Von Christian Euler
Fast jeder dritte Mensch auf der Welt kann sich nicht angemessen ernähren. Die Pandemie sorgt für eine der stärksten Zunahmen von Hunger seit Jahrzehnten. In einem am Montag veröffentlichten UN-Bericht konstatieren die Vereinten Nationen eine „dramatische Verschlechterung“ im vergangenen Jahr.
Der größte Teil hänge wahrscheinlich mit der Coronakrise zusammen. Der Bericht, der von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) in Zusammenarbeit mit vier anderen UN-Organisationen entworfen wurde, fordert die Weltgemeinschaft auf, schnell zu handeln, um Millionen von Menschen vor dem Verhungern zu retten.
UN-Generalsekretär António Guterres zufolge zeigen die neuen „tragischen Daten“, dass zwischen 720 Millionen und 811 Millionen Menschen – also rund ein Zehntel der Weltbevölkerung – im Jahr 2020 unterernährt waren. 2019 waren 70 bis 161 Millionen Erdenbewohner weniger von Hunger betroffen. Im vergangenen Jahr hatten weltweit 2,4 Milliarden Menschen keinen Zugang zu ausreichend nahrhaften Lebensmitteln – ein Anstieg um fast 320 Millionen Menschen in einem Jahr.
»Die Pandemie deckt weiterhin Schwächen in unseren Ernährungssystemen auf«
Jedes fünfte Kind auf der Welt ist unterernährt, so der Bericht „The State of Food Security and Nutrition in the World 2021“. Die neuen Daten – die erste umfassende globale Bewertung der Ernährungsunsicherheit seit Beginn der Coronakrise – zeigen, dass die Zahl der Menschen, die von chronischem Hunger betroffen sind, im Jahr 2020 stärker gestiegen ist als in den fünf Jahren zuvor zusammen.
Die gesamten Auswirkungen der Pandemie lassen sich laut des Berichts zwar noch nicht abschätzen. 2020 hätten jedoch rund 118 Millionen Menschen mehr an Hunger gelitten haben als im Jahr zuvor. „Die Pandemie deckt weiterhin Schwächen in unseren Ernährungssystemen auf, die das Leben und die Lebensgrundlage von Menschen auf der ganzen Welt bedrohen“, schreiben die Leiter der beteiligten UN-Organisationen.
Basierend auf einem konservativen Szenario prognostizieren die Autoren, dass zwischen 2020 und 2030 aufgrund der Pandemie zusätzlich 22 Millionen Kinder in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen unterernährt sein werden. Von dem Weg zu ihrem vereinbarten Ziel, den Hunger bis 2030 auszurotten, sei die Staatengemeinschaft bereits vor der Pandemie abgekommen, konstatieren die UN-Organisationen.
»Die Coronakrise ist nur die Spitze des Eisbergs«
„Die Umkehrung dieser Situation wird wahrscheinlich Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern“, sagte Arif Husain, der Chef des Welternährungsprogramms der UN. Dem Bericht zufolge könnten im Jahr 2030 als Folge von Covid-19 etwa 30 Millionen Menschen mehr von Hunger betroffen sein, als wenn die Pandemie nicht aufgetreten wäre.
„Die Coronakrise ist nur die Spitze des Eisbergs“, schreiben die Autoren. Noch alarmierender sei, dass die Pandemie Schwachstellen aufgedeckt habe, die sich in den vergangenen Jahren im Nahrungsmittelsystem gebildet hätten. Diese seien Folgen von Konflikten, Klimaveränderungen und Wetterextremen sowie wirtschaftlichen Einbrüchen.
UN-Generalsekretär António Guterres bringt die hoffnungslose Lage so auf den Punkt: „In einer Welt des Überflusses gibt es keine Entschuldigung, wenn Milliarden keinen Zugang zu einer gesunden Ernährung haben.“
Bild: AkulininaOlga/Shutterstock
Text: ce
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