Von Christian Euler
Georg Thiel sitzt seit 110 Tagen in der JVA Münster – weil er den Rundfunkbeitrag nicht bezahlen will. Reitschuster berichtete Anfang März als eines der ersten Medien exklusiv über seinen grotesk erscheinenden Fall. Nun gab er der „Welt am Sonntag“ ein Telefoninterview.
„Das ist es mir wert, ich kämpfe für arme Leute“, gibt sich der 54-Jährige angriffslustig. Dabei sind es nicht nur die weniger gut Betuchten, die in Thiel einen Helden sehen. Die Abneigung gegen die staatliche Zwangsgebühr zieht sich durch alle Klassen. Die Kritiker eint vor allem die Tatsache, dass auch zahlen muss, wer allenfalls ein Radio hat und dieses nicht einmal benutzt. Andere haben Probleme mit der Qualität des öffentlich-rechtlichen Fernsehens.
Der gebürtige Pole lebte bis zu seiner Inhaftierung davon, Gebäudeaufrisse am Computer zu erstellen. Er hat ein sogenanntes P-Konto, das bis zu einem Betrag von monatlich 1178 Euro vor Pfändungen geschützt ist. „Ich achte darauf, dass ich nicht mehr verdiene“, bekannte er gegenüber der „Welt am Sonntag“.
Wenig Mitgefühl beim WDR
Geradezu kafkaesk mutet an, dass Thiel zwar wegen nicht bezahlter Rundfunkgebühren einsitzt, aber nach eigenen Angaben weder Radio noch Fernseher besitzt. In seiner kleinen Wohnung, in der er auf einer Matratze in der Küche schläft, hat er aber zwei Laptops.
Thiel ist grundsätzlich beizupflichten, denn eine Gebühr bezieht sich – im Gegensatz zu einer Steuer – auf eine konkrete Gegenleistung. Wird diese nicht genutzt, sollte dies Grund genug sein dürfen, die Zahlung zu verweigern. Doch die Richter lässt dies kalt und Thiel sitzt in Erzwingungshaft, die höchstens sechs Monate dauern darf und nach derzeitiger Lage kaum ein vorzeitiges Ende nehmen dürfte.
Der WDR zeigt derweil wenig Mitleid: „Auch der WDR findet es bedauerlich, wenn es zu einer Erzwingungshaft im Zusammenhang mit dem Rundfunkbeitrag kommen muss“, erklärt die Pressestelle. Das Amtsgericht Borken, das Landgericht Münster und sogar das Bundesverfassungsgericht hätte die Rechtmäßigkeit der Vollstreckungsmaßnahme gerichtlich bestätigt.
Dass die Haftkosten, für die der WDR aufkommen muss, Thiels Schulden längst um ein Vielfaches übersteigen, spielt für den Sender keine Rolle. Auch nicht, dass letztlich die Beitragszahler ebenso dafür geradestehen müssen wie für das Gehalt des WDR-Intendanten Tom Buhrow. Mit einer Grundsumme von rund 395.000 Euro Jahresgehalt war er 2019 laut Statista der bestbezahlte Intendant aller deutschen Landesrundfunkanstalten.
«Das ist niemandem mehr vermittelbar»
Gut die Hälfte seiner Haftzeit hat Thiel nun hinter sich – und sieht den verbleibenden Wochen gelassen entgegen: „Noch zweieinhalb Monate, kein Problem für mich.“ Dabei käme er schon jetzt frei, wenn er mit einer Unterschrift seine Vermögensverhältnisse offenlegen würde. Doch Thiel hat Prinzipien – Gefängnis hin oder her.
„Ich mache das für Rentner, alleinerziehende Mütter und Geringverdiener wie mich“, sagt er im Telefongespräch mit der „Welt am Sonntag“. Seine Mutter dürfe von der ganzen Sache allerdings nichts erfahren.
Mit dem CDU-Politiker Carsten Linnemann hat sich nun auch ein Mitglied einer Regierungspartei zu Wort gemeldet. Es gehe in diesem Fall nicht um den WDR, sondern um den Rechtsstaat und die Frage, ob immer die Verhältnismäßigkeit gewahrt sei, so der Chef der Mittelstandsunion: „Es gefährdet den sozialen Frieden, wenn etwa ein Gewalttäter mit einer Bewährungsstrafe davonkommt, aber jemand, der Rundfunkbeiträge nicht bezahlt, monatelang im Gefängnis landet. Das ist niemandem mehr vermittelbar.“
Am Grundproblem wird Linnemanns Vorstoß kaum etwas ändern. Die Rundfunkgebühren und die Staatsfunkpflicht müssen bleiben, weil andernfalls mit der sofortigen Kündigung tausender zwangsverpflichteter Beitragszahler zu rechnen wäre – was letztlich zur Implosion des Systems führen würde.
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Georg Thiel
JVA Münster
Postfach 4045
48022 Münster
Bild: Shutterstock
Text: ce
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