Verbotene Demos in Berlin: Medien-Berichte und was ich vor Ort sah Ein Tag auf Reportage-Einsatz in der Hauptstadt

Alles ist relativ, sagte der große Albert Einstein. Und sollte auch heute wieder Recht behalten. Insbesondere bei Berichten von den Anti-Corona-Maßnahmen-Demonstrationen in Berlin, die ich heute den ganzen Tag journalistisch begleitete. Das Angenehme vorneweg: Anders als oft bei ähnlichen Anlässen fand ich abends nicht in den Medien ein völlig anderes Bild dessen wieder, was ich selbst erlebt habe. Und nachdem sich nach harter Polizeigewalt gegen „Corona-Demonstranten“ am 1. August sogar der UN-Sonderberichterstatter für Folter der Berliner Polizeieinsätze angenommen hatte (nachzulesen hier), agierten die Beamten von Innensenator Andreas Geisel (früher SED, heute SPD) heute für ihre Verhältnisse fast schon dezent. Brutale Prügelszenen habe ich heute nicht gesehen. Auch ich wurde kein einziges Mal an der Arbeit gehindert. Es geht also doch mit korrekter Polizeiarbeit, wenn man nur will.

Das weniger Angenehme: Die Demonstrationen blieben größtenteils verboten, Gängelungen und Schikanen von Teilnehmern auch der erlaubten Kundgebung der Partei „Die Basis“ auf dem Leipziger Platz waren einer Demokratie unwürdig. Umso mehr kurz vor den Wahlen. Der gebührenfinanzierte RBB berichtete: „Nach Beobachtungen von rbb-Reportern versuchten einige Demonstranten in der Lüneburger Straße, in der Straße Alt-Moabit sowie über die Stromstraße Polizeiabsperrungen zu überwinden und in das Regierungsviertel einzudringen. Auf der Lessingbrücke im Ortsteil Moabit drohte dann die Lage zu eskalieren.“ Letzteres stimmt zwar, ich war selbst vor Ort und habe die Szenen auch im Livestream dokumentiert (siehe hier). Allerdings hätte ein Durchbrechen der Polizeikette die Demonstranten nicht näher ans Regierungsviertel gebracht, eher noch weiter entfernt, wie ein Blick auf die Karte zeigt. So werden die Gebührenzahler hier falsch informiert – denn es entsteht ein völlig anderer Kontext. Zumal die Situation auf der Brücke in den Medienberichten tendenziell eher dramatisiert wird.

In der Straße Alt-Moabit wurde ich Zeuge, wie eine sehr schwache Polizeiabsperrung den Demonstranten den Weg blockierte – und diese sofort umkehrten. Vielleicht waren die Kollegen vom RBB zu einem anderen Zeitpunkt vor Ort. An der Lüneburger Straße habe ich keine entsprechenden Szenen gesehen, aber die kann es in einem anderen Moment gegeben haben.

Erstaunlich ist, dass die Berliner Polizei ganz offensichtlich auch „prügelfrei“ arbeiten kann. Beim „Prügel-Einsatz“ am 1. August wurden anschließend interne Einsatzanweisungen an die Öffentlichkeit gespielt, die zeigten, dass offenbar eine besonders niedrige Einsatzschwelle angeordnet wurde. Im Polizeijargon spricht man hier von einem „Scharfmachen“ der Beamten.

Erstaunlich ist auch, dass die Berliner Polizeiführung den nicht genehmigten Demonstrationszug erneut sehr lange mutterseelenallein und ungehindert durch die Stadt ziehen ließ. Sie wirkte dabei weniger deeskalierend als schlicht überfordert. Prügeln und vorausschauende Polizeiarbeit sind zwei Paar Schuhe. Dass dann plötzlich an der Lessingbrücke mit schwachen Einsatzkräften der Demonstrationszug unterbrochen wurde, war unglücklich – so wurde Gewalt gegen die Absperrung, die dann auch erfolgte, beinahe provoziert (was sie nicht rechtfertigen soll). Die Szene drohte hier teilweise zu eskalieren; erfreulicherweise kam es dazu aber nicht.

Am Leipziger Platz gab es eine genehmigte Kundgebung der Partei „Die Basis“. Die Berliner Zeitung spricht von rund 1.000 Teilnehmern, was sehr tiefgestapelt wirkt. Auf der Demo wurde ein Mann in Polizeiuniform festgenommen. Seine Begleiterin sagte mir, er sei ein Beamter aus Nordrhein-Westfalen und privat auf der Demonstration gewesen. Im Stream habe ich aufgenommen, wie er von den Berliner Beamten festgehalten wird. Da er sich im Polizeigewahrsam befand, durfte er keine Angaben machen. Auch die Polizisten, die ihn festhielten, äußerten sich nicht. Diverse Kommentatoren zweifelten an der Echtheit seiner Polizeiuniform. Andere hielten entgegen, es handle sich um eine besondere Form der Polizeiuniform in Nordrhein-Westfalen. Ich werde der Sache weiter nachgehen.

Für den morgigen Sonntag sind erneut mehrere Demonstrationen angekündigt worden, unter anderem die große Demonstration von „Querdenken“. Trotz behördlicher Verbote wird mit größeren Demonstrationen gerechnet. Ich werde auch morgen wieder den ganzen Tag vor Ort sein.

Mein ganz persönliches Fazit vom heutigen Tag: Ich bin schockiert, dass unsere Regierenden so große Angst vor friedlichen Demonstranten haben, und so massiv gegen diese vorgehen. In einer funktionierenden Demokratie müsste es die normalste Sache der Welt sein, dass Kritiker der Regierung auf die Straße gehen können. Kundgebungen von Kräften, die der Regierung ideologisch nahestehen wie der „Christopher Street Day“ werden ja auch erlaubt. Für mich reiht sich der heutige Tag in eine lange Serie von schwarzen Tagen für unsere Demokratie ein.

In Kürze wird doch noch ein Zusammenschnitt der wichtigsten Szenen aus meinen Livestreams und unveröffentlichtem Material erscheinen – der Link wird hier zeitnah ergänzt. Schauen Sie rein! Und unterstützen Sie die Arbeit von meinem Team und mir – trotz der Schikanen von Youtube & Co. – die Google-Tochter verbietet seit einem Jahr Reklame auf meinem Kanal. Angesichts der hohen Aufrufzahlen und rund 310.000 Abonnenten eine massive Benachteiligung und Sabotage der freien Presse.

Hier der Presseüberblick von Ekaterina Quehl

Corona-Krawalle in Berlin: Demonstranten umstellen Polizisten und rufen „Helme ab!“, focus.de, 28.08.2021, 19:07

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„18.39 Uhr: Trotz einer Reihe von Demonstrationsverboten haben sich am Samstag in Berlin nach Polizeiangaben mehrere tausend Menschen aus Protest gegen die Corona-Politik versammelt. Dabei kam es bis zum frühen Abend zu mehr als 50 vorläufigen Festnahmen. Die Polizei begleitete die einzelnen Züge und zog dabei nach eigenen Angaben immer wieder Rädelsführer aus den Gruppen. Es gab einige Angriffe auf Einsatzkräfte, zunächst wurde ein Polizist verletzt. Am Leipziger Platz umstellten Demonstranten eine Gruppe von Polizisten und riefen „Helme ab!“, berichtet der „Tagesspiegel“.“

„An der Lessingbrücke zwischen Tiergarten und Moabit versuchten Demonstranten nach Polizeiangaben, eine Sperre zu durchbrechen. Die Polizei verhinderte das und setzte dabei auch Reizgas ein. Polizeihubschrauber waren zur Beobachtung der unübersichtlichen Szenerie eingesetzt, weite Teile des Regierungsviertels abgesperrt.“

„Die Polizei hatte sich trotz zahlreicher Demonstrationsverbote auf größere Einsätze eingestellt. Rund 2000 Kräfte standen nach eigenen Angaben bereit, darunter auch Unterstützung aus Baden-Württemberg, Niedersachsen, Bayern und Sachsen.“


„Querdenker“ wollen Absperrung durchbrechen – Polizei setzt Pfefferspray ein, Tagesschau/rbb24.de, 28.08.2021, 18:00

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„Die Bilder ähneln jenen von Anfang August: Auch an diesem Samstag haben sich mehrere tausend ‚Querdenker‘-Anhänger Versammlungsverboten widersetzt. Auf der Lessingbrücke im Ortsteil Moabit drohte am Nachmittag die Lage zu eskalieren.“

„Nach Beobachtungen von rbb-Reportern versuchten einige Demonstranten, in der Lüneburger Straße, in der Straße Alt Moabit sowie über die Stromstraße Polizeiabsperrungen zu überwinden und in das Regierungsviertel einzudringen. Auf der Lessingbrücke im Ortsteil Moabit drohte dann die Lage zu eskalieren: Die Polizei setzte Pfefferspray gegen Demonstrierende ein, die versucht hatten, die dortige Polizeiabsperrung zu durchbrechen, berichten rbb-Reporter. Es kam zu tumultartigen Szenen und Rangeleien. Nach Schätzungen des rbb-Reporters waren 1.000 Menschen auf der Brücke. Sie verließen wenig später wieder das Areal. Einige wenige Demonstranten gelangen trotz der Absperrungen bis vor den Reichstag.“


Platzverweise und Festnahmen bei „Querdenker“-Demos in Berlin, zeit.de, 28.08.2021, 13:32

Rubrik Gesellschaft

„Einige Tausend Demonstrierende haben sich in Berlin trotz zuvor ausgesprochener Verbote zu Protesten gegen die Corona-Politik der Bundesregierung versammelt. Es gab einige Angriffe auf Einsatzkräfte, zunächst wurde ein Polizist verletzt. Dabei kam es bisher zu 36 vorläufigen Festnahmen, mehr als 50 Personen wurden bislang aus der Menge herausgeführt und erhielten Platzverweise, berichtet die Polizei via Twitter.“

„Nachdem der Aufmarsch den Hauptbahnhof passiert hatte, versuchten die Demonstrierenden laut Tagesspiegel mehrfach, die Spree zu überqueren, um den Tiergarten erreichen. Die Polizei verhinderte dies mit Absperrungen.“


Tausende ziehen trotz Demo-Verbots durch Berlin – Polizei im Großeinsatz, welt.de, 28.08.2021, 16:41

„Versammlungsverbote der Behörden halten Gegner der Corona-Politik nicht davon ab, in der Hauptstadt zu protestieren. Tausende Polizisten sind im Einsatz. Es gab mehrere vorläufige Festnahmen und Angriffe auf Einsatzkräfte. Nicht nur ‚Querdenker‘ sind unterwegs.“

„Demonstranten versuchten nach Angaben der Einsatzkräfte auch, eine Polizeiabsperrung zu durchbrechen. Dies habe aber auch durch den Einsatz von Pfefferspray verhindert werden können. Polizeihubschrauber waren zur Beobachtung der unübersichtlichen Szenerie eingesetzt, weite Teile des Regierungsviertels abgesperrt. Die Polizei hatte sich trotz zahlreicher Demonstrationsverbote auf größere Einsätze eingestellt. Rund 2000 Kräfte standen nach eigenen Angaben bereit, darunter ist auch Unterstützung aus Baden-Württemberg, Niedersachsen, Bayern und Sachsen.“


Demos in Berlin: Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei, morgenpost.de, 28.08.2021, 16:00,

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„Insgesamt sollen am Sonnabend und am Sonntag mehr als 4200 Polizisten im Einsatz sein. Unter anderem wird das Reichstagsgebäude besonders geschützt.“

„Am Leipziger Platz hat die Querdenker-Partei ‚Die Basis‘ ihre Kundgebung beendet. Die Polizei fordert die Teilnehmer auf, den Platz zu räumen. Ein großer Teil der Demonstranten verweigert sich. Eine Gruppe von Polizisten wird von Demonstranten kurzzeitig eingekesselt. Die Stimmung ist gereizt.“


Polizei löst Demo am Leipziger Platz auf, Festnahmen und Pfefferspray, berliner-zeitung.de, 18:38

Aufmacher

„17.45 Uhr: Die Polizei hat die über 1000 Demonstranten am Potsdamer Platz lange gewähren lassen. Jetzt beginnt sie mit der Räumung des benachbarten Leipziger Platzes.“

„17.15 Uhr: Auch rund um das Regierungsviertel, das weiträumig abgesperrt ist, und vor der Charité befinden sich noch Hunderte Teilnehmer. Es kommt weiterhin zu „Drosten raus“-Rufen. Teilnehmer haben versucht, über die Lessingbrücke in das Regierungsviertel zu kommen. Die Polizei konnten das, zum Teil mit Gewalt verhindern.“

„16 Uhr: Mehrfach haben die Demonstranten versucht, Polizeiabsperrungen in Berlin-Mitte zu durchbrechen. Es kam zu Zusammenstößen, bei denen auch Polizisten verletzt wurden, wie Sprecherin Anja Dierschke sagt. Die Bilanz bisher: 80 Festnahmen von Demo-Teilnehmern und vier verletzte Polizei-Beamte.“


Corona-Proteste trotz Demo-Verbot – Dutzende vorläufige Festnahmen, bz-berlin.de, 28.08.2021, 17:16

Aufmacher

„Es gab einige Angriffe auf Einsatzkräfte, zunächst wurde ein Polizist verletzt. An der Lessingbrücke in Moabit stießen Demonstranten auf eine Polizeikette, die das Weiterlaufen in Richtung Bellevue und Hansaviertel verhindern sollte. Es kam zu Durchbruchsversuchen, die Polizei setzte Pfefferspray ein.“

„Am Leipziger Platz hielt die aus der ‚Querdenken‘-Szene kommende Parteineugründung „Die Basis“ eine Kundgebung ab. Journalisten berichteten in den sozialen Netzwerken erneut von Behinderungen und Pöpeleien durch Demonstranten.“


Polizei löst Kundgebung am Leipziger Platz auf – Festnahmen und Pfeffersprayeinsatz, tagesspiegel.de, 18:52

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„Konfrontation auf der Lessingbrücke

Die illegale Demonstration, die seit einer Stunde erfolglos versucht, die Spree nach Süden zu überqueren, steht nun auf der Lessingbrücke der Polizei gegenüber. Die Stimmung ist sehr angespannt. Zunächst schaffte es die Menge, erneut eine Polizeikette zu durchbrechen. Jetzt setzt die Polizei Pfefferspray ein. Einigen dutzend Beamten gelingt es offenbar, die Absperrung zu halten.“

„Durchbruchsversuche gescheitert

Der Polizei ist es gelungen, die Demonstration in Moabit vom Durchbrechen nach Süden abzuhalten. Die Menge ist inzwischen zum Stehen gekommen, es scheint unklar, wohin der Zug nun weiterziehen könnte.“

„Über Telegram wird dazu aufgerufen, mit Bus und Bahn oder E-Rollern Richtung Potsdamer Platz zu fahren. Dort soll in einer Stunde die genehmigte Kundgebung der Querdenker-Partei ‚Die Basis‘ starten.“


Mehrere „Querdenker“ festgenommen, taz.de, 28.08.2021,

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„An der Lessingbrücke im Stadtteil Moabit kam es am Nachmittag zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei, als die Menge versuchte, in Richtung Siegessäule und Großer Stern durchzubrechen. Die Polizei setzte Pfefferspray ein.

„Am Leipziger Platz hielt die aus der ‚Querdenken‘-Szene kommende Parteineugründung „Die Basis“ eine Kundgebung ab. Journalisten berichteten in den sozialen Netzwerken erneut von Behinderungen und Pöpeleien durch Demonstranten
Neun Demonstrationen waren von der Polizei verboten worden, darunter Kundgebungen der „Initiative Querdenken“ auf der Straße des 17. Juni. Drei Eilanträge gegen die Verbote wies das Verwaltungsgericht zurück, einem gaben sie statt: Eine für Samstag und Sonntag angemeldete Versammlung mit je 500 erwarteten Teilnehmern darf stattfinden. Auf diese Veranstaltung wurde über das soziale Netzwerk Telegram hingewiesen.“

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Bild: Boris Reitschuster
Text: br

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