Erinnern Sie sich, wie groß die Aufregung jedes Mal war, wenn es in der deutschen Hauptstadt zu größeren Demonstrationen von Corona-Maßnahmen-Gegnern kam? Prompt war davon die Rede, dass da Nazis unterwegs seien. Der damalige Berliner Innensenator Andreas Geisel (früher SED, jetzt SPD) sagte, er werde so etwas nicht zulassen, und verbot eine Kundgebung nach der nächsten. Seine Polizei ging mit derartiger Brutalität gegen Demonstranten vor, dass sich sogar der Sonderberichterstatter für Folter der UNO einschaltete. Die Medien hyperventilierten. Ich erinnere mich gut, wie Kollegen auf der Bundespressekonferenz kurz vor der Schnappatmung waren. Regelmäßig war sogar von Antisemitismus die Rede.
All das, weil Menschen aus der Mitte der Gesellschaft friedlich gegen eine außer Rand und Band geratene Corona-Politik demonstrierten. Ganz anders agieren Politik und Medien, wenn echte Antisemiten in der Hauptstadt auf die Straße gehen. Am 19. April zog der deutsche Ableger der Hamas-nahen Samidoun-Bewegung durch Berlin. Die Organisation vermeldete auf ihrer Webseite selbstbewusst eine „massive Demonstration für die Freilassung palästinensischer Gefangener“. Offiziellen Angaben der Berliner Behörde zufolge waren etwa 700 Menschen auf der Straße. Die meisten davon Araber, viele mit Palästina-Fahnen. Einige von ihnen bewarfen Polizisten mit Flaschen und Steinen. Anders als bei den meist friedlichen „Corona-Demos“ wurde die Kundgebung deshalb aber keinesfalls aufgelöst. Es kam nur zu fünf Festnahmen.
„Die Samidoun-Bewegung versteht sich als ‚Netzwerk für die palästinensischen Gefangenen‘; bei den meisten Häftlingen, deren Freilassung sie fordern, handelt es sich um Verantwortliche für Anschläge in Israel“, schreibt das Portal TE: „Die Organisation agitiert außerdem in mehreren europäischen Ländern gegen die Einstufung der Hamas als Terrororganisation. Ihr Aufmarsch in Berlin fiel in eine Phase verstärkter Terroranschläge in Israel und gewalttätiger Angriffe mit Wurfgeschossen in Jerusalem während der Osterfeiertage.“
Mich wundert nicht, dass ideologisierte erlebnisorientierte Jugendliche auf der Suche nach Abenteuer an einem heiligen Ort für Muslime Sicherheitskräfte attackieren. Mich wundert nur, dass sie es schaffen überall Sympathien zu gewinnen. #Jerusalem pic.twitter.com/DNdgV9xgMW
— Ahmad Mansour (@AhmadMansour__) April 22, 2022
Zu sehen war bei dem Aufmarsch ein Transparent, das zum Boykott und zur Vernichtung Israels aufruft.
Beim israelfeindlichen Aufmarsch in Neukölln #b1804 wurde ein Transpi mitgeführt, das zum Boykott & zur Vernichtung Israels aufruft. Zuletzt war es beim #LLMarsch 2022 zu sehen. Daneben etliche Samidoun-Fahnen & ein Plakat, das Einstein mit einem falschen Zitat instrumentalisiert pic.twitter.com/lKmEADxn7v
— Friedensdemo-Watch (@FriedensWatch) April 19, 2022
Man sollte nun erwarten, dass die öffentlich-rechtlichen Medien, die so sehr auf die Corona-Proteste fixiert waren, über so einen Protest berichten. Doch nein – sie schweigen:
Heute demonstrierte die antisemitische Samidoun Bewegung in Berlin gegen Israel. Laut Tagesspiegel wurden Journalisten bedroht und Polizisten angegriffen. Warum gibt es dazu keine Berichterstattung bei ARD und ZDF? #ReformOERR #OERRBloghttps://t.co/CaJfiQIsLz pic.twitter.com/2XtmpAzbVI
— ÖRR Blog. (@OERRBlog) April 19, 2022
„Schon in den vergangenen Tagen war der öffentlich-rechtliche Rundfunk dadurch aufgefallen, dass er andere Gewalttaten mit islamischem Hintergrund entweder herunterspielte oder systematisch verdrehte“, schreibt TE weiter: „Einen islamistischen Anschlag in einer Gaststätte in Israel bezeichnete der Bayerische Rundfunk beispielsweise als ‚Kneipen-Schießerei‘. Die gewalttätigen Ausschreitungen vieler Muslime in Schweden verzerrte das ZDF sogar zu ‚rechten‘ Krawallen.“
In der ARD betrieb Tagesthemen-Moderatorin Caren Miosga eine besondere Interpretation der Realität: „Dass sie in Schweden besonders friedfertig seien, war schon immer ein Klischee.“ Auffallend auch, wie sich Politiker verhalten, die sonst überall Rechtextremismus wittern und das Kriegsbeil immer parat haben, wenn es gegen Regierungskritiker etwa aus den Reihen der Corona-Maßnahmen-Kritiker geht. Innenministerin Nancy Faeser etwa verlor kein Wort zu der gewalttätigen Demo der Hamas-nahen Organisation in ihrer Stadt.
Ich würde dazu gerne Fragen stellen an sie bzw. ihr Ministerium auf der Bundespressekonferenz. Doch aus dieser wurde ich ausgeschlossen – Regierung und regierungsnahe Journalisten sind wieder gemütlich unter sich.
Tex: br
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