Hotel-Verbot für Corona-Demonstranten Methoden wie in autoritären Regimen

Jeder Mensch betrachtet jedes Ereignis durch das Prisma der eigenen Erfahrung. Das kann immer irreführend sein. Weswegen man seine Einschätzungen immer hinterfragen sollte. Ich habe das Privileg, viele kluge Leser zu haben – die mich im Zweifelsfall darauf aufmerksam machen, wenn mein Prisma meine Sichtweise zu sehr verzerren sollte. Aus meiner Perspektive erinnert vieles, was wir derzeit in Deutschland erleben, an autoritäre Systeme. Wobei ich nicht ausschließen kann, dass ich nach 16 Jahren in Russland in dieser Hinsicht hypersensibilisiert bin. Auf jeden Fall erinnern mich die jüngsten Nachrichten aus Leipzig wieder – wie so vieles – an meine Erfahrungen aus einem postsozialistischen autoritären Regime. Die Stadtverwaltung in Leipzig hat vor der Demonstration der Corona-Maßnahmen-Gegner von „Querdenken“ am Samstag den Hotels in der Messestadt verboten, Demonstrationsteilnehmer zu beherbergen. Federführend war dabei ausgerechnet der Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal, der genau jener Partei angehört, die unter anderem Namen früher in Leipzig und der gesamten DDR laut Verfassung erlaubte Demonstrationen faktisch verbot: Der „Linken“, früher als SED bekannt. Auch das Framing der Medien erinnert an vergangene Zeiten. Die „Bild“ etwa benutzt in einer Überschrift für einen Artikel über das Hotel-Verbot das Propaganda-Wort „Corona-Leugner“. Das ist irreführend und manipulierend. Kaum einer der Corona-Maßnahmen-Gegner behauptet, es gebe kein Corona-Virus. Ihr Protest richtet sich gegen die Maßnahmen gegen das Virus. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland RND, zu dessen Mit-Eigentümern die SPD gehört und das mehr als 50 Zeitungen mit Artikeln beliefert, schreibt in seiner Überschrift: „Corona-Demo in Leipzig: Hotels wollen keine Querdenker aufnehmen“. Wollen? Sollen? Müssen? Fragen über Fragen. Laut Leipziger Volkszeitung kündigte etwa „Motel one“, das drei Hotels in der Leipziger Innenstadt betreibt, seine Buchungen – auch die von Geschäftsleuten. Bereits vor der Anweisung vom Ordnungsbürgermeister. Ob da sanfter Druck nicht ausreichend war, weil zu wenige Hotels mitmachten, und deshalb ein Verbot ausgesprochen werden musste? Bei „Motel one“ wurden Geschäftsreisende quasi in Geiselhaft genommen – auch ihnen wurde gekündigt. Die Journalisten des Online-Portals „L-IZ.de“ klopfen sich selbst auf die Schulter, dass sie offenbar das Hotel zu dem Schritt gedrängt haben: „Neben vielen anderen möglichen Überlegungen dürften hier an das Sächsische Sozial-Ministerium und die Hotelkette gestellte L-IZ.de-Fragen zur Hygieneumsetzung und der Haftung für Folgeschäden in Anbetracht der speziellen Art der Demonstration der ‘Querdenker‘ gewesen sein.“ Journalisten als Hilfspolizisten der Regierung bei der Bekämpfung von Regierungskritikern? Dass es nun nach den „freiwilligen“ Aktionen gegen die Demonstranten auch noch zu einem Übernachtungsverbot kam, überrascht. Anfang der Woche hatte das Dresdner Sozialministerium noch verkündet, Kundgebungsteilnehmer seien keine Touristen und fielen damit nicht unter das Übernachtungsverbot für solche im Rahmen der Corona-Maßnahmen. Bislang ging die Regierung in Dresden davon aus, dass die Demonstrationsfreiheit über der Corona-Verordnung stehe. Der Ordnungsbürgermeister der Ex-SED sieht das anders. Und geht noch weiter: „Auch Busreisen sind zur Reduzierung von privaten Reisen untersagt. Dazu zählen auch private Busreisen zu einer Versammlung“, kündigte er an. Zudem wurde „Querdenken“ verboten, wie geplant auf dem zentralen Augustusplatz zu demonstrieren. Der sei für die angemeldeten 20 000 Teilnehmer zu klein, hieß es. Deshalb verfügte die Stadt: Die Versammlung müsse auf den Parkplätzen der Messe stattfinden. Also zugespitzt unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Querdenker-Anwalt Markus Haintz wurde von der Comdirect Bank die Bankverbindung gekündigt. 

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All das erinnert haargenau an die Methoden, die ich aus Moskau kenne. In dem postsozialistischen, vom KGB und seinen Methoden geprägten System dort, wird exakt so vorgegangen. Demonstrieren? Klar, es herrscht ja Demonstrationsfreiheit. Formal. Und gleichzeitig wird den Organisatoren und potentiellen Teilnehmern jedes mögliche Hindernis in den Weg gelegt. Besonders beliebt ist das Verweisen auf dezentrale Orte. Wobei man in Moskau die Demonstranten wenigstens nicht auf Parkplätze außerhalb schickt. Auch Schritte wie die Kündigung des Kontos von Kritikern der Regierung erinnern an die Handschrift der „Firma“, wie man den KGB nennt: Offiziell handelt es sich ja um privatrechtliche Angelegenheiten. Diese werden regelmäßig vorgeschützt, wenn es um Druck auf Andersdenkende geht. Und die Firmen wissen, dass von ihnen vorauseilender Gehorsam erwartet wird. Ebenso wie Gastwirte, die sich in Deutschland kaum noch trauen, an die AfD zu vermieten. Diese Ähnlichkeit der Handschrift, auf die ich ständig stoße in Deutschland 30 Jahre nach dem Zusammenbruch der linken Diktatur, schockiert mich jedes Mal aufs Neue. Ebenso wie die Unfähigkeit vieler Menschen, sie als das zu erkennen, was sie ist: autoritär. Viele Deutsche, gerade im Westen, leben im Irrglauben, autoritäre Systeme würden ihre Gegner reihum einsperren und ermorden. Moderne autoritäre Regime agieren aber komplett anders. Sie sind „smart“ geworden. Noch leben wir in einer Demokratie. Doch mit welcher Geschwindigkeit deren Grundpfeiler mit „smarten“ autoritären Methoden vor unseren Augen weggespült werden, und wie die Mehrheit das im demokratischen Tiefschlaf an sich vorbeigehen lässt, ist beängstigend.  Ich freue mich auf Ihre Kommentare. Und Ihre Meinung, ob ich aufgrund meiner Erfahrung mit autoritären Regimen das Gras wachsen höre. Oder ob Sie meine Besorgnis teilen. Besten Dank im Voraus!

Am Samstag Nachmittag werde ich in Leipzig sein und direkt von der Demonstration berichten, aller Voraussicht nach im Livestream auf meinem Youtube-Kanal, so ich nicht wieder zensiert werde.
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Bild: Alexander Limbach/Shutterstock Text: br

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