Ein Blick zurück – besondere Nachrichten aus dem Jahr 2020. Hier vom September:
Berlins Polizeiführung und Innensenator Andreas Geisel (früher SED, heute SPD) haben allen Grund, in sich zu gehen: Der interne Polizei–Einsatzplan gegen die Demo am 30.8.2020, also die Fortsetzung der Großdemo am 29.8., ist offenbar an die Organisatoren von „Querdenken 711“ durchgestochen worden. Die Berliner Morgenpost berichtet darüber ausführlich – hat aber das interne Papier offenbar nicht einsehen können und kann deswegen nur Mutmaßungen anstellen.
Leser von reitschuster.de sind da besser informiert: Ich konnte den ganzen Einsatzplan mit allen Hinweisen einsehen.
Die dort genannten Details decken sich mit polizeiinternen Informationen, wonach Polizeipräsidentin Barbara Slowik, wie schon vor dem 01.08., ein „robustes Vorgehen“ von ihren Beamten verlangt hat. Slowik ist eine politische Beamtin und war selbst nie bei der Polizei; sie gilt als politisches Ziehkind des Innensenators. Der hatte ihren Vorgänger entlassen, um eine treue Erfüllungsgehilfin am Schalthebel des Berliner Polizeipräsidiums zu haben, wie es polizeiintern heißt.
Entscheidend an den internen Unterlagen ist der dritte Absatz auf Seite vier. Die Einschreitschwelle wird dort – selbst für Ordnungswidrigkeiten – niedrig gesetzt. „Mit Entschlossenheit“ ist eine nette Umschreibung für das „robuste Vorgehen“, von dem Slowik intern gesprochen haben soll. Dies ist insbesondere deshalb bemerkenswert, weil die Berliner Polizei etwa im Umgang mit Linksextremen, Drogendealern oder islamischen Antisemiten für ihre Deeskalations-Strategie geradezu berüchtigt ist. Hier im Umgang mit Kritikern der Corona-Maßnahmen setzt sie nun erstaunlicherweise haargenau auf die gegenteilige Strategie.
Michael Ballweg, der Leiter der Initiative „Querdenken 711“, sagte in einem auf YouTube veröffentlichten Interview über die undichte Stelle bei der Berliner Polizei: „Uns sind nämlich am Tag der Demo noch durch einen Insider von der Polizei die Einsatzpläne zugespielt worden“.
Tatsächlich wirkt das Papier völlig authentisch. Auch das dort angesprochene „frühzeitige und offensive Vorgehen gegen sich ansammelnde Personengruppen“ spricht für die Anweisung zum harten Vorgehen gegen die Demonstranten.
Das Papier wurde am 26. August erstellt, drei Tage vor der Demonstration. Damals ging die Polizei noch von einem Verbot aus. Dieses wurde aber später vom Verwaltungsgericht für unzulässig erklärt. Laut Ballweg handelte die Polizei aber trotzdem nach dem Einsatzbefehl, der auf ein Verbot ausgerichtet war.
Die Polizei bestreitet das.
Polizeisprecher Thilo Cablitz sagte gegenüber der Morgenpost, der Polizei sei „der Fall“ bekannt – also die Weitergabe eines internen Dokuments. „Wir haben ein Ermittlungsverfahren eingeleitet“, sagte der Behördensprecher. „Womöglich sei das Papier einem der bei der Demonstration eingesetzten 3000 Beamten heruntergefallen und sei dann gefunden worden“, schreibt die Morgenpost: „Anhaltspunkte für ein gezieltes Durchstechen lägen nicht vor, hieß es.“ Das klingt sehr nach Wunschdenken.
Der Berliner FDP-Abgeordnete Marcel Luthe kommentierte den Vorfall auf Anfrage von reitschuster.de wie folgt: „Der Rechtsstaat zeichnet sich dadurch aus, Gleiches gleich zu behandeln. Das völlig unterschiedliche Vorgehen gegen linksextremistische Ausschreitungen unter dem Deckmantel der Versammlungsfreiheit – wie am 01. Mai in Friedrichshain oder aktuell in Leipzig oder am 28.08. im Berliner Schillerkiez – und die Demonstranten am 29. und 30.08. andererseits wirft Fragen auf: Wie rechtsstaatlich handelt der Senat als Exekutivorgan noch?“
Text: red