Von Mario Martin
Bei der Berliner Feuerwehr gilt seit letzter Woche die einrichtungsbezogene „Impfpflicht“, die eigentlich nur eine Nachweispflicht ist. Wer keinen Impfnachweis vorzeigen kann, den meldet die Feuerwehr nicht wie in anderen Bundesländern an das Gesundheitsamt, sondern in Berlin an das LaGeSo, das Landesamt für Gesundheit und Soziales.
Im Februar hatten 450 Berliner Feuerwehrkräfte mit einem Appell vor der Einführung der Impfpflicht gewarnt. Auch bei der Hamburger Feuerwehr hatte es im Vorfeld große Sorgen gegeben, wie der Betrieb ohne die ungeimpften Kollegen aufrechterhalten werden kann.
Zur Kontrolle der Impfpflicht werden bei der Feuerwehr Berlin inzwischen interne Listen geführt, die persönliche Merkmale der Feuerwehrleute erfassen. Darunter Namen, Geburtsdatum und Einsatzbereich. Jeder Eintrag enthält weitere Informationen: Die Anzahl der Impfungen plus Datum, ggf. Genesenenstatus und ein Feld “Bemerkung”. Dort können Informationen wie „aktuell positiv“, „keine Impfung“, „unbekannt“ oder „Zertifikat gültig“ vermerkt werden.
Die Meldung an das LaGeSo über die ungeimpften Kollegen befindet sich derzeit in der Vorbereitung, so die Sprecherin der Feuerwehr im Innenausschuss.
Gelebte Zivilcourage bei der Feuerwehr
Die Berliner Zeitung zitiert einen Sprecher der Feuerwehrgemeinschaft, wonach derzeit über 680 Feuerwehrleute der Berufs- und Freiwilligen Feuerwehr der Aufforderung zur Offenlegung des Impfstatus nicht Folge geleistet haben. Unter den 680 seien sowohl ungeimpfte, doppelt geimpfte und geboosterte Kollegen, die sich aus Solidarität mit den ungeimpften Kameraden gegen die Abgabe des Impfstatus entschieden haben. Diese Gruppe hätte sich „aufgrund ethischer Erwägungen und in Solidarität mit den ungeimpften Kollegen“ dazu entschlossen, den Impfstatus nicht offenzulegen.
Die Berliner Feuerwehr kann stolz sein darauf, derart zivilcouragierte Kollegen in ihren Reihen zu haben. Würde diese Vorgehensweise in allen Einrichtungen angewandt, wäre die Impfpflicht schlichtweg nicht durchsetzbar.
Impfpflicht ‘absolut unverhältnismäßig‘
Es sei der Meinung der Feuerwehrgemeinschaft nach mit dem Auftreten der Omikron-Variante “absolut unverhältnismäßig”, an “der einrichtungsbezogenen Impfpflicht festzuhalten”. Wegen der möglichen Betretungs- und Berufsverbote sei die Gesundheit der Bürger der Stadt konkret gefährdet. Der Sprecher weist auf den bereits seit Jahren bestehenden Personalnotstand bei der Berliner Feuerwehr hin. Dieser habe dazu geführt, dass „regelmäßig der Ausnahmezustand im Rettungsdienst ausgerufen“ werden müsse. „In solch einer Situation kommt es auf wirklich jeden einzelnen Feuerwehrangehörigen an. Niemand ist auch nur ansatzweise verzichtbar“, so der Sprecher weiter.
Dies erinnert an die im Februar geschilderten Vorgänge bei der Hamburger Feuerwehr. Auch dort sind die Sorgen groß, dass die Rettungswagen nicht mehr mit ausreichend Rettungssanitätern besetzt werden können.
Politik beschwichtigt
Die Berliner Innensenatorin Iris Spranger beschwichtigt. Eine „signifikante Auswirkung auf die Einsatzfähigkeit“ sei derzeit „nicht zu befürchten“. Der ständige Vertreter des Landesbranddirektors, Karsten Göwecke, äußerte sich im Innenausschuss zur Belastung durch Corona, aber nicht zur Belastung durch die Einführung der Berufsverbote.
Derzeit seien nach Behördenangaben 379 der rund 6.000 Kräfte freigestellt oder in Quarantäne, während 289 Mitarbeiter nachweislich mit Corona infiziert sind. Dies hätte Auswirkungen, aber man sei eine Personalknappheit in dem Maße aus den vergangenen Jahren gewohnt. Über die Anzahl der durch die Impfpflicht potenziell wegfallenden Kollegen äußerte er sich nicht.
Eine Presseanfrage an die Berliner Feuerwehr wurde von reitschuster.de zum Sachverhalt gestellt. Sobald eine Antwort vorliegt, reichen wir diese hier nach.
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Mario Martin ist Ökonom und arbeitet als Software-Projektmanager in Berlin.
Bild: @vires_numeris / TwitterText: mm