Gastbeitrag von Gunter WeißgerberRedner der Leipziger Montagsdemonstrationen 1989/90Mitglied der freigewählten Volkskammer 1990Mitglied des Deutschen Bundestages 1990-2009
Althaus will es. Gauck will es. Mohring soll es tun: Die CDU Thüringen möge sich doch bitte aus Gründen einer hellen Front von Linksaußen über SPD bis zu den Grünen an einer „Projektregierung“ beteiligen. Was der SED bis 1989 für die DDR-Bevölkerung die Chimäre der „Nationalen Front“ war, soll den Thüringern 2020 eine Koalition von Linksaußen und CDU in der technisch-harmlosen Verkleidung „Projektregierung“ sein.
Der Focus zitiert am 9. Januar 2020 den Thüringer CDU-Generalsekretär Walk: „Das schließt die Übernahme von Verantwortung im Kabinett mit ein. Die CDU würde also im Fall der Fälle Ministerposten beanspruchen.“ Das ist nüchtern betrachtet der Vorschlag einer Koalitionsregierung. Jedenfalls für Leute, die ihre Hosen nicht mit der Kneifzange anziehen.
Mike Mohring lässt das seinen General sagen. Wie listig. Raymond Walk hatte das Glück, im freien Westen aufzuwachsen. Er wuchs dort mit einer selbstbewussten und bedeutenden CDU auf. Was eine „Blockpartei“ war, das wurde ihm irgendwie nach 1990 wie etwas Fernes erzählt. Die Scham „Blockparteimitglied“ gewesen zu sein, der jahrzehntelange Kampf seit 1989, dieses Image loszuwerden, das alles mag er vom Hörensagen kennen und vielleicht nachempfinden wollen. Das „Nie wieder sowas!“ zu leben, das scheint seine Sache nicht zu sein.
Ein Blick zurück.
Die Montagsdemonstrationen liefen im Herbst 1989 schon länger, Hunderttausende waren inzwischen auf den Straßen und erstritten die Freiheit. Dann betraten auch sie, die Helden in gebückter Haltung, die Blockparteien, den öffentlichen Raum. Jeder wusste damals, welche Art „Held“ die meisten in diesen Parteien waren, dennoch waren viele Demonstranten über diese zahlenmäßige Verstärkung froh. Es ging schließlich um Millionen, die die DDR zum Einbruch bringen sollten. Deshalb gab es keine Vorwürfe, deshalb wählten am 18. März sogar sehr viele Ostdeutsche diese Heldengattung mit Mehrheit in die Volkskammer. Die Einheit sollte schnell kommen, niemand wusste, ob und wann in Moskau erneut das Totenglöckchen für die Freiheit wie 1953, 1968 und 1981 klingeln würde, darum wurden den ostdeutschen Namensvettern der West-CDU sozusagen als unverdienter Vertrauensvorschuss die Stimme gegeben.
Die ehemaligen Blockparteien emanzipierten sich seitdem von ihrer Zwangsvereinigungsgeschichte in der „Nationalen Front“. Sogar noch nach 2014 ließ die Thüringer CDU ihre peinliche Geschichte in einer Kommission aufarbeiten.
Schade um die Mühe, schade um das Geld, schade um das mühsam erworbene Vertrauen. Mike Mohring, Raymond Walk und Genossen nehmen Fahrt auf, Seit an Seit mit den SED-Erben sollen Gegenwart und Zukunft gerettet werden.
Mensch Walter (Ulbricht)! Wer hätte das gedacht? 1948 klappte die „Nationale Front“ nur mit Hilfe der Bajonette der Besatzungsmacht zu, 2020 läuft das ohne Mauer, Stacheldraht, Schießbefehl wie von allein am Schnürchen. Hoch leben die Klassiker! Die „Historische Mission der Arbeiterklasse“ findet ihre alten Verbündeten wieder. Unsere Staatsbürgerkundelehrer, so sie noch unter uns weilen, dürfen jubeln.
Und jetzt?
Die CDU Thüringen ist feige. Jetzt ist der Zeitpunkt, Standvermögen und Selbstbewusstsein zu zeigen. Die CDU hat nichts zu verlieren, aber viel zu gewinnen. Niemand weiß, mit welchen Stimmen Ramelow im Februar zum Minderheits-Ministerpräsidenten gewählt werden wird. Es gibt bekanntlich nicht nur Linksaußen-Abgeordnete, SPD- und Grünen-Abgeordnete, wacklige Christdemokraten und eventuelle wahlwillige Freidemokraten im Thüringer Landtag. Es gibt auch noch die Sozialisten von ganz Links bis ganz Rechts, die Verstaatlicher und Amerikahasser. Ob Bodo Ramelow aus dieser Menge auch AfD-Stimmen bekommen wird? Na klar doch. Die Wahl ist schließlich geheim.
Die CDU Thüringen sollte selbstbewusst in die Abstimmung über den Minderheits-Ministerpräsidenten gehen! Mohring will nicht? Na und! Gibt es keine weiteren Christdemokraten für diese Wahl? Einmal „Blockpartei“, immer „Blockpartei“? Was kann ein Minderheits-Ministerpräsident Ramelow besser als ein Minderheits-Ministerpräsident mit CDU-Parteibuch für Thüringen tun? Nichts, überhaupt nichts!
Ein Ministerpräsident Ramelow muss für alle Vorhaben um Stimmen im Landtag werben, ein CDU-Mininsterpräsident müsste dies auch tun. Ohne große Zugeständnisse ist das alles für beide nicht zu haben. In den Politikfeldern Sicherheit und Zuwanderung ist sogar eher damit zu rechnen, dass eine Minderheitsregierung Ramelow überhaupt nichts mehr gebacken bekommt. Die diesbezüglichen tatsächlichen Mehrheiten liegen jenseits von Rot-Rot-Grün.
Geht die Mohring-CDU auf Ramelow ein, verspielt sie nicht nur ihren Status als ernstzunehmende Alternative, sondern begibt sich freiwillig in die Zwangsmitgliedschaft mit Linksaußen/SPD/Grünen. Anders gedacht: Von der Thüringer CDU könnte ein erholsamer Schub für die gesamte CDU ausgehen. Ab-Nabeln von Merkel, kein An-Nabeln bei Ramelow und stattdessen im Landtag Punkt für Punkt CDU-Politik ohne Absprachen anbieten und auf sachbezogene Mehrheiten setzen. Ein, zwei Jahre muss das probiert werden. Dann sollte die Wählerschaft erneut entscheiden.
So wie es im Moment aussieht, will sich die CDU Thüringen von Linksaußen genauso schlucken lassen wie die SPD Thüringen es vor ihr zielstrebig mit sich machen ließ. Die Folgen werden für Deutschland verheerend sein. Schade, dass Joachim Gauck Pate sein will. Die Bundes-CDU geht gerade den Weg der SPD in die Bedeutungslosigkeit. Der gezielte Abbruch des Wirtschafts – Energie- und Automobilstandortes Deutschland rächt sich: Wer die Axt an den eigenen Standort legt, muss sich woanders wählen lassen. Oder vom Klima. Die CDU Thüringen könnte die Grubenfahrt aufhalten…
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Bilder: Bundesarchiv, Bild 183-1990-0328-303 / Schöps, Elke / CC-BY-SA 3.0 , CDU Fraktion Thüringen/Wikipedia/CC BY-SA 4.0, Bundesarchiv, Bild 183-1989-1218-037/via Wikipedia/ CC-BY-SA 3.0,