Warum die Energiewende in Deutschland gescheitert ist Spannende Ansichten eines Insiders

Von Kai Rebmann

Die Deindustrialisierung der Bundesrepublik hat seit dem Amtsantritt der Ampel weiter an Fahrt aufgenommen. Während die Grünen von CO2-Neutralität und einem Land träumen, das ausschließlich von erneuerbaren Energien versorgt wird, schlagen immer mehr Experten Alarm. Matthias Frederichs, Chef des Baustoffe-Verbands (BVB), bezeichnete die Energie-Versorgungslage hierzulande gegenüber der „BILD“ als dramatisch, der frischgebackene VCI-Präsident Markus Steilemann sieht Deutschland gar auf dem Weg vom Industrieland zum Industriemuseum. Wenn Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) seine Energieziele bis zum Jahr 2030 erreichen wolle, dann brauche es jeden Tag zehn neue Windkraftanlagen. „Eine davon braucht 4.000 Tonnen Stahl; das ist ein halber Eiffelturm. Das heißt: fünf Eiffeltürme jeden Tag. Und das für die nächsten acht Jahre“, rechnet Steilemann vor. Dem Industriestandort Deutschland drohe ein „gigantischer Strommangel“ und infolgedessen der Kollaps, so die unmissverständliche Warnung in Richtung von Robert Habeck.

Diese und ähnliche Aussagen aus den Reihen der deutschen Industrie und Wirtschaft zeigen, wie sehr die Bundesregierung mit der Realität auf Kriegsfuß steht. Als Reaktion auf den jüngst von unserer Gastautorin Vera Lengsfeld veröffentlichten Artikel, hat reitschuster.de jetzt das spannende Schreiben eines Insiders erreicht. Der Leser arbeitet eigenen Angaben zufolge bei einem großen Hersteller von Energiesystemen und mahnt ein radikales Umdenken an. Bei der Frage, warum die Energiewende in Deutschland unter Beibehaltung der bisher verfolgten Strategie zum Scheitern verurteilt ist, empfiehlt der Experte, sich nicht nur auf die Produktion von Energie zu konzentrieren, sondern vielmehr auf die Speicherung derselben. Diese sei „in der Theorie möglich, allerdings hält das aktuell niemand für realistisch.“ Bis ganze Städte oder gar Länder mit Strom aus industriellen Megapacks (Puffer) versorgt werden können, werden nach Einschätzung unseres Lesers noch Jahrzehnte vergehen.

Politik der kleinen Schritte

Wie weit Deutschland von seinen selbst gesteckten Energiezielen derzeit noch entfernt ist, wird an folgendem Beispiel deutlich. Selbst für vergleichsweise kleine Anwendungen wie die „durch die Decke geschossene Akku-Produktion“ für E-Autos reichen die aktuell vorhandenen Kapazitäten kaum aus. Für die Herstellung deutlich größerer Einheiten seien selbst die Großkonzerne unter den Akku-Fabrikanten nicht ausgelegt, wie der Leser schreibt. Die Herstellung eines Puffers für eine einzige Stadt würde „die komplette Jahresproduktion aufsaugen.“ Und genau darin liege auch eine der Fehlannahmen der Klima-Gläubigen: „Wind ist ein Ausgleich von Luftdruck, hervorgerufen durch Sonneneinstrahlung. Wenn ein Tiefdruckgebiet kommt, dann soll der Akku geladen werden und wenn tagelang bei Windstille die Sonne scheint (oder bei Bewölkung auch nicht), dann soll ein Akku über Tage hinweg ganze Städte versorgen?“ Theoretisch sei so etwas zwar möglich, aktuell aber fernab jeglicher Realität. Das liegt nach Einschätzung des Insiders vor allem daran, dass man in Deutschland „den technischen Firmen das Geld über Steuern und Abgaben aus der Tasche zieht und sie mit Bürokratie dazu drängt, in andere Länder zu gehen.“ In einem solchen Umfeld wolle niemand investieren.

„Mit x Quadratmetern Solarfläche kann die gesamte Menschheit mit Energie versorgt werden.“ Auch dieser von Klima-Gläubigen häufig zitierte Satz gilt unserem Leser zufolge nur in der Theorie. Zudem müsse man sich die Frage stellen, ob so etwas in der Realität überhaupt Sinn macht. Eine praktikable Möglichkeit, bei der eine Kombilösung aus Wind- und Solarenergie sowie Akkus schon heute zum Einsatz kommen könnte, sieht der Experte in den Ländern der Dritten Welt: „Eine kleine Insellösung für z. B. Beleuchtung, ein Smartphone oder einen Computer lässt dort den Wohlstand durch die Decke schießen, weil sie bisher entweder gar nichts haben oder ihre Systeme mit teurem Diesel betreiben.“ Dieser Idee ist durchaus etwas abzugewinnen, insbesondere wenn man dabei an die Regionen auf der Südhalbkugel denkt, in denen gerade in Bezug auf die Gewinnung von Solarenergie deutlich stabilere Verhältnisse herrschen.

Installierte Leistung mal 0 bleibt immer noch 0

Der größte Schwachpunkt der erneuerbaren Energien bleibt, dass diese weder ganzjährig noch rund um die Uhr produziert werden können. Darauf weist auch unser Leser hin: „Ohne Speicher kann man Windräder so dicht bauen, dass die Flügel aneinander schleifen, aber es gilt weiterhin: Bei Windstille ist installierte Leistung mal 0 immer noch 0 Gigawatt.“ Wie auch die eingangs zitierten Experten betont haben, handelt es sich bei der Produktion von Windkraftanlagen um eine sehr energieintensive Angelegenheit. Unserem Leser ist es daher ein Rätsel, warum „die Leute nie verstanden haben, wozu alte Kraftwerke gut sein können.“ Er verweist auf Taiwan und China, die er als „Hightech-Länder“ und Hersteller energieeffizienter Hochtechnologien bezeichnet: „Solarzellen, Halbleiter, Akkus, dazu Hightech-Rennfahrräder aus bestem Aluminium. Und womit werden diese Fabriken versorgt? Mit dem weltgrößten Kohlekraftwerk mit fast 6 Gigawatt.“ Erst so werde langfristig (!) ein Schuh draus, wenn man zuerst alte Technologien nutze, um darauf neue aufzubauen.

Auch China sei nicht scharf darauf, seine Kohlekraftwerke länger als unbedingt nötig zu betreiben. „Wenn im Hinterland ausreichend Atomkraftwerke für die Metropolen und Solarzellen mit Akkus aus eigener Produktion für die Kleinstädte stehen, man dazu eines der weltgrößten Wasserkraftwerke betreibt, dann werden Kohlekraftwerke nach und nach überflüssig“, ist der Leser überzeugt. Zehntausende E-Busse und Millionen von E-Autos auf Chinas Straßen hätten schon jetzt dafür gesorgt, dass Diesel-Importe im Reich der Mitte überflüssig geworden seien. Das politische System in China könne man kritisieren, das technische System hingegen sei sehr langfristig gedacht, betont der Insider aus der Energiewirtschaft und kann sich einen kleinen Seitenhieb auf Deutschland nicht verkneifen: „Im Gegensatz zum Energiewendeland hat es innerhalb von gerade einmal zwei Generationen für Unabhängigkeit und Wohlstand für Hunderte Millionen Chinesen gesorgt.“

Aber auch in Europa gebe es interessante Beispiele dafür, wie man es besser machen kann. Ungarn gelinge es, sich mit einem Atomkraftwerk und einem Kohlekraftwerk weitgehend selbst zu versorgen. Das AKW stamme noch aus sowjetischer Produktion und werde demnächst erweitert. Da Atomkraftwerke im Westen aber „pfui“ seien, habe Ungarn sich nach russischen Produzenten umsehen müssen. In Polen stehe nach Taiwan das zweitgrößte Kohlekraftwerk der Welt. Dieses müsse notgedrungen mit einer Leistung von 5 Gigawatt weiterlaufen, „weil man in Deutschland Reserven abschaltet.“ Ungarn und Polen würden mit ihrer jeweiligen Energiepolitik dasselbe Ziel verfolgen: Die günstige eigene Energieversorgung, um der Armut der Sowjetzeit zu entkommen. Man könne behaupten, dass sowohl Ungarn und Polen in Europa als auch Taiwan und China in Asien damit recht erfolgreich sind.

Unser Leser räumt ein, dass man auf die genannten Beispiele durchaus verschiedene Blickwinkel haben könne. Dennoch mache man nichts besser, wenn man die deutschen Tech-Konzerne und Mittelständler als Träger und Entwickler der Zukunftssysteme außer Landes treibt. Damit werde die „Technologie-Herrschaft“ vermehrt in totalitäre Systeme verschoben. Deutschland verlasse sich zu großen Teilen auf eine „extrem ineffiziente Strategie der volatilen Energieträger“ und begehe den Fehler, dass zuerst (!) alte Kraftwerke und Technologien abgeschaltet werden, bevor die neuen Technologien zur Verfügung stehen.

Und so lautet das Fazit unseres Lesers: „Das Leben ist (in den meisten Fällen) nun mal kein supercooles Roadmovie, in dem man die eigene zu Schrott gefahrene Karre am Straßenrand mit Benzin übergießt und abfackelt, während zufälligerweise eine Rockband mit ihrem Tourbus anhält und einen mitnimmt. Sorry Deutschland, aber so läuft’s leider nicht.“

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

Bild: Shutterstock

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