Ein Gastbeitrag von Fritz Vahrenholt
Die Weltklimakonferenz in Dubai zeigt, wie weit sich Deutschland von der realen Energiepolitik der anderen Länder entfernt hat. Bundeskanzler Scholz erzielte mit seinem Auftritt wenig Resonanz, denn die anderen kennen die deutsche Leier, dass Windkraft und Fotovoltaik die Welt retten. Sie kennen die fatalen Folgen der deutschen Energiepolitik auf die wirtschaftliche Entwicklung und wissen, dass diese blauäugige, realitätsferne deutsche Energiepolitik das Land zu den höchsten Strompreisen der Welt geführt hat. Scholz: „Die Technologien sind da: Windkraft, Fotovoltaik, elektrische Antriebe und grüner Wasserstoff“. Also reduziert er die Energiezukunft auf zwei Energieträger, denn elektrische Antriebe und grüner Wasserstoff sind keine Primärenergieträger. 2022 stammten 5 % der weltweit erzeugten Primärenergie aus Solar- und Windenergie. Daher ist seine Forderung nach Verdreifachung der Wind- und Solarenergie bis 2030 allenfalls dazu geeignet, den weiter wachsenden Energiehunger der Welt abzudecken, als in irgendeiner relevanten Form die Kohle-, Öl- und Gasbasis zu ersetzen. Und er vergisst, wie auch hierzulande immer wieder, zwei technologische Wege, die die ganze Welt beschreiten wird – nur das grün-ideologische verbarrikadierte Deutschland nicht: den Ausbau der Kernenergie und die CO₂-Abscheidung bei der Nutzung von Kohle, Öl und Gas. Die 250 deutschen Delegierten mussten zur Kenntnis nehmen, dass 22 Länder die Verdreifachung der Kernenergiekapazität in Dubai forderten. Damit hat die Kernenergie – das tote Pferd des Olaf Scholz – ihr Mauerblümchendasein auf Weltklimakonferenzen hinter sich gelassen und ist Teil des Abschlussdokuments geworden.
Der am 13.12. verabschiedete Beschluss fordert die Staaten zu einem gerechten, geordneten und fairen Übergang weg von fossilen Brennstoffen in den Energiesystemen auf. Außerdem verlangt der Entwurf, verstärkt auch auf andere emissionsfreie oder emissionsarme Technologien zu setzen. Genannt werden dabei neben den Erneuerbaren auch die Atomkraft, Wasserstoff und Technologien zum Auffangen und Speichern von CO₂ (CCS). Das Abschlussdokument sieht keinen verbindlichen Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas vor.
Deutschland erringt doch nur noch Aufmerksamkeit, wenn es die Spendierhosen anzieht, wie am ersten Tag, als Frau Ministerin Schulze 100 Millionen zur Verteilung an andere Länder auf den Tisch in Dubai legte. Ministerin Baerbock legte dann zum Schluss noch einmal 60 Millionen € drauf. Dabei geht unter, dass Deutschland seit Jahren den größten Batzen an Steuermitteln aller Länder der Welt verteilt: 10 Milliarden € pro Jahr für Klimaschutzprojekte in anderen Ländern. Herr Lindner sucht noch nach Ausgabenkürzungen zur Vermeidung weiterer Schulden, um die Schuldenbremse nicht aufgeben zu müssen. Hier wäre ein großer Fundus, durch dessen Streichung keinerlei Wohlstandseinbußen in Deutschland verbunden wären.
Bundeskanzler Scholz und die deutsche Delegation verschweigen bei ihrem Kampf gegen Kohle, Öl und Gas, dass die seit Jahrzehnten sinkenden CO₂-Emissionen hierzulande erst durch die Ampelregierung als Folge der Stilllegung der letzten sechs Kernkraftwerke wieder angestiegen sind. Im folgenden Abbild sehen wir die CO₂-Lastigkeit der deutschen Stromversorgung. Seit 2021 nimmt sie wieder zu. In 2023 ist die CO₂- Intensität nicht weiter angestiegen, weil in 2023 die energieintensive Industrie um 20 % eingebrochen ist und daher die Nachfrage nach Kohlestrom nicht weiter angestiegen ist. Zur Zeit der Dubai-Konferenz hatte Deutschland eine CO₂ -Intensität von 597 g CO₂/kWh – eine der höchsten der letzten 6 Jahre.
Neben dem Mehrausstoß von CO₂ ist die Bundesregierung auch verantwortlich für eine Verdoppelung der Börsenstrompreise. Das macht allein in einem Jahr 25 Milliarden € Mehrkosten für Bürger und Unternehmen aus (500 TWh mal 5 €ct/kWh). Hinzu kommen 10,6 Milliarden € EEG-Umlage für 2024 für Wind und Solarenergie, die nun von den Steuerzahlern durch den Bundeshaushalt bezahlt werden soll. Von den gestiegenen Netzkosten und Kosten für abgestellten Windstrom (1 Mrd. € in 2022) reden wir erst gar nicht.
Der grüne Kohleausstiegsplan der Bundesregierung führt zu keiner Verminderung von Klimagasen
Geht es nach der Koalitionsvereinbarung der Bundesregierung soll „idealerweise“ der Kohleausstieg auf 2030 vorgezogen werden. Wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint, sollen 50 neue Gaskraftwerke (25 000 MW) gebaut werden (Bauzeit ca. 6 Jahre), die im Wesentlichen durch zusätzliches Flüssiggas versorgt werden sollen.
Klug ist das nicht. Erstens ist importiertes Flüssiggas teurer als Pipelinegas. Aber auf Grund einer Berechnung des US- Wissenschaftlers Robert Howarth von der Cornell University führt dieser Weg zweitens zu extrem hohen Treibhausgasemissionen.
Howarth berechnet überzeugend, dass die Treibhausgasemissionen eines Gaskraftwerks, das mit Flüssiggas aus den USA betrieben wird, so hoch sind wie die eines Kohlekraftwerks in Deutschland. Erdgas hat einen 30-mal höheren Treibhauseffekt als CO₂. Auf dem Wege von der Förderung über die Verflüssigung, den Transport und die Regasifizierung in Deutschland geht so viel Gas verloren, dass das dadurch betriebene Gaskraftwerk nicht weniger Treibhauseffekt bewirkt als ein Kohlekraftwerk.
Flüssiggas statt Kohle – dieser grüne Weg der Bundesregierung macht die Stromerzeugung Deutschlands teurer und erhöht die Treibhausgasemissionen. Besser wäre es, wie Howarth schreibt, die Kohlekraftwerke in Deutschland am Netz zu lassen und nicht durch Flüssiggas-(LNG-)Kraftwerke zu ersetzen. Wenn man dann noch die bestehenden Kohlekraftwerke mit einer CO₂-Abscheidung versehen würde, leistete man sogar einen Beitrag zur CO₂-Senkung. Auch die Förderung des eigenen Schiefergases in Norddeutschland würde ökologisch und ökonomisch große Vorteile gegenüber dem LNG-Import bringen.
In der Regel aber entscheidet sich die grün-rot-gelbe Bundesregierung zu oft aus Unwissen oder Ideologie zu der Lösung, die für Deutschland die schlechteste ist.
Frau Baerbock und das Pariser Abkommen
In ihrer Pressekonferenz in Dubai erklärte die deutsche Außenministerin „Wir sind hier, um die Welt für die ganze Menschheit zu retten“. Immer wieder verweist sie auf das Pariser Klimaschutzabkommen von 2015, das die Erwärmung der Erde auf unter 2 Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit – möglichst auf 1,5 Grad Celsius – begrenzen soll.
Wir wollen uns an dieser Stelle nicht damit beschäftigen, dass die Zeit um 1860 mit dem Auslaufen der Kleinen Eiszeit eine der kältesten Perioden der letzten 2000 Jahre war. Diese Zeit, die für die Menschheit bedrohlich kalt war, als Ausgangsbasis für ein Temperaturziel zu nehmen, darf durchaus hinterfragt werden. Der Durchschnitt der Temperaturen der letzten 2000 Jahre ist eher um das Jahr 1950 zu suchen.
Wichtiger ist jedoch, sich mit dem Wortlaut des Pariser Abkommens zu beschäftigen.
In Artikel 4, Abs.1 des Abkommens sind die Emissionsziele in diesem Jahrhundert formuliert.
„Zum Erreichen des in Artikel 2 genannten langfristigen Temperaturziels sind die Vertragsparteien bestrebt, so bald wie möglich den weltweiten Scheitelpunkt der Emissionen von Treibhausgasen zu erreichen, wobei anerkannt wird, dass der zeitliche Rahmen für das Erreichen des Scheitelpunkts bei den Vertragsparteien, die Entwicklungsländer sind, größer sein wird, und danach rasche Reduktionen im Einklang mit den besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen herbeizuführen, um in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts ein Gleichgewicht zwischen den anthropogenen Emissionen von Treibhausgasen aus Quellen und dem Abbau solcher Gase durch Senken … herzustellen.“
In der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts soll also ein Gleichgewicht zwischen den CO2-Emissionen und den CO₂-Senken, das sind Ozeane und Pflanzen, die CO₂ aufnehmen, erreicht werden.
Wie die vor einigen Tagen veröffentlichten CO₂-Bilanzen des Global Carbon Project zeigen, werden mittlerweile 57 % des CO₂-Ausstoßes von Ozeanen und Pflanzen aufgenommen.
In der unten dargestellten historischen Entwicklung zeigt sich, dass die Aufnahme der Pflanzen und der Ozeane mit den gestiegenen CO₂-Konzentrationen in der Atmosphäre zugenommen hat. Eine Verminderung der Emission auf das Niveau der Aufnahme von Ozeanen und Pflanzen in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts, wie es das Pariser Abkommen verlangt, würde ein weiteres Ansteigen des CO₂ in der Atmosphäre stoppen. Insofern ist Nettonull dann erreicht, wenn die CO₂-Emissionen halbiert werden. Denn die Aufnahme von Ozeanen und Pflanzen richtet sich allein nach der erreichten CO₂-Konzentration in der Luft und nicht nach den Emissionen aus den Schornsteinen. Bleibt also die Aufnahme von Ozeanen und Pflanzen konstant und werden die Emissionen halbiert, ist das CO₂-Problem gelöst.
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Fritz Vahrenholt ist Honorarprofessor an der Universität Hamburg im Fachbereich Chemie und war bis 1997 Umweltsenator der Freien und Hansestadt Hamburg. Von 1998 bis 2013 war er in Vorstandsfunktionen im Bereich der Erneuerbaren Energien bei der Deutschen Shell AG, der Repower Systems AG und der RWE Innogy. Der Sozialdemokrat war bis Ende 2019 Alleinvorstand der Deutschen Wildtier-Stiftung. Seine Bücher finden Sie hier:
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