Wie demokratisch ein System ist, kann man immer auch daran ablesen, wie sehr Familienbande im politischen und medialen Geschäft eine Rolle spielen. Man könnte das auch Vetternwirtschaft-Faktor nennen. Deutschland hat da mächtig aufgeholt gegenüber den üblichen Verdächtigen, wie gerade die Affäre um Patrick Graichen zeigt, den Staatssekretär von Robert Habeck, und um seine zahlreichen Geschwister und Schwager. Jetzt ist auch der Medien-Sektor auf Aufholjagd gegangen: „Verteidigungsminister Boris Pistorius hat eine neue Redenschreiberin – Elisabeth von Hammerstein, die Tochter des bekannten ‚Spiegel‘-Autors Konstantin von Hammerstein“, wie der „Business Insider“ (BI) jetzt offenlegte.
Dabei wäre das noch halb so wild. Zahlreiche Details geben der Sache ein „Geschmäckle“, wie man in Schwaben zu sagen pflegt: Ausgerechnet Hammerstein, lange Jahre Leiter des Hauptstadtbüros des „Spiegel“, war einer der lautesten und gnadenlosesten Kritiker von Christine Lambrecht (SPD), der Vorgängerin von Pistorius. Kaum war der im Amt, entwickelte Hammerstein plötzlich eine journalistische Liebe zum Minister. Ließ er an Lambrecht kein gutes Haar und walzte jedes Missgeschick noch so breit aus, so präsentiert er Pistorius als „Mister Perfect“: so der Titel von Hammersteins „Spiegel“-Titelgeschichte Ende April. Darin standen Sätze wie dieser: „Pistorius lässt sich am Abend darauf den Druck nicht anmerken, der auf ihm lastet. Vielleicht spürt er ihn auch nicht, weil er im Bendlerblock seine Bestimmung gefunden hat.“
Die „Spiegel“-Leser hatten keine Ahnung, dass die Autorin dieses Stückes, das mehr Ikonenmalerei als kritischem Journalismus gleicht, quasi via Familie mit dem derart Gehuldigten verbandelt ist. Kurz zuvor hatte seine Tochter die neue Stelle bekommen, die direkten Zugang zum Minister und einen engen Draht zu ihm gewährleistet. Dem Leser teilte der Spiegel das nicht mit. Die Chefredaktion und die Leitung des Hauptstadtbüros waren angeblich über die Tätigkeit der Tochter im direkten Umfeld des Ministers zum Zeitpunkt nicht informiert, wie „BI“ schreibt. Erst nach einer Presseanfrage des Portals stellte das Magazin einen Transparenzhinweis unter den Beitrag.
Bevor sie Anfang April Redenschreiberin wurde und dazu in das entsprechende Referat im Leitungsbereich des Ministeriums wechselte, war Elisabeth von Hammerstein dem Bericht zufolge ein Jahr Beraterin der Beauftragten für die deutsch-französische Zusammenarbeit des Verteidigungsministeriums. Zuvor war sie sechs Jahre lang Programmdirektorin für internationale Politik bei der Körber-Stiftung.
Man kennt sich in der Hauptstadt. Man bleibt unter sich. Und man hilft sich.
Bei Pistorius ist es bereits der zweite Fall in seiner kurzen Amtszeit. Kaum ernannt, holte er den ARD-Journalisten Michael Stempfle als Sprecher in sein Ministerium (siehe hier). Der hatte nur Tage zuvor noch in einem Kommentar in höchsten Tönen von Pistorius geschwärmt. Hat er sich so sein Amt mit erschlichen bzw. erschleimt? Stempfle versicherte später, er habe noch keinen Kontakt zu Pistorius gehabt, als der Kommentar erschien. Aber zum einen wirkt das wenig glaubwürdig. Und zum zweiten widerspricht es der These nicht. Denn Stempfle könnte ja versucht haben, mit einem besonders liebdienerischen Kommentar die Aufmerksamkeit des Ministers zu ergattern – in Hoffnung auf höhere Ehren.
Schielen auf Verbeamtung
Die enge Verzahnung von Politik und Medien ist eines der großen Probleme unserer Demokratie. Die Bundespressekonferenz etwa ist längst zu einer Art Casting-Show nach dem Motto „Wer wird der nächste Regierungssprecher“ verkommen. Statt die Mächtigen zu kontrollieren, scheinen viele Journalisten zu versuchen, sich bei ihnen einzuschleimen und sich so für verbeamtete Posten zu empfehlen. Hinter vorgehaltener Hand ist es ein offenes Geheimnis, dass viele Journalisten, gerade in der Bundespressekonferenz, davon träumen, der wirtschaftlich gerüttelten Medien-Branche mit ihren unsicheren Berufsperspektiven in ein gesichertes Beamtenverhältnis mit Pensionsansprüchen zu entkommen. Alle drei aktuellen Regierungssprecher waren früher selbst Journalisten und Mitglieder der Bundespressekonferenz. Auch in der vorherigen Regierung war das nicht anders.
Dass der Filz inzwischen auch bis in die Familien hineinreicht, hat spätestens der Fall Habeck/Graichen gezeigt. Dass von Hammerstein die Tätigkeit seiner Tochter für das Objekt seiner Berichterstattung offenbar nicht als problematisch ansah und sich nicht selbst für zu befangen erklärte, um die Geschichte zu schreiben, zeigt, wie völlig verlottert die politischen Sitten in Berlin mittlerweile sind.
Diese Verfilzung ist ein Sargnagel der Demokratie. Aber wer sie anspricht, muss damit rechnen, als „Rechtspopulist“ diffamiert zu werden.
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