Der Brief des jungen Mannes – eines Volljuristen – über seine Erfahrungen damit, wie das Thema Impfen im Alltag zu Spaltung und Konflikten führt, hat mich sehr bewegt. Aus vielen Zuschriften habe ich den Eindruck, dass es zahlreichen Menschen ähnlich geht. Aber nicht nur deshalb habe ich mich entschlossen, den Brief zu veröffentlichen. Sondern auch, weil er nach Auswegen sucht, um Tipps bittet. Geteiltes Leid ist halbes Leid, sagt man oft. Deshalb bin ich sehr gespannt auf Ihre Tipps und Ratschläge. Und auf Ihre ganz persönliche Geschichte.
Ich selbst habe leider auch kein Ei des Kolumbus. Und was ich raten kann, ist leider banal: Die Ruhe behalten und immer freundlich bleiben, auch wenn ganz unterschiedliche Positionen aufeinandertreffen, und das Gegenüber möglicherweise die Beherrschung verliert. Die Emotionalisierung und Historisierung sind regelrecht „ansteckend“. Deeskalation sollte deshalb immer das Mittel erster Wahl sein. Etwa Hinweise wie der: „Ich respektiere Ihre Meinung, und achte Sie auch, und es liegt mir fern, Sie zu belehren oder zu missionieren. Aber ich erwarte das umgekehrt auch von Ihnen. Eine so individuelle Entscheidung wie die Corona-Impfung muss jeder selbst treffen.“ Das könnte zumindest schon einmal ein erster Schritt sein.
Hier nun der Leserbrief:
„Hallo,
ich muss mir meine persönlichen Eindrücke und Erfahrungen zu den momentanen Geschehnissen irgendwie mal von der Seele schreiben und ich würde mich sehr über Euer Feedback und/oder Tipps von Euch freuen.
Mittlerweile wird mir beruflich, aber auch privat immer öfter ziemlicher Druck wegen der Coronaimpfung gemacht.
Ich bin allgemein überhaupt nicht gegen Impfungen, aber ich sehe als junger Mann momentan überhaupt keine Veranlassung für mich, die mit der Coronaimpfung verbundenen Risiken einzugehen, die ich weitaus mehr fürchte als eine potenzielle Coronainfektion.
Im Gespräch mit Bekannten dauert es oft nicht sehr lange, bis dann die Frage aller Fragen kommt: „Und bist du inzwischen auch schon geimpft?“. Ich empfinde diese Frage als total übergriffig, und man wird in eine Zwickmühle hineingezwungen: Verneint man die Frage, gerät man in einen verrückten Rechtfertigungsdruck und es kommt zu einer ganz komischen, unangenehmen Stimmung.
Als ich einer ursprünglich langjährigen Freundin, die offensichtlich große Angst vor Corona hat, gegenüber geäußert habe, dass ich Corona für gefährlich halte und deshalb vorsichtig bin, aber keine Angst vor Corona habe, die Maßnahmen als unverhältnismäßig ansehe und halbwegs normal mein Leben weiterleben möchte, ist diese total ausgeflippt und hat mich damals im Café vor allen Leuten angeschrien (!) und behauptet, dass ich dann auch Schuld wäre, falls meine Oma meinetwegen stirbt. (Dass meine Großeltern bereits einige Jahre vor Corona verstorben sind, war ihr in diesem Zusammenhang wohl nicht bewusst…). Seitdem haben wir nichts mehr voneinander gehört… Das gesellschaftliche Klima ist irgendwie total vergiftet. Total gruselig. Mir würde im Traum nicht einfallen, jemanden schlecht zu behandeln, nur weil er eine andere Meinung als ich hat.
Wie kann man sich diesem Wahnsinn irgendwie entziehen oder damit umgehen?“
Der Leser und ich freuen uns sehr auf Ihre Kommentare, Tipps und Anregungen.
Text: red