Die Linke Sahra Wagenknecht ist in der eigenen Partei inzwischen schlecht gelitten, weil sie weniger der Champagner-Etage angehört als dem „Fußvolk“, über das viele in der Führung insgeheim die Nase rümpfen. Vor allem, wenn es bei Themen wie Zuwanderung oder Corona nicht stramm auf der Linie der Parteiführung ist – die wiederum in diesen Gebieten stramm hinter der rotgrünlila Bundesregierung steht.
Wagenknecht kann es nicht lassen, die eigene Partei anzugreifen. Und das ist gut so. Diese Woche teilte sie wieder heftig aus. Wie gewöhnlich, möchte man fast sagen, doch sie findet immer wieder neue Wege, mit denen sie ihren Attacken Frische verleiht. Nach der Abstimmungspleite für die Regierung in Sachen Impfpflicht teilte sie in der ihr eigenen Manier aus: Bundeskanzler Gesundheitsminister Karl Lauterbach, der sich mit seiner „Coronapolitik immer häufiger blamiert“, seien „krachend gescheitert“, so Wagenknecht: „Nirgends auf der Welt wird noch über Impfpflichten diskutiert.“ Und sie geht noch einen Schritt weiter: „Während der Impfpflicht-Fanatiker Lauterbach bereits vor ‚Gruselmutanten‘ im Herbst warnt, halten dies viele Experten, bspw. die renommierten Virologen Stöhr und Streeck, für sehr unwahrscheinlich.“
„Der Impfpflicht-Fanatiker Lauterbach“ – man möchte Wagenknecht Applaus spenden für den Mut, die Dinge derart beim Namen zu nennen – während die großen Medien ja bis auf wenige Ausnahmen genau das Gegenteil tun und resolut auf Lauterbach-Kurs sind. Sie stimmten ein regelrechtes Wehgeheul an nach der Abstimmungs-Niederlage in Sachen Impfpflicht. Manche reagierten wie kleine Kinder, denen man ihr Lieblingsspielzeug weggenommen hat. „Heult leiser, Kollegen“, schrieb etwa der kritische Journalist Claudio Casula völlig zurecht: „Monatelang hat man in den Medienhäusern des Landes für die Impfpflicht getrommelt, gegen ‚Ungeimpfte‘ Stimmung gemacht, das offizielle Narrativ nicht nur verbreitet, sondern sogar verstärkt. Und dann das!“
Wagenknecht winkt noch weiter mit dem roten Tuch vor der linientreuen Hauptstadtpresse: Sie fordert die Abschaffung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht.
Und auch in Sachen sozialer Gerechtigkeit gibt Wagenknecht der eigenen Partei auf Facebook noch eine mit: „Ich möchte, dass unser Land gerechter wird, dass auch diejenigen endlich wieder eine Stimme haben, denen es nicht so gut geht, die keine tollen akademischen Abschlüsse haben und von niedrigen Löhnen und mageren Renten leben müssen.“ Damit insistiert sie ganz klar, dass die eigene Partei keine Stimme dieser Menschen mehr ist.
In Sachen Ukraine bleibt die Linke, die einst Stalin lobpreiste, sich selbst und ihrem Kurs gegen die NATO treu. Entschieden spricht sie sich gegen Waffenlieferungen aus: „Was soll es denn bringen, wenn jetzt noch schwerere Waffen geliefert und die Sanktionen gegen Russland noch weiter verschärft werden?“ Weiter schreibt sie: „Die Ukraine kann den Krieg allein nicht gewinnen. Daher haben sie ein Interesse daran, die NATO immer stärker in diesen Krieg hineinzuziehen. Aber das kann nicht unser Interesse sein, weil diese Strategie lebensbedrohlich für uns alle in Europa sein kann.“
Ich bin hier anderer Meinung als Wagenknecht, da Putin in meinen Augen Zurückweichen als Aufforderung auffasst, weiter vorzurücken. Wenn er jetzt in der Ukraine aus seiner Sicht erfolgreich sein wird, ist der nächste Angriff nur eine Frage der Zeit. So meine Meinung. Wagenknecht hat eine andere. Als Demokrat habe ich gerne ihre Meinung hier wiedergegeben und respektiere Wagenknecht trotz dieser Meinungsverschiedenheiten. Und ich bin stolz auf meine Leser, die genauso demokratisch ticken und mit Meinungsverschiedenheiten leben können. Völlige Übereinstimmung gibt es nur in Diktaturen, und auch da ist sie eine Illusion.
Bild: Juergen Nowak/Shutterstock
Text: br
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