Nachdem jemand Ricarda Lang als „dick“ bezeichnete: BKA ermittelt Absurde Anfrage an soziales Netzwerk ist nur Spitze des Eisberges

Es ist kein Witz. Leider. Das Bundeskriminalamt (BKA) ermittelt gegen einen Mann, dessen Verbrechen darin besteht, dass er in einem Online-Post die Grünen-Chefin Ricarda Lang als „dick“ bezeichnet hat und einen Bildausschnitt aus einem pornografischen Film zeigte, auf dem eine extrem dicke Frau Sex mit einem dunkelhäutigen Mann hat. Untertitel des Bildes: „Ricarda Lang (28) bearbeitet jetzt auch persönlich Asylanträge“. Das mag geschmacklos sein. Aber kriminell?

Allein dieser Vorgang zeigt, dass die Meinungsfreiheit in Deutschland ihren Namen eigentlich nicht mehr verdient. Man kann zu Ricarda Lang stehen, wie man will. Man kann auch sagen, dass ihr Körpergewicht nicht Thema der öffentlichen Debatte sein sollte und entsprechende Kommentare und Witz schlecht finden. Aus Geschmacksgründen. Das ist alles okay. Aber man kann niemandem verbieten, Offensichtliches als solches zu benennen und Politiker auf die Schippe zu nehmen. Und es ist ein Skandal, dass sich das BKA, eine Behörde, deren Hauptaufgabe es sein sollte, die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten, mit einer solchen Lappalie beschäftigt.

Im konkreten Fall wurde ein Nutzer des Netzwerks Gab durch die Beamten ins Visier genommen, weil er die Figur von Ricarda Lang in einer für sie unvorteilhaften Weise kommentiert und das Porno-Bild mit dem Witz veröffentlicht hat. In den Augen der Ermittler handelt es sich dabei um „Hasspostings“, welche die „Ehre der Politikerin“ angreifen. Doch seien wir ehrlich: Wenn die Aussage, dass jemand dick ist, und Witze über Politiker als „Hassposting“ eingestuft werden, dann befinden wir uns auf einem überaus gefährlichen Weg, der die Meinungsfreiheit in diesem Land zur Makulatur macht. Hand aufs Herz: Können Sie sich vorstellen, dass die Polizei in den 1980er Jahren gegen jemand vorgegangen wäre, der Helmut Kohl als dick bezeichnete oder ihn verhöhnte? Er wurde landauf landab als „Birne“ bezeichnet und in vielfacher Weise lächerlich gemacht – ohne dass je ein Beamter auf die Idee gekommen wäre, deswegen zu ermitteln. Allein der Gedanke daran wäre absurd gewesen.

Ich halte Ricarda Lang für eine furchtbare Politikerin und ihr Wirken für verheerend. Ich halte es auch für zulässig, sachlich ihre Körperfülle zu erwähnen, wenn es themenbezogen ist – etwa, wenn sie für gesunde Ernährung wirbt. Respektlosigkeiten wegen ihres Äußeren oder Witze wie der Erwähnte sind meine Sache nicht. Aber sie müssen in einer freiheitlichen Demokratie möglich sein. So wenig Respektlosigkeit eine Tugend ist – ein so scharfes Durchgreifen der Strafverfolgungsbehörden bei relativ harmlosen Bemerkungen ist völlig überzogen und hinterlässt einen überaus bitteren Beigeschmack. Man muss sich fragen: Wo bleibt die Verhältnismäßigkeit? Wäre es nicht viel sinnvoller, die begrenzten Ressourcen des BKA auf die Bekämpfung von echten Bedrohungen zu konzentrieren, wie etwa den Messerangriffen auf offener Straße, die in letzter Zeit leider immer häufiger vorkommen?

Der Fall in Solingen, wo ein Migrant aus Syrien mehrere Menschen mit seinem Messer tötete, zeigt deutlich, dass die Sicherheitslage in Deutschland alles andere als stabil ist. Wie kann es da sein, dass die Behörden solche Prioritäten setzen, dass sie derartige Energie und Ressourcen auf die Verfolgung von Äußerungen im Internet verwenden? Es ist eindeutig: Hier wird einfach versucht, unliebsame Meinungen zu unterdrücken und Angst zu verbreiten, um eine politische Agenda durchzusetzen. Schließlich war die Zielperson der Kritik eine prominente Politikerin der Grünen, einer Partei, die sich gerne als Vorkämpferin für Toleranz und Vielfalt präsentiert – offenbar aber nur so lange, wie die Meinungen ins eigene Weltbild passen.

Bezeichnend ist auch, dass die Verfolgung durch das BKA nur bekannt wurde, weil Andrew Torba,  der Chef von Gab, sie öffentlich machte und den Brief aus Karlsruhe mit der Aufforderung, die Daten des Nutzers zu nennen, ins Netz stellte. Das Netzwerk ist dafür bekannt, sich vehement gegen eine Zusammenarbeit mit den Behörden zu wehren. Wir haben es hier also nur mit der Spitze des Eisbergs zu tun. Wie hoch die Zahl solcher Anfragen des BKA an Facebook, Youtube und andere brav zensierende und kooperierende Netzwerke ist, mag man sich gar nicht ausmalen. Torba kommentierte die Anfrage aus Deutschland wie folgt: „Das ist eine der lächerlichsten Anfragen nach ausländischen Daten, die Gab aus Deutschland je erhalten hat.“ Wörtlich steht in dem BKA-Schreiben: „In diesem konkreten Fall hat der Gab-Benutzer ‚@Die_Lunte_brennt_schon‘ zwei Posts veröffentlicht, welche die deutsche Politikerin ‚Ricarda Lang‘ sexualisieren und ihr Gewicht herabwürdigen.“

Das BKA forderte von dem sozialen Netzwerk unter anderem den vollständigen Name des Nutzers an, dazu auch das Geburtsdatum, die Telefonnummer, die Postanschriften, die Rechnungsadressen, die Zahlungsmethoden, die Zahlungsmittel und sogar die Ausweisdokumente.

In Zeiten von Personalmangel bei der Polizei und einer steigenden Zahl von Gewaltverbrechen in deutschen Städten sollte es die oberste Priorität der Strafverfolgungsbehörden sein, die Bürger vor realen Gefahren zu schützen. Es ist bezeichnend, dass das BKA in einem Fall wie diesem tätig wird, während gleichzeitig die öffentliche Sicherheit zunehmend bedroht ist. Die Frage drängt sich auf: Was ist eigentlich wichtiger – die Sicherheit der Bevölkerung oder der Schutz der Ehre einer Politikerin, die im öffentlichen Leben steht und sich somit zwangsläufig auch Kritik gefallen lassen muss?

Natürlich ist es richtig, dass öffentliche Personen vor wirklichen Angriffen, auch verbalen, geschützt werden müssen. Aber dieser Schutz darf nicht so weit gehen, dass er die Meinungsfreiheit erstickt. Wenn die Grenze zwischen legitimer Kritik und strafbarer Beleidigung so weit herabgesetzt wird, dass schon die bloße Erwähnung von jemandes Gewicht zu einer Ermittlung führt, dann bewegen wir uns auf einem gefährlichen Terrain. Die Grundrechte sind damit faktisch außer Kraft gesetzt.

Der BKA-Einsatz wirkt in diesem Zusammenhang wie eine groteske Überreaktion, die nichts anderes als eine Abschreckung bewirken soll. Die Botschaft ist klar: Wer es wagt, eine politisch exponierte Person zu kritisieren, muss mit der harten Hand des Staates rechnen – ganz gleich, wie banal die Äußerung auch sein mag.

Auch ich selbst habe das gerade erlebt durch eine Anzeige der Augsburger CSU-Oberbürgermeisterin, die in meinen Augen schlicht hanebüchen ist (siehe meinen Text „Majestätsbeleidigung? CSU-Oberbürgermeisterin zeigt mich an“). Auch die zahlreichen Hausdurchsuchungen wegen angeblicher „Beleidigungen“ von Politikern sind eine Verhöhnung des Rechtsstaates (siehe meinen Text „Pervertierung des Rechtsstaates: Hausdurchsuchungen als Schikane“).

Der Vorfall mit Gab ist ein Weckruf für all jene, die noch nicht resigniert und kapituliert haben in Sachen Meinungsfreiheit und  keine rosarote bzw. grünrote Brille auf haben. In einem demokratischen Land darf es nicht sein, dass die Bürger Angst haben müssen, ihre Meinung zu äußern, weil sie sonst mit strafrechtlichen Konsequenzen zu rechnen haben. Eine solche Entwicklung, wie wir sie hier erleben, kann und darf nicht hingenommen werden.

Schutz vor Majestätsbeleidigung

Wenn wir es akzeptieren, dass die Meinungsfreiheit selbst in so banalen Fällen eingeschränkt wird, öffnen wir Tür und Tor für eine schleichende Diktatur. Justiz und Behörden, darunter auch der Verfassungsschutz, müssen sich wieder auf ihre Kernaufgaben konzentrieren und die wahren Bedrohungen für die Sicherheit in unserem Land ins Visier nehmen. Das BKA muss seine Ressourcen dafür einsetzen, die Bürger vor gefährlichen Kriminellen zu schützen und nicht Politiker vor Majestätsbeleidigung im Netz.

Letztlich geht es hier um mehr als nur um eine übertriebene Reaktion auf einen Online-Post. Es geht darum, welchen Stellenwert die Meinungsfreiheit in unserer Gesellschaft hat und ob wir bereit sind, sie auch dann zu verteidigen, wenn uns die geäußerte Meinung nicht gefällt. Wenn wir zulassen, dass Meinungen kriminalisiert werden, nur weil sie unangenehm oder unhöflich sind, dann verlieren wir auch noch den Rest unserer Freiheit. Und das ist ein Preis, den wir nicht bereit sein sollten zu zahlen.


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Transparenzhinweis: In der ursprünglichen Version dieses Artikel war nicht deutlich genug, dass die Ermittlungen nicht wegen der Aussage zur Körperfülle von Lang eingeleitet wurden, sondern auch wegen des Witzes. Das ist nun in der neuen Version noch deutlicher gemacht. An der Grundaussage meines Textes ändert sich nichts.

Bild: penofoto/Shutterstock

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