Von reitschuster.de
Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Das weiß auch Olaf Scholz. An diesen Grundsatz hielt sich der damalige Spitzenkandidat der SPD im Vorfeld der Bundestagswahl 2021 – mit Erfolg. Und diese Weisheit befolgte der heutige Bundeskanzler auch im Laufe der Untersuchungen zum Cum-Ex-Skandal rund um die Warburg Bank – ebenfalls mit Erfolg, jedenfalls bis jetzt!
Denn die angeblichen Erinnerungslücken, auf die sich Scholz bisher stets berufen hat, nimmt ihm kaum noch jemand ab. Zu oft und zu tief hat sich der Kanzler immer wieder in Widersprüche verwickelt. Es ist wohl einzig und allein einer sehr wohlgesonnenen Medienlandschaft zu verdanken, dass der Sozialdemokrat bisher damit durchkam.
Fast schon entlarvend wirkt es da, dass dieselben Journalisten in Schnappatmung verfielen, als Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger in einem anderen Zusammenhang unlängst angab, dass ihm Details zu Vorgängen, die sich vor 35 Jahren an einem Gymnasium in Bayern ereignet haben sollen, „nicht mehr erinnerlich“ seien.
Eine Anfrage der Linken im Bundestag sowie eine von Fabio De Masi wegen des Verdachts der Falschaussage gestellte Strafanzeige könnte jetzt aber neue Bewegung in die Affäre um mutmaßlich hinterzogene Steuern in dreistelliger Millionenhöhe bringen. Warburg-Boss Christian Olearius wird deswegen in Bonn aktuell bereits der Prozess gemacht und auch für Olaf Scholz scheint die Luft immer dünner zu werden.
Kleine Anfrage bringt Licht ins Dunkel
Christian Leye ist sich inzwischen sicher: „Wir haben einen Bundeskanzler, der die Öffentlichkeit nachweislich belogen hat.“ Doch wie kommt der wirtschaftspolitische Sprecher der Linken-Fraktion in Hamburg zu dieser Einschätzung?
Rückblick: Im Februar 2020 lässt der damalige Bundesfinanzminister und heutige Kanzler über seinen Sprecher Steffen Hebestreit in einer Pressemitteilung erklären:
„Zu den Aufgaben eines Ersten Bürgermeisters gehört es, mit den Wirtschaftsvertretern der Stadt im regelmäßigen Austausch zu stehen. So hat es auch ein Treffen von Olaf Scholz mit Herrn Olearius im November 2017 im Amtszimmer des Bürgermeisters gegeben, wie aus dem Kalender des Ersten Bürgermeisters hervorgeht, der der Senatskanzlei vorliegen müsste. Wieso dies bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage nicht berücksichtigt worden ist, entzieht sich unserer Kenntnis.“
Im Spätjahr 2017 war Olaf Scholz noch Erster Bürgermeister in Hamburg. Treffen mit Olearius hatte Scholz immer bestritten bzw. sich auf Erinnerungslücken berufen und diese erst eingeräumt, als ein Leugnen nicht mehr möglich war.
Aber: Den hier behaupteten Kalendereintrag für dieses Treffen am 10. November 2017 hat es offenbar nie gegeben. Und selbst für den Fall, dass es ihn gegeben hätte, so hätte er der Senatsverwaltung spätestens ab März 2018 nicht mehr vorliegen können, nachdem Olaf Scholz ins Bundesfinanzministerium gewechselt war.
Warum hat es den Kalendereintrag nie gegeben? Der „Stern“ zitierte im April 2021 aus einer Mail, die Scholz‘ Büroleiterin im Zusammenhang mit einer Befragung vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss in der Causa „Warburg“ geschrieben hatte: „Zu diesem Termin finden sich keine Einträge im Ministerkalender des Bundesministers der Finanzen.“ Und weiter: „Ich habe noch nie einen Termin mit Olearius von November 2017 im Kalender gesehen.“
Warum konnte die Senatsverwaltung nichts von diesem Eintrag wissen, selbst wenn es ihn gegeben hätte? Hier kommen wieder Fabio De Masi und die jüngste Anfrage der Linken-Fraktion vom August 2023 zum Cum-Ex-Skandal ins Spiel, die dem Portal „t-online“ eigenen Angaben zufolge exklusiv vorlag. Demnach sei aufgefallen, dass der Hamburger Senat seit dem Amtswechsel von Scholz im März 2018 gar nicht mehr auf dessen Kalender zugreifen konnte.
Strafanzeige hat wohl nur Symbolwirkung
Die brisante Schlussfolgerung: Einen Kalendereintrag zum Treffen zwischen Scholz und Olearius am 10. November 2017 im Amtszimmer des Ersten Bürgermeisters von Hamburg hat es offenbar nie gegeben. Wie konnte dieses von Scholz-Sprecher Steffen Hebestreit in einer Mitteilung im Februar 2020 dann bestätigt werden, wo der Kanzler im Untersuchungsausschuss doch stets erklrt hatte, sich an nichts mehr erinnern zu können?
Für Fabio De Masi gibt es dafür nur eine plausible Erklärung: „Kanzler Scholz lügt über Erinnerungslücken und erfindet einen Kalendereintrag.“ Das vermeintlich schwächelnde Kurzzeit-Gedächtnis des Kanzlers sieht De Masi jedenfalls widerlegt, „denn ich kann einen Termin nur dann ohne Aufzeichnung bestätigen, wenn ich mich erinnere“.
Folgt man dieser Darlegung, so hat Olaf Scholz vor dem Untersuchungsausschuss eine Falschaussage getätigt, weshalb De Masi Strafanzeige erstattet hat. Viel mehr als eine Symbolwirkung erhofft sich der Kläger davon aber nicht: „Die Hamburger Staatsanwaltschaft, die der grünen Justizsenatorin untersteht, hat sich in der Warburg-Affäre im Unterschied zu den Kölner Cum-Ex-Staatsanwälten bisher immer gegen Ermittlungen gestemmt.“
NRW-Justizminister verstrickt sich in Widersprüche
Brückenschlag in die Domstadt: Dort führt im Zusammenhang mit dem Cum-Ex-Skandal kein Weg an Anne Brorhilker vorbei. Die Oberstaatsanwältin der Kölner Hauptabteilung H zeichnete für die Durchsuchungen bei der Warburg Bank im Jahr 2016 verantwortlich, die den Stein erst richtig ins Rollen gebracht hatten.
Damit hat sich die Frau offenbar viele Feinde geschaffen, nicht zuletzt im Justizministerium in Düsseldorf. Dort hat Benjamin Limbach (Grüne) das Sagen und vor dem Rechtsausschuss des Landtags rügte der Justizminister die Staatsanwaltschaft in Köln dafür, die Weiterleitung von Ermittlungsakten, die von den Kollegen in Hamburg angefordert worden waren, verschleppt zu haben.
Der Minister war in Erklärungsnot geraten, nachdem Hamburg im Juni 2023 damit gedroht hatte, ihn zu verklagen, falls die Akten nicht zeitnah den Weg in die Hansestadt fänden. Laut der Darstellung Limbachs habe er deshalb am 4. Juli einen Sonderbeauftragten seines Hauses nach Köln entsenden müssen, um der dortigen Cum-Ex-Staatsanwaltschaft Druck zu machen.
Doch Limbach scheint im Glashaus zu sitzen und dabei mit Steinen um sich zu werfen. „FOL“ zitiert aus einer „internen Stellungnahme“ von Oberstaatsanwältin Brorhilker, die darin von „groben Verzerrungen“ sowie „irreführenden“ und „nicht zutreffenden“ Darstellungen spricht. Demnach seien die von Hamburg angeforderten Akten dem Justizministerium in Düsseldorf bereits im Zeitraum zwischen dem 9. März und 9. Mai 2023 übermittelt worden.
Die Aussagen des Ministers seien in dem Schreiben „detailliert wiederlegt“ worden, wie es weiter heißt. Selbst der von Düsseldorf entsandte „Sonderbeauftragte“ Marc Sotelsek musste inzwischen einräumen, dass man im Besitz aller Akten sei – jedoch verteilt auf zwei Datenträger. Man benötige das Material aber auf einem „einheitlichen Datenträger“, da man dem Untersuchungsausschuss in Hamburg nicht mehrere übergeben könne.
Das Verständnis für derartige Schlaumeiereien hält sich in der Hansestadt in überschaubaren Grenzen, jedenfalls beim dort zuständigen CDU-Obmann Richard Seelmaecker: „Bisher hat die Zusammenarbeit mit dem NRW-Justizministerium schlecht funktioniert. Ich hoffe, dass sich dies bald ändert.“
Unter Beschuss – aber umso wichtiger ist Ihre Unterstützung!
„Verschwörungsideologe“, „Nazi“ oder „rechter Hetzer“: Als kritischer Journalist muss man sich heute ständig mit Schmutz bewerfen lassen. Besonders aktive dabei: die öffentlich-rechtlichen Sender. Der ARD-Chef-Faktenfinder Gensing verklagte mich schon 2019, der Böhmermann-Sender ZDF verleumdete mich erst kürzlich als „Verbreiter von Verschwörungserzählungen“ – ohne einen einzigen Beleg zu benennen, und in einem Beitrag voller Lügen. Springer-Journalist Gabor Steingardt verleumdete mich im „Focus“, für den ich 16 Jahre lang arbeitete, als „Mitglied einer Armee von Zinnsoldaten“ und einer „medialen Kampfmaschine“ der AfD. Auf Initiative des „Westdeutschen Rundfunks“ wurde ich sogar zur Fahndung ausgeschrieben. Wehrt man sich juristisch, bleibt man auf den Kosten in der Regel selbst sitzen. Umso wichtiger ist Ihre Unterstützung. Auch moralisch. Sie spornt an, weiter zu machen, und nicht aufzugeben. Ich danke Ihnen ganz herzlich dafür, dass Sie mir mit Ihrem Beitrag meine Arbeit ermöglichen – ohne Zwangsgebühren und Steuergelder.
Aktuell sind (wieder) Zuwendungen via Kreditkarte, Apple Pay etc. möglich – trotz der Paypal-Sperre: über diesen Link. Alternativ via Banküberweisung, IBAN: DE30 6805 1207 0000 3701 71. Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut.
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Chrupalla auf Intensivstation und mit Aussetzern – und Medien spielen alles skandalös herunter.
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