Bis vor Kurzem war allein eine Überschrift wie diese kaum denkbar bei den öffentlich-rechtlichen Sendern, die seit Beginn der Corona-Zeit agieren wie Gralshüter der regierungsamtlichen „Wahrheit“: „Ungereimtheiten bei den Corona-Zahlen – Experten kritisieren Statistik“, so war ein Beitrag überschrieben, den das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) am 3. Juni ausstrahlte (und den Sie hier abrufen können).
Schon die Einleitung von Dirk Jacobs klingt so, dass man sich wundert, ob man wirklich beim ZDF ist – und sich fragt, ob dies bei Youtube gelöscht würde, wie sehr viele kritische Videos zu Corona auf der Google-Plattform: Unter den „Corona-Toten sind viele, die über zehn Wochen nach ihrer Erkrankung gestorben sind. Sollte man sie als Corona-Tote zählen? Experten sehen Fehler bei der statistischen Erfassung der Pandemie.“
„Das Gesundheitsforschungs-Institut IGES, das alle Daten des RKI analysiert, registriert einen zunehmenden Anteil von Fällen, bei denen zwischen Infektion und Tod mehr als zehn Wochen liegen“, heißt es in dem Video. Auch diese Fälle werden als Corona-Tote registriert und tauchen als solche in der Statistik auf. Verursacht werde dies nicht nur durch Jüngere, die länger krank sind, sondern durch Ältere mit einer entsprechenden natürlichen Sterbewahrscheinlichkeit, die aber wegen eines Positivtests als Corona-Tote gezählt würden.
IGES-Chef Professor Bertram Häussler lässt kein gutes Haar an dieser Zählweise: „Falls Corona sich gegen Null bewegt von der Infektion her, werden wir, wenn wir das nicht ändern, immer mehr Todesfälle haben, die einfach nach einer Corona-Infektion verstorben sind, aber nicht wegen einer Corona-Infektion.“
Das Robert Koch-Institut, so heißt es in dem Video weiter, verweise darauf, dass die Unterscheidung „ob wegen oder mit Corona“ nicht so einfach sei: „Es bleibt der Graubereich.“ So verhalte es sich auch mit den Genesenen. Zwar gelte man offiziell vier Wochen nach einem Positivtest als „Genesen“; sollte aber so ein Genesener nach weiteren drei Wochen sterben, würde er unter Umständen als Corona-Todesfall gezählt. „Ursache für den Widerspruch: Beide Begriffe sind ungenau“, sagt der Sprecher.
Auch die sogenannte Kurve der Neuinfektionen sei ungenau in der Aussagekraft, so das ZDF weiter: Erhebungen, die genauere Erkenntnisse gebracht hätten, sogenannte Panels, seien vielfach gefordert und versprochen, aber nie in Angriff genommen worden. Es handle sich dabei um repräsentative Stichproben in der Bevölkerung, um bessere Erkenntnisse zu bekommen. Etwa über die Verbreitung des Virus, Infektionsherde und Infektionswege sowie die Wirksamkeit konkreter Maßnahmen. Dazu der Methodiker Prof. Rainer Schnell von der Universität Duisburg-Essen: „Wir hätten risikoreiche Berufsgruppen identifizieren können, wir hätten etwa sagen können, Pendeln im öffentlichen Nahverkehr hat keine nachteiligen Folgen oder hat nachteilige Folgen, oder sie hätten exakt angeben können, Lehrer im Präsenzunterricht sind siebenmal stärker gefährdet als Kindergärtnerinnen.“ Der Professor weiter: „Dass wir dies nun aber nicht wissen, ist für den Methodiker die Datenerhebungskatastrophe.“
Das RKI sagte dazu, der Aufbau eines Panels erfordere Zeit und eine entsprechende Infrastruktur, die bisher noch nicht zur Verfügung stand.
Das RKI ist dem Bundesgesundheitsministerium unterstellt, und der politische Wille müsste da gebildet werden. Auf eine entsprechende Anfrage des ZDF antwortete das Ministerium nicht.
Der Beitrag lief nur im Morgenfernsehen des ZDF, wo es nur eine weitaus geringere Zahl Zuschauer sehen als etwa im Abendfernsehen. Dass der Streifen dort offenbar nicht gesendet wurde, könnte ein Indiz dafür sein, dass es sich um „Alibi-Kritik“ handelt: Man kann dann sagen, man habe ja auch kritisch berichtet – und tut dies gleichzeitig so, dass es der Regierung nicht weh tut und dem Schmusekurs zwischen Öffentlich-Rechtlichen und der Regierung nicht schadet.
Dennoch wäre auch so eine Kritik zur eher schlechten Sendezeit vor Kurzem noch undenkbar gewesen. Und sie deutet darauf hin, dass die Einheitsfront von Regierung und Medien in Sachen Corona zumindest erste Risse bekommt. Aber (noch) nicht mehr: Kein anderes großes Medium griff die unglaublichen Vorwürfe prominent auf, die faktisch für die ganze aktuelle Corona-Politik weitreichende Konsequenzen haben. Das Gesetz des Schweigens, was Zweifel und Kritik angeht, ist weiter bestimmend.
PS: Auch in einem zweiten Beitrag im ZDF-Morgenmagazin wurde die Corona-Politik heftig kritisiert. „Wir müssten eigentlich bei den positiven PCR-Tests versuchen, mitzuerfassen, wo könnte es passiert sein“, so Prof. Gerd Antes, Medizinstatistiker, zu den fehlenden Daten in der Pandemie. Es fehlten Zahlen, stattdessen „haben wir immer noch die Spekulation“, so Antes. Man müsste dringend Daten erheben – aber dies geschehe nicht: „Es fehlt die ordnende, alles überschauende Hand … Diese strukturellen Defizite sollten wir wirklich als Erstes morgen angehen, sonst werden wir weiter stolpern, so wie es gegenwärtig der Fall ist.“ Gefragt sei „das Bundeskanzleramt als übergeordnete Institution“. Sehen Sie sich den Beitrag hier an.
Sehen Sie hier mein Video zur Bundespressekonferenz am Freitag:
Bild: ZDF/Screenshot
Text: br
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