Dieser Tage stolperte ich über einen Tweet, der – wie so viele in diesen Tagen – „gegen rechts“ Stellung bezog. Der Absender: ein ehemaliger DDR-Bürgerrechtler, den ich persönlich kenne. Ein Mann, den ich sehr schätze, der viel riskiert hat in jener Zeit, in der Widerstand noch keine Likes brachte, sondern Stasi-Akten und Berufsverbote.
Gerade deshalb erschreckt mich dieser Tweet. Nicht wegen seiner Wortwahl oder Position – sondern wegen seiner Einseitigkeit. Weil er so symptomatisch steht für das, was fehlt: Der Blick nach innen. Die Bereitschaft, autoritäre Tendenzen nicht nur dort zu erkennen, wo man sie immer vermutet hat – sondern auch dort, wo sie plötzlich aus dem eigenen Lager kommen. Denn wir sind – als Gesellschaft, als Staat – schon weit auf einem Weg, der jenen ähnelt, den diese Männer und Frauen einst bekämpften. Nur dass sie diesmal an vorderer Front mitmarschieren.
Denn dieser einstige Dissident und viele seiner Weggefährten sehen die Gefahr nur noch von einer Seite. Alles Autoritäre kommt für sie von „rechts“, alles Progressive ist per definitionem gut. Dass man auch im Namen des Guten Menschen ausgrenzt, kontrolliert, bedroht – scheint außerhalb ihres Wahrnehmungshorizonts zu liegen. Und genau das macht mir Sorgen.
Zweimal Dissident ist einmal zu viel
Es ist ein Phänomen, das ich immer wieder beobachte: Viele der einstigen DDR-Bürgerrechtler, die ich persönlich kenne oder über Jahre begleitet habe, verhalten sich heute erstaunlich leise – ausgerechnet dort, wo neuer Konformitätsdruck, Meinungstabu und Deutungshoheit das öffentliche Klima prägen. Mehr noch: Viele marschieren vorne mit bei dem, was sie früher bekämpft hätten.
Man kann das mit Prägung erklären. Mit Biografie. Mit moralischer Überzeugung. Aber ein Aspekt scheint mir besonders zentral – und wird selten offen ausgesprochen: Sie wollen kein zweites Mal Dissident sein.
Denn Dissident sein ist kein Ehrenamt, es ist ein existenzielles Risiko. Wer sich dem herrschenden Konsens entgegenstellt, verliert immer: Freunde, Jobchancen, gesellschaftliche Zugehörigkeit. Und viele von ihnen haben das bereits einmal erlebt – in einem anderen System, unter anderen Vorzeichen. Sie wissen, wie sich das anfühlt: isoliert, verdächtigt, stigmatisiert.
Und nun? Haben viele es endlich „geschafft“: Professuren, Buchverträge, Stiftungsposten, Medienpräsenz. Nach jahrzehntelangem Kampf anerkannt, gefeiert, eingebunden. Da will man verständlicherweise nicht wieder am Rand stehen. Und schon gar nicht rechts stehen – oder dafür gehalten werden.
Hinzu kommt ein fast tragischer Loyalitätskonflikt: Wer 1989 für „den Westen“ aufgestanden ist, für Pressefreiheit, Gewaltenteilung und Bürgerrechte, will nicht wahrhaben, dass eben dieser Westen nun selbst beginnt, diese Werte auszuhöhlen. Das würde bedeuten: Alles noch einmal. Alles von vorn.
Viele ziehen es vor, die Augen zu schließen. Oder sie sehen nur, was sie sehen wollen: die Rechten, die Radikalen, den Mob – und übersehen dabei, wie die neue Macht längst andere Werkzeuge benutzt: nicht Zensur, sondern Cancel Culture. Nicht Berufsverbot, sondern moralische Ächtung. Nicht Stasi, sondern Zivilgesellschaft.
Und dabei fällt auf: Gerade der angebliche „Kampf gegen rechts“, der heute als moralisches Leitmotiv über allem steht, ist selbst eine Replik auf ein altbekanntes Muster – nämlich den sogenannten Antifaschismus der DDR. Dort diente er nicht der Aufarbeitung, sondern der Machtsicherung: Nach außen zeigen, nach innen durchgreifen. Auch damals war alles Böse „rechts“ – und alles Linke, ganz gleich wie autoritär, wurde als „antifaschistisch“ geadelt.
Dass ausgerechnet ehemalige Dissidenten diesen Mechanismus heute nicht nur nicht durchschauen, sondern teilweise mitbefeuern, ist das vielleicht größte Paradox. Sie verkennen, dass sie einem Instrument dienen, das sie einst selbst zu bekämpfen versuchten – nur dass es jetzt mit westlichem Lächeln und Fördergeldern daherkommt.
Barbe und Lengsfeld: Die Ausgestoßenen
Wer hingegen konsequent geblieben ist – also gegen jede Form von autoritärem Denken aufsteht – wird heute wie ein Fremdkörper behandelt. Zwei Namen stehen exemplarisch dafür:
Angelika Barbe, die in der DDR aus der SED austrat, später Mitgründerin der SPD in der DDR war – und in der Corona-Zeit friedlich demonstrierte, weil sie Grundrechte gefährdet sah. Was geschah? Sie wurde festgenommen. Und in den Medien als „Corona-Leugnerin“ diffamiert.
Vera Lengsfeld, ebenfalls Bürgerrechtlerin, früher Grüne, dann CDU. Heute kritisiert sie die rotgrüne Ideologisierung, schreibt gegen Gendersprache und Meinungstabu – und wird dafür von vielen ihrer einstigen Weggefährten gemieden oder gar verächtlich gemacht.
Beide haben sich gegen das Schweigen und Mitmarschieren entschieden. Beide haben dafür bezahlt.
Und der Dissident mit dem Tweet, der mich erschütterte? Ich nenne seinen Namen nicht, aus Respekt. Aber seine Sätze haben mich traurig gemacht. Weil ich seine Geschichte kenne. Weil ich seine Klugheit schätze. Und weil ich weiß, dass er es besser wissen könnte.
Vielleicht ist das das Bitterste an dieser Entwicklung: Nicht die offenkundigen Zensoren und Dogmatiker sind das Problem – sondern das stille Einverständnis jener, die es besser wissen müssten.
Freiheit stirbt nicht mit dem großen Knall.
Sie stirbt mit dem Wegsehen der Klugen.
HELFEN SIE MIT –
DAMIT DIESE STIMME HÖRBAR BLEIBT!
Im Dezember 2019 ging meine Seite an den Start. Heute erreicht sie Millionen Leser im Monat – mit Themen, die andere lieber unter den Teppich kehren.
Mein Ziel:
Sie kritisch durch den Wahnsinn unserer Zeit zu lotsen.
Ideologiefrei, unabhängig, furchtlos.
Ohne Zwangsgebühren, ohne Steuergelder oder Abo‑Zwang. Ohne irgendjemanden zur Kasse zu bitten. Nur mit Herzblut – und mit Ihnen an meiner Seite. Jede Geste, ob groß oder klein, trägt mich weiter. Sie zeigt: Mein Engagement – mit all seinen Risiken und schlaflosen Nächten – ist nicht vergeblich.
Der direkteste Weg (ohne Abzüge) ist die Banküberweisung:
IBAN: DE30 6805 1207 0000 3701 71.
Alternativ sind (wieder) Zuwendungen via Kreditkarte, Apple Pay etc. möglich – allerdings werden dabei Gebühren fällig. Über diesen Link
Auch PayPal ist wieder möglich.
Nicht direkt – aber über Bande, dank Ko-fi:
Über diesen Link
(BITCOIN-Empfängerschlüssel: bc1qmdlseela8w4d7uykg0lsgm3pjpqk78fc4w0vlx)
Wenn Ihr Geld aktuell knapp ist – behalten Sie es bitte. Niemand muss zahlen, um kritisch informiert zu bleiben. Mir ist es wichtig, dass jeder hier mitlesen kann – ohne Ausnahme. Gleichzeitig bin ich umso dankbarer für jede Unterstützung, die keinen Verzicht abverlangt. Jede Geste, ob groß oder klein, ist für mich ein wertvolles Geschenk und trägt mich weiter.
Dafür: Ein großes Dankeschön– von ganzem Herzen!
Meine neuesten Videos und Livestreams
CDU-Außenminister gibt jetzt die Baerbock – Moral-Wahn statt Vernunft, und wir alle zahlen den Preis
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Heute Bolz – morgen Sie? Warum diese Hausdurchsuchung ein gezieltes Warnsignal an uns alle ist
Real-Satire pur: Von der Leyen lobt Freiheit – und vor ihren Augen nimmt Polizei Kritiker fest
Bild: Shutterstock.comBitte beachten Sie die aktualisierten Kommentar-Regeln – nachzulesen hier. Insbesondere bitte ich darum, sachlich und zum jeweiligen Thema zu schreiben, und die Kommentarfunktion nicht für Pöbeleien gegen die Kommentar-Regeln zu missbrauchen. Solche Kommentare müssen wir leider löschen – um die Kommentarfunktion für die 99,9 Prozent konstruktiven Kommentatoren offen zu halten.
Mehr zum Thema auf reitschuster.de




