (47) vom NSU vorgeführt, gestern geleiteten maskierte Polizisten die 75-Jährige zum Haftrichter. Der schickte Elisabeth R. in Untersuchungshaft.“
Anschließend stellen die Journalisten die Frage: „Aber wer ist die zierliche Seniorin, die als Rädelsführerin mit mehreren, bereits festgenommenen Komplizen einen bundesweiten Blackout geplant haben soll und laut Generalbundesanwalt „bürgerkriegsähnliche Zustände“ in Deutschland herbeiführen wollte?“
In einem weiteren Artikel schreibt die „Bild“, „diese Gruppierung“ habe es sich laut Bundesanwaltschaft zum Ziel gesetzt, „den Sturz der Bundesregierung und der parlamentarischen Demokratie herbeizuführen.
Diese laut Behörden derart gefährliche und schlagkräftige „Terrorbande“, die der Berichterstattung zufolge sogar noch größere Pläne hatte als die RAF, stellt sich in den Texten weiter unten als „Telegram-Gruppe“ heraus. Mit dem Namen: „Vereinte Patrioten“.
Alte Kalaschnikow im Haus
Bei einem der „Mitglieder“ stellte die Polizei eine Kalaschnikow sicher, die wie aus Museumsbeständen wirkt.
Der nun festgenommenen ehemaligen Lehrerin war aufgrund ihres „Reichsbürger“-Gedankenguts das Ruhegehalt aberkannt worden, wogegen sie sich vergeblich juristisch zur Wehr setzte. I
Staatsschutz und Bundesanwaltschaft haben ganz offensichtlich ganze Arbeit geleistet.
Die Gefahr eines Umsturzes unserer Demokratie mitsamt Regierung und eines Blackouts ist mit der Festnahme der 75-jährigen Oma mit der Kartoffeltüte und ihrer Verbringung in Untersuchungshaft endgültig gebannt – so der Tenor der Berichterstattung.
Da kann man als braver Leser der Mainstream-Medien und/oder Gebührenzahler nur erleichtert aufatmen.
Und dafür kann man auch hinnehmen, dass Frauenmörder und Kinderschänder in Deutschland auf freien Fuss kommen, weil die Justiz zu beschäftigt ist – wohl auch mit Terror-Omas – um das Verfahren in der vorgeschriebenen Frist durchzuführen.
Das ist quasi juristischer Kollateralschaden.
Zu vernachlässigen, wenn es gegen derart gefährliche und potente Terror-Omas und Telegram-Gruppen geht.
Aber Sarkasmus – nicht zu verwechseln mit Zynismus – beiseite. Ich sehe nur zwei Möglichkeiten: Entweder, die wirr wirkende alte Dame ist allem Anschein zum Trotz ein kriminelles Mastermind und ein terroristischer Wolf im grauen Schafspelz, die ungeahnte Fähigkeiten und Möglichkeiten besitzt und tatsächlich eine schlagkräftige Terror-Gruppe auf die Beine stellen konnte. Oder hier wird mit juristischen und polizeilichen Kanonen auf Spatzen bzw. Verwirrte geschossen und eine möglicherweise durchaus in geringem Umfang vorhandene Gefahr massiv aufgeblasen („Umsturz in Deutschland“, „Blackout“, „bürgerkriegsähnliche Zustände“). Das würde dann die Frage aufwerfen, ob man hier um jeden Preis öffentlichkeitswirksam eine reale terroristische Bedrohung aus der „passenden“ Ecke heraufbeschwören will.
PS: Bitte sehen Sie mir Rechtschreibfehler oder stilistische Patzer nach – es ist jetzt 4.50 Uhr morgens, aber ich konnte nicht ins Bett gehen, ohne über diese Geschichte geschrieben zu haben! Für Korrekturtipps in den Kommentaren bin ich sehr dankbar! Und auch für eine kleine Anerkennung für die Nachtschicht in die Kaffeekasse (hier)!
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