Warum mir Merkel Angst macht

Hätten Sie mir vor drei Jahren vorausgesagt, dass ich jetzt diese Zeilen hier schreiben werde – ich hätte nur den Kopf geschüttelt. Denn ich bin alles andere als ein Anhänger von US-Präsident Donald Trump; ich finde seine Art zuweilen schwer erträglich, und er ist für mich alles andere als ein Sympathieträger.

Allerdings war ich ebenfalls vor drei Jahren schon skeptisch, als mir Journalisten-Kollegen mit strahlenden Augen eröffneten, nach der Wahl Trumps sei Angela Merkel jetzt die „Anführerin der freien, westlichen Welt.“ Ausgerechnet die Frau mit dem gut gelifteten, aber immer noch spürbaren DDR-Charme?

Und jetzt das! In Davos auf dem Weltwirtschaftsforum hielt Donald Trump eine Rede, die viele deutsche Politiker in Rage brachte. Allen voran Grünen-Chef Robert Habeck. „“Er ist der Gegner. Er steht für all die Probleme, die wir haben“, sagte der Mann, der sich gerne als künftiger Kanzler handeln lässt, über Trumps Rede in die Kamera einer ZDF-Journalistin: „Nur Selbstlob, Ignoranz, Missachtung von allen Leuten, kein Gespür, keine Wahrnehmung für globale Probleme, es war die schlechteste Rede, die ich in meinem Leben gehört habe“.

Was exakt hat Habeck und viele andere so aufgebracht an der Rede, die in vielen Deutschen Medien recht verzerrend wiedergegeben wurde? Dazu lohnt es sich, diese ganz zu lesen, oder zumindest einen kurzen Auszug: „Dies ist nicht die Zeit für Pessimismus. Dies ist eine Zeit des Optimismus. Angst und Zweifel sind kein guter Gedankengang – denn dies ist eine Zeit der großen Hoffnung und Freude und des Optimismus und des Handelns. Aber um die Möglichkeiten von morgen anzunehmen, müssen wir die immerwährenden Untergangspropheten und ihre Vorhersagen über die Apokalypse ablehnen. Sie sind die Erben der törichten Wahrsager von gestern, und ich habe sie, und Sie haben sie, und wir alle haben sie – und sie wollen, dass es uns schlecht geht. Aber das werden wir nicht zulassen. Sie sagten eine Überbevölkerungskrise in den 1960er Jahren, einen Massenhunger in den 70er Jahren und ein „Ende des Öls“ in den 1990er Jahren voraus. Diese Panikmacher fordern immer das Gleiche: Absolute Macht, jeden Aspekt unseres Lebens zu beherrschen, zu verändern und zu kontrollieren. Wir werden niemals zulassen, dass radikale Sozialisten unsere Wirtschaft zerstören, unser Land vernichten oder unsere Freiheit ausmerzen.“

Ich denke, damit ist erklärt, was Habeck derart auf die Palme brachte (und vielleicht auch einige Journalisten dazu, die Rede falsch zu übersetzen und das Wort „Sozialisten“ zu streichen, zu sehen etwa hier bei Zeitmarker 0:52). Und als Kontrast muss man sich die Rede der deutschen Kanzlerin ansehen: Sie sagte in Davos, es seien „natürlich Transformationen von gigantischem, historischem Ausmaß“ notwendig: „Diese Transformation heißt im Grunde, die gesamte Art des Wirtschaftens und des Lebens, wie wir es uns im Industriezeitalter angewöhnt haben, in den nächsten 30 Jahren zu verlassen.“

So schwer es fällt, das auszusprechen: Merkels Aussage steht für das, wovor Trump warnt. Mir stehen nach 16 Jahren in Moskau, wo ich täglich die verheerenden Verwerfungen erlebte, die ein sozialistisches Experiment auch noch nach Jahrzehnten hinterlassen hat, die Haare zu Berge, wenn ich lese, dass jemand fordert, wir müssten alles umstellen, woran wir uns gewöhnt haben. Für mich weht aus den Kanzlerworten der Geist des Sozialismus – eines neuen, gewandelten, ökologischen, der vielleicht auf den ersten Blick nicht so viel mit dem gemein hat, den wir kennen, der schick ist, grün, konsumorientiert. Der aber für dessen verheerende Grundidee steht: Für eine radikale Veränderung der Gesellschaft von oben herab, in Form eines Experimentes. Die Geschichte zeigt, dass dies bislang noch immer ins Elend führte.

Ich stehe Merkel schon seit langem sehr kritisch gegenüber. Ihre Aussagen von Davos haben mich das Fürchten vor ihr gelehrt. Und auch die Reaktionen darauf machen mir Angst. Die einstmals konservative „Welt“ titelt in ihrem Artikel über Merkels Umbau-Pläne die titelt: „Wenn die Kanzlerin spricht, ,fühlt man sich ethisch zu Hause´“. Darunter steht als Vorspann: „Die Bundeskanzlerin verteidigt auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos das Engagement der Klima-Jugend und will Dialogverweigerung gesellschaftlich sanktioniert sehen. Deutsche Wirtschaftsvertreter sind angetan – und feiern die Rede als „klasse Vortrag“

 

So ein Tenor erinnert eher an Bauchpinselei als an Journalismus. Wie bitte soll das „Sanktionieren von Dialogverweigerung“ aussehen, das Merkel fordert? Gibt es in unserem Grundgesetz einen Zwang zum Dialog? Mir war davon bisher nichts bekannt. Im Gegenteil: Ein Grundpfeiler der freiheitlichen Demokratie ist im Gegensatz zum Sozialismus, dass man sich auf Wunsch auch aus einem Dialog zurückziehen kann. Das nennt man Freiheit. Merkels Aussage klingt so, wie wenn man Menschen mit anderer Meinung sanktionieren soll – also bestrafen. Die Ungeheuerlichkeit dieser Aussage ist offenbar den meisten Zuhörern und Journalisten gar nicht aufgefallen.

Weiter heißt es in dem Beitrag der Welt: „Vertreter der deutschen Wirtschaft, die der Rede im großen Saal des Davoser Kongresszentrums folgten, fanden die Worte erfrischend.“ Bizarr: Die Kanzlerin will die gesamte Art des Wirtschaftens umbauen – und die Hauptleidtragenden klatschen dazu.

Im gesamten Welt-Beitrag ist kein einziges kritisches Wort über Merkels Rede zu hören, kein einziges Hinterfragen – dafür aber Seitenhiebe auf den US-Präsidenten. Und diesen Eindruck vermittelt nicht nur das Blatt aus dem Springer-Verlag, der den USA eigentlich wohl gesonnen ist. In anderen Medien, so zumindest der Eindruck beim Überfliegen, ist das „Framing“ noch eindeutiger – Merkel wird als große Politikerin gefeiert, ihre Rede als „bemerkenswert“. Selbst Banalitäten werden dabei gesondert herausgestellt: „Die Bundeskanzlerin ist davon überzeugt, dass die Probleme auf diesem Erdball nur in einer multipolaren Welt friedlich gelöst werden können und nationale Alleingänge in eine Sackgasse führen müssen.“ Das ist intellektuell in etwa so gehaltvoll wie eine Aussage, gutes Wetter sei besser als schlechtes Wetter. Und auf diesem Niveau verharrt ein Großteil der Rede. Motto: „Für alles Gute, gegen alles Schlechte!“. Schlichte Kost. Um nicht zu sagen infantile.

Aber Merkel wird inzwischen von einer Mehrheit der Journalisten offenbar jede Plattitüde als blankes Gold abgekauft – während Trump wohl die vernünftigsten Sachen sagen könnte, und immer noch zerlegt würde. Ganz anders im Ausland: Der Star-Historiker Niall Ferguson rechnete in Davos mit Merkel ab. Ihre Kanzlerschaft sei „ein kolossaler Reinfall“ gewesen, Europas Vorstellung von einem Green Deal sei eine der „seltsamsten Ideen“. Laut google-Nachrichten-Suche ist davon in den großen, bekannten deutschen Medien so gut wie nichts zu finden.

Dieser Gleichtakt in den Medien macht mir Angst. Die gesamte Entwicklung unserer Landes unter Merkel macht mir Angst. Am meisten Angst macht mir, dass Merkel fordern kann, dass wir unser Leben total umstellen, und die Reaktion nur ein Nicken ist. Nicht einmal ein kritisches Hinterfragen, geschweige denn ein Aufschrei. Wir sind weit gekommen auf unseren Abwegen.


David gegen Goliath

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Bild: Pixabay/Diana Kühn

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