Ein Gastbeitrag von Josef Kraus
Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) ist unbelehrbar. Aber so sind Ideologen nun mal. Gerade eben erst wurde ihr ein Gesetz um die Ohren gehauen, schon wieder macht sie auf reine Lehre, sprich: reine Ideologie. Der Bundespräsident (mit ruhender SPD-Mitgliedschaft Lambrechts Ex-Genosse) höchstpersönlich hatte – dem Rat seiner Juristen und einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages folgend – Lambrechts „Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität“ die Unterschrift verweigert.
Nun ließ Ministerin Lambrecht (SPD) soeben den Entwurf eines Gesetzes zu einem neuen Sanierungs- und Insolvenzrecht veröffentlichen. Der Hammer: Statt wie üblich etwa „Geschäftsführer“, „Verbraucher“ oder „Schuldner“ zu schreiben, heißt es in dem Entwurf ausschließlich „Geschäftsführerin“, „Verbraucherin“ und „Schuldnerin“. Auch andere Begriffe werden im generischen Femininum verwendet, wiewohl seit Jahrhunderten in allen indogermanischen Sprachen das generische Maskulinum gängig ist und Frauen sprachlich inkludiert.
Immerhin gibt es Gegenwind. Das Bundesinnenministerium lehnte den Lambrecht’schen Entwurf umgehend ab und forderte eine Überarbeitung. Als Grund werden Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes angegeben, in dem nur weibliche Sprachformen verwendet werden. Und: Das generische Femininum sei „zur Verwendung für weibliche und männliche Personen bislang sprachwissenschaftlich nicht anerkannt“. Das Justizministerium beeilte sich denn auch zu erklären, die Arbeiten an dem Entwurf seien noch nicht abgeschlossen. Bevor er dem Kabinett vorgelegt werde, werde der Entwurf möglicherweise noch überarbeitet. Warum dann aber schon vorher gackern, bevor das Ei gelegt ist!?
Flankenschutz bekamen Lambrechts Ghostwriter freilich umgehend aus der Ecke der ideologischen Verwandtschaft. „Ein wenig geschlechtergerechte Sprache wird die Bundespolitik schon aushalten“, kommentierte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Katja Mast die Sache.
Der CDU-Wirtschaftsrat allerdings zeigte kein Verständnis: „Liebe Frau Lambrecht, suchen Sie sich bitte irgendein anderes Gesetz für solche Spielereien aus“, sagte dessen Generalsekretär Wolfgang Steiger der „Augsburger Allgemeinen“. Auch der Verein Deutsche Sprache (VDS) konnte dem Vorgehen des Ministeriums nichts abgewinnen. „Dass ausgerechnet das Justizministerium beim Formulieren eines rechtsverbindlichen Textes versagt, ist schon ein starkes Stück“, erklärte der VDS-Vorsitzende Walter Krämer. Wer „diese missverständliche Formulierung nutzt, lädt geradezu dazu ein, ein Gesetz anzufechten“. AfD-Rechtspolitiker Stephan Brandner warf Lambrecht vor, ihr Ministerium „lächerlich“ zu machen. Das Vorgehen des Ministeriums bei dem Gesetzentwurf „gleicht dem Trotzverhalten eines Kleinkindes und ist einer Ministerin alles andere als würdig“, erklärte Brandner.
Was ist der hochideologische Hintergrund? Nun, es geht mittlerweile auch in Bundesministerien ein neues Sprachgespenst um. Oder ist es ein Sprachvirus? Gender-Sprache ist angesagt. Einen „rosa Marxismus“ nennen es Sprachkundige. Denn: Geschlecht gebe es angeblich zweifach: biologisch als sex und sozial als gender. In der Ideenwelt des (De-)Konstruktivismus ist Gender unabhängig von sex ein Konstrukt, das aufgebaut oder – auch sprachlich – gesprengt werden muss.
Folge? Maskulina und Neutra – ob semantisch und grammatisch korrekt oder nicht – sollen durch Feminina ergänzt oder ersetzt werden. Um „frau/Frau“ sichtbar zu machen, so heißt es. Hier eine kleine Auswahl an Genderkonstruktionen, die durch die Lande gehen: Besonders beliebt ist das Binnen-(Majuskel)-I. Von VerbrecherInnen ist zwar eher selten die Rede, aber BürgerInnen gibt es zu Millionen. Der Star unter den mindestens fünf Gender-Pluralvarianten (neben : oder _ oder / oder Majuskel-I)ist das Gender-Sternchen: Bürger*innen – angeblich aussprechbar mit einem Glottisschlag, einer Art Zungenschnalzer. „Der“ Mensch soll nicht mehr sein, auch wenn es „die“ Menschheit gibt. „jemand“, „niemand“ dürfen ebenfalls nicht mehr sein. Aus dem Fragewort „wer“ soll „wex“ werden, weil diese Wörter männlichen Ursprungs seien. Professix oder Studerix könnte es geschlechterneutral heißen, so leibhaftige Linguisten. Um wie viel witziger sind da doch Asterix, Obelix, Miraculix und Troubadix! Wieder woanders wird – auch aus Minister- oder Talklady-Munde – ein Publikum als „Mitglieder und Mitgliederinnen“ oder „Gästinnen und Gäste“ angeredet. Bei „Anne Will“ war im Übereifer sogar von „Steuerinnenzahlern“ die Rede.
Wir haben aber – siehe „das“ Mitglied, „der“ Gast – nun einmal Nomina, die sich nicht in die weibliche Form umwandeln lassen, etwa auch „der“ Flüchtling. Umgekehrt gibt es „die Geisel“ nicht als Maskulinum. Und auch die permanente Doppelnennung ist – außer in einer Anrede – Unfug, weil textverlängernd und schwer lesbar.
Wo führt das „nicht-sexistische“ Sprachvirus noch hin? Es werden – selbst in amtlichen Broschüren – Konstruktionen empfohlen wie: statt Bäckerhandwerk „Backenden-Handwerk“, statt Fußgängerbrücke „Fußgehenden-Brücke“ … Demnächst statt „Bankräuber“ eine „eine Bank ausraubende Person“? Sogar am grammatisch-semantischen Verständnis mangelt es hier. Denn ein Radfahrender ist einer, der aktuell Fahrrad fährt. Partizip Präsens! Ein Radfahrer indes kann auch im Biergarten sitzen und „brotzeiten“, der Radfahrende nicht, denn er sitzt im Sattel.
Für die „Erforschung“ des Gendervirus leistet sich der deutsche Steuerzahler mittlerweile über 200 Professuren. (Zum Vergleich: Es gibt 120 Professuren für „alte“ Sprachen“ und 190 für Pharmazie.) Es soll um „diskriminierungsfreie“ Sprache gehen. Aber apropos Diskriminierung: Das Deutsche Universalwörterbuch mit seinen rund 88.000 Hauptwörtern weist mit einem Anteil an Feminina mit 42,2 Prozent gegenüber 37 Prozent Maskulina und 20,8 Prozent Neutra ohnehin schon die Mehrheit aus. Und: Der Plural-Artikel „die“ ist weiblich: „die“ Männer.
Nein, die „gendergerechte“ Sprache erzeugt lächerliche Sprachgebilde, und sie ist konsequent gar nicht durchzuhalten. Zwischen natürlichem und grammatischem Geschlecht besteht kein Zusammenhang. Siehe der Löwe, die Giraffe, das Pferd. Zudem tragen Gender-Verzerrungen der Sprache eben nicht dazu bei, Frauen zu mehr Rechten zu verhelfen. Auch im Grundgesetz gibt es dafür kein Indiz: In 13 Artikeln spricht es 20mal vom Bundeskanzler; die Wahl von Angela Merkel zur Bundeskanzlerin hat dies nicht behindert.
In Frankreich übrigens war bis 2017 der point median (Beispiel: professeur•e•s) angesagt. Dann untersagte die Regierung ihn für den amtlichen Gebrauch, also auch für Schulen und Hochschulen. Glückliches Frankreich!
Josef Kraus (*1949), Oberstudiendirektor a.D., Dipl.-Psychologe, 1987 bis 2017 ehrenamtlicher Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, 1991 bis 2013 Mitglied im Beirat für Fragen der Inneren Führung beim Bundesminister der Verteidigung; Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande (2009), Träger des Deutschen Sprachpreises 2018; Buchautor, Publizist; Buchtitel u.a. „Helikoptereltern“ (2013, auf der Spiegel-Bestsellerliste), „Wie man eine Bildungsnation an die Wand fährt“ (2017), „Sternstunden deutscher Sprache“ (2018; herausgegeben zusammen mit Walter Krämer), „50 Jahre Umerziehung – Die 68 und ihre Hinterlassenschaften“ (2018), „Nicht einmal bedingt abwehrbereit – Die Bundeswehr zwischen Elitetruppe und Reformruine“ (2019, zusammen mit Richard Drexl).