Sehen Sie später hier meine Video-Zusammenfassung von der Bundespressekonferenz oder schon jetzt das Video von der ganzen Veranstaltung.
Niemand kann für sich ausschließen, dass er einen Tunnelblick hat. Deshalb bitte ich Sie, liebe Leser (und da es sich um das generische Maskulinum handelt, sind Sie, liebe Leserinnen, natürlich auch mit angesprochen), um Mithilfe. Berufsbedingt quälte ich mich öfter, als es für mein Nervensystem gut wäre, durch die Programme der öffentlich-rechtlichen Sender und der großen Medien. Und mein Eindruck dort: Es gibt kaum Kritik an der Corona-Impfung. Klar, wenn man mit der Lupe oder mit Google danach sucht, wird man sie finden. Aber eher in homöopathischen Dosen. Vor dem normalsterblichen Gebührenzahler wird sie in der Regel eher dezent versteckt.
Ihr Eindruck ist mir hier besonders wichtig, weil, sollte meine Wahrnehmung mich täuschen, die These dieses Textes falsch wäre. Das sei als Warnung vorher gesagt – wir wollen den sogenannten Faktencheckern, im direkten oder indirekten Auftrag der Regierung oder zumindest von dieser gesponsert, ein wenig die Freude am Verleumden vermiesen.
Aber nun zum Ort des Geschehens. Der Bundespressekonferenz. Tilo Jung stellte dort eine Frage, die für mich – zugegebenermaßen absolut subjektiv – so klang wie: „Wird die Regierung zu viel kritisiert? Und was erlauben Sie Reitschuster?“ Wörtlich sagte Jung, nachdem ich zwei Fragen gestellt hatte: „Noch einmal zu Corona, weil das lange kein Thema mehr war: Herr Seibert, wie bewerten Sie als Leiter des Bundespresseamtes denn professionelle Desinformation in Sachen Impfungen in Deutschland? Wie hat sich das aus Ihrer Sicht entwickelt?“ Ähnlich hatte Jung bereits in der Vergangenheit gefragt.
Seibert antwortete: „Was heißt, wie sich das entwickelt hat? Ich kann Ihnen das jetzt nicht quantitativ sagen. Aber Sie alle, die Sie auch im Netz unterwegs sind, wissen, dass es natürlich Desinformation gibt, dass es Falschmeldungen über die Wirkung des Impfens usw. gibt und dass es umso wichtiger ist, dass alle Beteiligten – die Bundesregierung, aber natürlich auch beispielsweise die Ärzteschaft – wahrheitsgemäß über den Sinn und Zweck der Impfung berichten, darüber, wie mögliche Nebenwirkungen einzuschätzen sind, und über die Fragen, die viele zweifelnde Menschen haben, wie der, was das mit der Fruchtbarkeit macht, usw. Diese Fragen sind ja alle zu beantworten, und sie sind alle im Sinne einer Impfung zu beantworten. Das geschieht ja auch, und das ist wichtig.“
Die Antwort ist bemerkenswert, weil Seibert hier ganz offen zugibt, dass es keinen offenen Diskurs gibt – für die Wissenschaft etwas Unhaltbares: Denn er sagt ja, alle Fragen seien „im Sinne der Impfung zu beantworten“. Das klingt wie eine Direktive aus dem Kanzleramt. Und genau so fühlt sich die Berichterstattung auch an. Jung hakte dann noch einmal nach: „Nehmen Sie denn eine Zunahme von Desinformation, zum Beispiel in Sachen Impfung, wahr?“
Seibert meinte, er könne das „nicht quantifizieren“, und klagte über Fehlinformationen im Netz. Die gibt es sicherlich. Aber das Problem ist, dass eben auch viele seriöse Berichte als Fehlinformationen diffamiert werden.
Ich fragte deshalb Merkels Sprecher: „Herr Seibert, zum Thema der Desinformation: Wo ziehen Sie denn die Grenze zwischen Desinformation und kritischer Berichterstattung? Ich bekomme zum Beispiel Briefe von Ärzten, die sich beklagen, sie könnten viele Nebenwirkungen gar nicht melden. Ist, wenn man über solche Klagen berichtet, das dann schon Desinformation oder ist das noch Aufgabe von kritischem Journalismus? Wo ist die Grenze?“ Daraufhin Seibert: „Das ist jetzt sicherlich nicht hier so von mir zu beantworten.“ Warum nicht? Wenn er sich beklagt über Desinformation, muss er diese auch definieren können. Weiter führte der Regierungssprecher aus: „Wer faktenorientiert berichtet, hat dazu natürlich immer Raum und Recht; das ist doch klar. Ich denke, so geschieht es auch.“ Nein, Herr Seibert, das ist nicht klar, weil Youtube, Facebook, Twitter und Co. willkürlich und rechtswidrig kritische Inhalte sperren. Bei Youtube etwa war mein Kanal zwei Wochen blockiert – und danach musste der Konzern zugeben, dass er sich geirrt hat. Dass Seibert das ignoriert und das Gegenteil behauptet, ist entweder dreist oder faktenresistent. Oder beides. Nun kam aber der entscheidende Satz von Seibert: „Ich sehe jedenfalls keinen Mangel an kritischen Artikeln oder kritischen Posts über das Impfen.“ Die einzige Erklärung, die ich dafür finde, ist, dass der Merkel-Sprecher sich offenbar in den sogenannten „alternativen Medien“ informiert. Als Leser meiner Seite hat er sich ja bereits früher geoutet (siehe hier). Aber offenbar geht sein Konsum „böser“ Webseiten darüber hinaus. Das ist erstaunlich. Macht aber auch Sinn. Denn wenn die meisten großen und fast die ganzen öffentlich-rechtlichen Medien bei ihrem Kontrollauftrag weiträumig versagen, muss die Regierung ja irgendwo anders erfahren, wo der Schuh drückt. Seibert fügte dann noch eine weitere hochinteressante Aussage hinzu: „Den Weg von Kritik zu Desinformation bzw. Verführung muss man im Einzelfall beobachten, aber dazwischen gibt es dann schon noch einen Schritt.“ Das Wort „Verführung“ finde ich in diesem Sinne höchst entlarvend. Hier drängt sich die Frage auf: Ist für diese Regierung Kritik an ihrer Arbeit „Verführung“? Ich hielt sie immer für eine absolute Notwendigkeit in einer Demokratie. Wenn sie Merkel und ihre Mannschaft als „Verführung“ sehen, erklärt das einiges.
Seiberts Antwort zeigt: Auf der Bundespressekonferenz tritt Erstaunliches zutage. Wenn man genau hinhört und zwischen den Zeilen liest.
Text: br