Rassismus-Verdacht beim Berliner Literaturpreis: Auszeichnung nach Hautfarbe? Zwei Ex-Jury-Mitglieder packen aus

Von Kai Rebmann

Es ist ein schwerwiegender Vorwurf, der den renommierten Internationalen Literaturpreis Berlin nachhaltig beschädigen könnte. Juliane Liebert und Ronya Othmann gehörten im vergangenen Jahr noch der Jury an, die die mit 35.000 Euro dotierte Auszeichnung an Mohamed Mbougar Sarr und dessen Roman „Die geheimste Erinnerung der Menschen“ vergab. Doch um den literarischen Wert des Buches ging es dabei offenbar frühestens an zweiter Stelle, wie die beiden Autorinnen jetzt behaupten.

Liebert und Othmann wollen die Arbeit des Senegalesen zwar nicht schmälern und betonen in einem Interview mit der „Zeit“, dass Sarr aus literarischer Sicht durchaus „ein verdienter Gewinner“ sei. Dennoch sei die Wahl der Jury in erster Linie aufgrund seiner Hautfarbe auf den Schwarzafrikaner gefallen.

Mehr noch: Innerhalb des Gremiums habe es zunächst sogar noch Bedenken gegen eine Auszeichnung für Sarr gegeben – weil dessen Roman von zwei weißen Autorinnen ins Deutsche übersetzt worden ist. Weiße könnten keine Bücher von Schwarzen übersetzen, soll es zur Begründung geheißen haben.

Den Schilderungen der beiden ehemaligen Jury-Mitglieder zufolge, die im Gegensatz zu einem Großteil ihrer Kollegen in diesem Jahr nicht mehr in das Gremium berufen wurden, soll der gesamte Prozess rund um die Preisverleihung zum Internationalen Literaturpreis Berlin 2023 von anti-weißem Rassismus begleitet worden sein. Liebert wurde eigener Darstellung zufolge bei der Erstellung der Shortlist sogar der Mund verboten: „Du als weiße Frau hast hier eh nichts zu sagen“, gibt sie eine diesbezügliche Aussage aus dem Kreis ihrer Mitjuroren wieder.

Zwei prominente Schriftsteller hätten es hingegen gar nicht erst auf die Shortlist geschafft – ebenfalls aufgrund ihrer Hautfarbe. Mariette Navarro sei eine „weiße Französin“ und Peter Nadas ein „weißer Mann und ein privilegierter weißer Autor“, soll es zur Begründung für die Streichung geheißen haben. Einer der Juroren soll diese Haltung so begründet haben: „Sorry, ich liebe die Literatur, aber Politik ist wichtiger.“

Schon bei anderen Literaturpreisen war in der Vergangenheit der Eindruck entstanden, dass es dabei inzwischen um alles Mögliche geht – nur nicht mehr um Literatur. Der Internationale Literaturpreis Berlin wird vom Haus der Kulturen der Welt (HKW) und der Stiftung Elementarteilchen vergeben. Umso größer war die Überraschung bei Liebert und Othmann, so die Schilderung der beiden Autorinnen, als Mitarbeiter des HKW nicht nur an der Jurysitzung zur Erstellung der Shortlist teilnahmen, sondern diese sogar moderiert hätten.

Das HKW wies die Darstellungen der beiden Ex-Jurorinnen in einer Stellungnahme entschieden zurück. Weder das Haus selbst noch die übrigen Jurymitglieder seien zu den Vorwürfen befragt worden, womit die „Zeit“ die journalistische Sorgfaltspflicht nicht eingehalten habe. Darüber hinaus hätten Liebert und Othmann durch ihr Vorpreschen „die gebotene Diskretion“ nicht gewahrt, die „die notwendige Grundlage unabhängiger Juryarbeit“ sei.

Anders als die Kollegen von der „Zeit“ hat die „JF“ eigenen Angaben zufolge sehr wohl nachgefragt. Und zwar nicht nur bei den anderen Jurymitgliedern, sondern auch bei Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne), der Vorsitzenden des HKW-Aufsichtsrats. Auf diese konkreten Fragen hin wollte sich aber offenbar niemand zu den schwerwiegenden Vorwürfen äußern.

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

Bild: Shutterstock

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