„Die Angst vor dem ‚Beifall von der falschen Seite‘ ist … ein Charakteristikum totalitären Denkens.“
An diese kluge Aussage von Hans Magnus Enzensberger muss ich oft denken, wenn ich die Nachrichten lese. Wäre sie den meisten Journalisten und Politikern bekannt, und würden sie sie verstehen, würde eines der wichtigsten Mittel im Kampf um die rotgrüne kulturelle Oberhoheit über den Meinungskorridor in Luft verpuffen.
So aber können Journalisten wie Jakob Hartung, Matthias Zimmermann und Joseph Hausner von der „Saarbrücker Zeitung“ kritische Menschen diffamieren, weil sie angeblich Applaus von der falschen Seite bekommen haben.
Sie verwenden dabei einen der ältesten Tricks sozialistischer Propaganda: auf sachliche Kritik mit Diffamierung antworten. Zurück geht der Trick, der unter Ex-FDJ-Kader Angela Merkel bei uns allgegenwärtig wurde, auf KGB-General Agajanz, einen der „großen“ Desinformations-Spezialisten aus Moskau: „Jeder, der über unsere wahren Pläne genau oder unparteiisch … schreibt oder spricht, muss rasch als Rechter oder Faschist abqualifiziert oder der Lächerlichkeit ausgesetzt werden.“
Diffamierung als Verteidigung
Dabei ist die Taktik eigentlich auch abseits der Politik geläufig. Wenn etwa die Lehrerin den Schüler fragt, warum er seine Hausaufgabe nicht gemacht hat, und der dann antwortet: „Haben Sie was mit dem Direktor?“
Vergangene Woche habe ich hier über eine bemerkenswerte Ansage des Tierarztes Dr. Volker Wagner aus Neunkirchen im Saarland berichtet. Ruhig, mit besonnener Stimme rechnet der Veterinär mit dem Irrsinn unserer Zeit ab. So bestechend, ja mitreißend, dass die Ansage auf seinem Anrufbeantworter inzwischen viral durch das Internet geht (nachzulesen hier, anzuhören hier).
Was machen nun Jakob Hartung, Matthias Zimmermann und Joseph Hausner von der Saarbrücker Zeitung? Nein, nicht etwa, dass sie sich inhaltlich mit den Aussagen des Tierarztes auseinandersetzen würden. Sich mit der Frage befassen, wie es dazu kam, dass seine Aussagen viral gingen. Das wäre ja intellektuell anspruchsvoll. Stattdessen versuchen sie, den Tierarzt an den Pranger zu stellen.
Kontaktschuld
Weil seine Ansage nüchtern ist, frei von jeder Radikalität, konstruieren die drei – offenbar schafften sie es nur im Team – auf Teufel komm raus eine „Kontaktschuld“. Die sie schon in der Überschrift rüberbringen wollen: „Tierarzt aus Kreis Neunkirchen redet sich in Rage – und wird vom rechten Rand gefeiert“.
Der Artikel ist ein etwas in die Hose gegangenes Beispiel für das, was man an den KGB-Schulen als „schwarze Propaganda“ bezeichnete. Also Rufmord. Nach dem Motto: so fein mit Assoziationen spielen und diskret mit Exkrementen werfen, dass etwas hängen bleibt. Nur dass die Lehrlinge aus Saarbrücken sich sehr ungeschickt anstellen bei ihrem Versuch.
Denn ihr Hauptvorwurf ist: dass meine Wenigkeit über die Ansage des Tierarztes berichtet. In Ermangelung anderer „kompromittierender Materialien“ über den armen Veterinär bin ich als bescheidener kleiner Journalist dem Blatt eine dicke Zwischenüberschrift und sage und schreibe vier (sic!) Absätze wert: „Umstrittener Blogger Boris Reitschuster lobt den Tierarzt.“
Neue Horizonte
In dem Text eröffnen sich mir neue Kenntnisse über mich selbst. So erfahre ich, dass „Netzexperte Sascha Lobo im Spiegel“ schrieb, ich sei einer der „wichtigsten Verschwörungsmultiplikatoren“. Wow! Welche Verschwörung konkret ich multipliziere, erfahre ich nicht. Hätte mich wirklich interessiert.
Dafür lese ich als alter Sozialdemokrat, dass Medien mich als „rechts oder rechtskonservativ einordnen“. Das ist in etwa so seriös, wie wenn jemand schreiben würde, dass es Stimmen gibt, die die Saarbrücker Zeitung als journalistischen Arm der „Volksfront von Judäa“ bezeichnen (Monty-Python-Fans wissen, was ich meine).
Dass sie dabei Reklame bei ihren Lesern für mich machen, fällt den Kollegen offenbar nicht auf. „Dritterfolgreichster Beitrag in den sozialen Netzwerken in Deutschland“, heißt es in einer weiteren Zwischenüberschrift. Und dann: „Reitschuster hat auf Youtube, Twitter und Telegram jeweils mehrere Hunderttausend Follower. Sein Artikel über den Tierarzt aus dem Landkreis Neunkirchen verbreitete sich rasend.“
‚Rechter Rand‘
Wir fassen zusammen: Der Tierarzt und seine Ansage sind böse, weil ich auf meiner Seite darüber schrieb. Und weil „vielen Reitschuster-Lesern die Tirade des Tierarztes offenbar gefiel, wie ein Blick in die Kommentarspalten der sozialen Netzwerke zeigt“. Wir, liebe Leserinnen und Leser, Sie und ich, wir sind für die „Saarbrücker Zeitung“ der „rechte Rand“.
Aha.
Das sagt sehr viel aus über die Saarbrücker Zeitung und darüber, wie weit links sie stehen muss – wenn ein alter Sozi für sie am rechten Rand steht. Sarrazin ist dann für die Kollegen wahrscheinlich gleich die Reinkarnation von Hitler. Was aber sind dann Neonazis, also ich meine, echte? Wenn der rechte Rand bei Ihnen und mir liegt?
Fragen über Fragen.
Die wichtigste für mich: Merken die Kollegen gar nicht mehr, wie sehr sie sich lächerlich machen?
Aber es wird noch putziger.
Am Ende kommt noch der Versuch, den beabsichtigten Rufmord dezent abzurunden, mit folgendem letzten Absatz: „Die SZ hätte den Tierarzt gern gefragt, was er zu dem Applaus vom rechten Rand sagt und ob er weiter hinter seiner Wortwahl steht. Doch der Mann war für die SZ-Redaktion nicht zu erreichen. Seine Bandansage hat keine Anrufbeantworter-Funktion. Eine Nachricht per E-Mail blieb unbeantwortet.“
Sehr klug von dem Tierarzt.
Denn die Taktik ist die gleiche, wie jemanden böswillig und ohne jeden Anhaltspunkt zu fragen, ob er seine Frau schlägt. In dem Moment, wo er antwortet – egal was – hat er verloren. Im Zweifelsfall bleibt dann hängen: Das ist doch der, der abstreitet, seine Frau zu schlagen.
Man kann nur hoffen, dass solche plumpen Propaganda-Reinfälle dazu verhelfen, mehr Leuten die Augen zu öffnen.
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