Anfang März 2022, als ich dank eines „Genesenenausweises“ trotz 3G-Regel ein letztes Mal vor meinem Rausschmiss in die Bundespressekonferenz konnte, geriet ich dort mit Maximilian Kall aneinander, dem damals noch ganz neuen Sprecher der damals ebenfalls noch neuen Bundesinnenministerin Nancy Faeser von der SPD. Ich sprach Kall auf das Verbot von Corona-Kundgebungen an – und den Kontrast zu den Ukraine-Demos, die sofort erlaubt wurden. Faesers Sprecher leugnete daraufhin, dass es dieses Verbot gegeben habe: „Von Verboten, Herr Reitschuster, wüsste ich nichts. Auch die Coronaproteste haben in aller Regel mit Auflagen stattgefunden, aber sind nicht verboten worden.“ (Details hier).
Insofern dürfte man sich im Innenministerium wundern, dass das, was es nach dortiger Auffassung gar nicht gegeben hat, nun höchstrichterlich für unverhältnismäßig erklärt wurde. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig stufte das völlige Versammlungsverbot, das die sächsische Corona-Schutzverordnung zu Beginn der Corona-Zeit ermöglichte, als unwirksam ein. Aber nicht nur Sachsen, auch andere Bundesländer hatten zu Corona-Zeiten Kundgebungen verboten unter Hinweis auf entsprechende Regelungen in den jeweiligen Corona-Schutzverordnungen.
Die Verordnung schrieb vor, dass sämtliche Veranstaltungen, Versammlungen und sonstige Ansammlungen verboten waren. Landkreise und kreisfreie Städte hatten zwar das Recht, im Einzelfall Ausnahmen zuzulassen – aber nur, wenn die „infektionsschutzrechtliche Sicht“ dies zuließe. In Folge der Verordnung wurden zahlreiche Demonstrationen untersagt und die Grundrechte der Bürger massiv beeinträchtigt.
„Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte in seinem Urteil zunächst, dass eine Pandemie Einschränkungen der Versammlungsfreiheit rechtfertigen könne“, schreibt die „Zeit“: Es sei zulässig, dass Sachsen sich dabei auf das Infektionsschutzgesetz gestützt habe. „Es habe das Risiko für Leben und Gesundheit weiterhin als hoch einschätzen und dabei auch davon ausgehen dürfen, dass Abstandsgebote oder andere Schutzauflagen die Ausbreitung des Coronavirus nicht vergleichbar hätten verlangsamen können wie das Verbot“, so das Gericht laut dem Bericht.
Allerdings gehöre die Versammlungsfreiheit zu den grundlegenden Rechten des Grundgesetzes, stellten die Richter demnach fest: „Im Frühjahr 2020 habe sich die Infektionsgeschwindigkeit auch nach Einschätzung des Freistaats Sachsen selbst aber verlangsamt. Vor diesem Hintergrund sei ein generelles Versammlungsverbot nicht mehr gerechtfertigt gewesen. Das komplette Verbot sei deshalb „ein schwerer Eingriff in die Versammlungsfreiheit“ gewesen.
Auch der Umstand, dass laut der Verordnung Einzelgenehmigungen möglich gewesen seien, habe an diesem schweren Eingriff wenig geändert. Aus der Vorschrift sei nicht erkennbar gewesen, unter welchen Voraussetzungen Versammlungen trotz der Pandemie vertretbar gewesen sein könnten, so das Gericht laut „Zeit“. Die sächsische Landesregierung hätte dies regeln müssen, „um zumindest Versammlungen unter freiem Himmel mit begrenzter Teilnehmerzahl unter Beachtung von Schutzauflagen wieder möglich zu machen“, befanden die Richter.
Das Gericht musste sich des Demonstrationsverbots annehmen, weil ein 36-Jähriger geklagt hatte, der gegen die Einschränkung seiner Grundrechte vor dem Gesundheitsministerium in Dresden demonstrieren wollte. In der Vorinstanz am sächsischen Oberverwaltungsgericht hatte der Mann laut „Zeit“ keinen Erfolg gehabt.
Das Urteil zeigt einmal mehr: Diejenigen, die sich damals über eine unzulässige Einschränkung der Grundrechte empörten und dafür diffamiert wurden, hatten Recht – und zwar nun hochrichterlich bestätigt.
Es wäre höchste Zeit für Rehabilitierungen, eine Entschuldigung durch die Verfechter der grundrechtswidrigen Politik damals und eine politische sowie juristische Aufarbeitung. Doch genau das passiert nicht. Eine unheilige Allianz aus Politik und Medien, die schon damals gemeinsam stramm an einem Strick zog zur Einschränkung der Grundrechte und Durchsetzung einer autoritären Politik, sorgt auch jetzt dafür, das Thema weitgehend unter der Decke zu halten und eine Aufklärung zu verhindern. Das Signal ist klar: Man darf in Deutschland Grundrechte mit Füßen treten, ohne dafür wirkliche Verantwortung übernehmen zu müssen. So sind einer Wiederholung Tür und Tor geöffnet – demnächst vielleicht für das Klima.
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