Ein Gastbeitrag von Josef Kraus
Asfa-Wossen Asserate, ein hochgebildeter, integrer Mann äthiopischer Herkunft und einer der renommiertesten Afrikakenner, fordert mit Nachdruck, die herkömmliche Entwicklungspolitik radikal zu ändern. Nur so könne eine anschwellende Massenflucht von Afrika nach Europa noch gestoppt werden (siehe hier)
Vor allem müsse Europa darauf setzen, dass Afrika endlich gut regiert werde, so Asserate: „Viel zu oft erreichen die Entwicklungsgelder nicht diejenigen, für die sie bestimmt sind. In den Händen der herrschenden Kleptokraten wird das Geld zum Instrument des Machterhalts und liefert das Schmiermittel für die grassierende Korruption.“ Europa müsse eine Zusammenarbeit mit Regierungen beenden, die sich nicht um das Wohl ihrer Landsleute scherten, Menschenrechte mit Füßen träten und vor allem auf das eigene Wohl bedacht seien – ohne Politik vorzuschreiben. Letztendlich seien es die Afrikaner selbst, die die Veränderung herbeiführen müssten. Doch die bräuchten Unterstützung im Kampf für die eigenen Rechte.
Man kann nur inständig hoffen, dass die EU und die Bundesregierung verstehen, was Asserate hier so eindringlich beschreibt bzw. prognostiziert. Es stimmt: Die Billionen an Entwicklungshilfe, die die „erste“ Welt über Jahre und Jahrzehnte hinweg nach Afrika transferiert hat, sind zu erheblichen Teilen versandet, weil sie in korrupte Kanäle kamen.
Nun, die Hoffnung stirbt zuletzt. Denn eigentlich wollen EU und Bundesregierung in Sachen Afrika weiterwursteln wie bislang. „Fluchtursachen bekämpfen“ – das klingt schön und gut. Und eine evangelische Kirche gefällt sich darin, ein Boot zum Einsammeln von Flüchtlingen ins Mittelmehr zu schicken und indirekt das Geschäft von Schleusern zu fördern. Aber wer kommt in Europa an? Es sind die vitalsten jungen Männer, die obendrein viel Geld aufbringen konnten, die Schleuserdienste zu bezahlen. Den deutschen und europäischen Arbeitsmarkt sollen sie angeblich bereichern. Würden sie das wirklich können, dann würden sie in ihren Herkunftsländern fehlen. Und EU und Deutschland würden sich eines Kolonialismus 2.0 schuldig machen.
All das geht an den Problemen vorbei. Hauptproblem Nr. 1 ist die Bevölkerungsexplosion in Afrika. Über Jahre und Jahrzehnte hinweg waren daran die Kirchen nicht unschuldig. Jetzt ist es der Islam, der das Bevölkerungswachstum antreibt. In Zahlen und nur mal zur Erinnerung: 1913 hatten Deutschland und Frankreich zusammen in etwa so viele Menschen wie Afrika insgesamt: 110 zu 120 Millionen. Im Jahr 2013 ist das Verhältnis Deutschland/Frankreich vs. Afrika: 145 Mio. zu 1,3 Milliarden. Das ist der Faktor 9. Wöchentlich wächst die Bevölkerung Afrikas um 1,55 Millionen (das ist die Größe Münchens), in einem Jahr fast in der Größenordnung der Bevölkerung Deutschlands. Oder ein anderer Vergleich: Die Europäische Union hat nach dem Brexit 446,0 Millionen Einwohner. Deutschland hat 83,5 Millionen, Frankreich 67,5 Millionen. In Afrika werden es im Jahr 2050 zwei Milliarden sein. In Brüssel und Berlin hat das niemand kapiert. (Eine kleine, ganz simple Modellrechnung noch am Rande: Man bräuchte 10.000 Sea-Watch-4-Schiffe der evangelischen Kirche, um auch nur den wöchentlichen afrikanischen Bevölkerungszuwachs aufzufangen.)
Hauptproblem Nr. 2 sind korrupte Regierungen in Afrika. Sie haben blühende Länder heruntergewirtschaftet. Siehe das frühere Rhodesien oder nach dem Ende der Apartheid auch Südafrika.
Hauptproblem Nr. 3 ist der Umgang des Westens und im besonderen der EU mit afrikanischen Regierungen. Es erfolgen Millionenzahlungen ohne jede Gegenleistung. Der Bundeshaushalt 2020 weist übrigens gut 10,8 Milliarden für „wirtschaftliche Zusammenarbeit“ aus. Private Gelder sind nicht mitgerechnet. Hat je eine Evaluation dieser Ausgaben stattgefunden? Zum Beispiel könnte man Entwicklungsgelder ja mal daran knüpfen, dass sich die betreffenden Länder kooperativ zeigen bei der Rückführung von „Asylbewerbern“ und „Schutzsuchenden“.
Hauptproblem Nr. 4 ist, dass man in Afrika den eigenen Reichtum an Bodenschätzen und Ackerland nicht zu nutzen versteht. Kein Kontinent hat zum Beispiel so viel Ackerland wie Afrika. Aber es liegt brach.
Der Westen, vor allem die EU und Deutschland, wollen davon regierungsamtlich nichts wissen. Naiv verabschiedet man im Europaparlament Resolutionen zu den Rechten der Menschen in Afrika, naiv – und im Verborgenen – bastelt man an einem neuen EU-Migrations- und Asyl-Pakt. Es sind Placebos. Man steht vermeintlich gut da und sonnt sich im eigenen aufgebauschten Humanitarismus (siehe hier).
Nein, es gibt kein Recht auf Grenzenlosigkeit. „Humanitär“ klingt zwar immer gut, es verbirgt sich dahinter allerdings eine ideologische Grundierung. Oder eine Lüge, wie Carl Schmitt 1932 meinte: „Wer Menschheit sagt, will betrügen.“ Auch Merkel verstieß vor exakt fünf Jahren gegen einen Grundsatz, den der berühmte Publizist Sebastian Haffner (1907 – 1999) wiederholt ausgesprochen und zu Papier gebracht hat. Bei einem Vortrag im NDR von 1966 sagte er unter dem Titel „Politik und Vernunft“: Es gehe beim Regierungshandeln um raison d’Etat, um Staatsvernunft. Haffner wörtlich: „Große Staatsmänner und Staatsdenker haben diese Staatsvernunft ja sogar ganz bewußt höher gestellt als Moral, Humanität und Gewissen.“ Und: „Das oberste Vernunftgebot heißt Selbsterhaltung.“ Wie wenn Haffner 2015 vorausgeahnt hätte, fügte er an: „Auch die Demokratie ist gegen dämonische Unvernunft im politischen Bereich nicht gefeit.“ Das gilt mehr und mehr für die pseudo-demokratische EU und eine fortschreitend postdemokratische Bundesrepublik.
Josef Kraus (*1949), Oberstudiendirektor a.D., Dipl.-Psychologe, 1987 bis 2017 ehrenamtlicher Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, 1991 bis 2013 Mitglied im Beirat für Fragen der Inneren Führung beim Bundesminister der Verteidigung; Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande (2009), Träger des Deutschen Sprachpreises 2018; Buchautor, Publizist; Buchtitel u.a. „Helikoptereltern“ (2013, auf der Spiegel-Bestsellerliste), „Wie man eine Bildungsnation an die Wand fährt“ (2017), „Sternstunden deutscher Sprache“ (2018; herausgegeben zusammen mit Walter Krämer), „50 Jahre Umerziehung – Die 68 und ihre Hinterlassenschaften“ (2018), „Nicht einmal bedingt abwehrbereit – Die Bundeswehr zwischen Elitetruppe und Reformruine“ (2019, zusammen mit Richard Drexl)
Bild: pikist
Text: Gast