Ein Gastbeitrag von Marcel Luthe
„Henryk M. Broder gewinnt gegen Youtube: »Achse des Guten« zurück“ – so konnte ich gestern auf der von der Ströer-Unternehmensgruppe betriebenen Internetseite T-Online lesen.
Etwas Gutes war also zurück – und Henryk M. Broders publizistisches Wirken kenne und schätze ich seit vielen Jahren. Grund genug, den Artikel aufzurufen.
Und so las ich:
„Provokateur Henryk M. Broder gewinnt gegen Youtube: »Achse des Guten« zurück“
Ein kleiner, aber bedeutsamer Unterschied. Dieser Broder war also gar nicht „gut“, sondern vielmehr ein Provokateur, ein Störenfried, ein Hetzer gar?
Das lässt die Nachricht ja schon gar nicht mehr so gut erscheinen.
Ein Provokateur will manipulieren, den anderen dazu bringen, die Kontrolle zu verlieren – wie oft habe ich im polizeilichen Kontext lesen müssen, das Opfer einer Straftat habe diese ja irgendwie „provoziert“?
Der Provokateur ist also immer – das schwingt mit – selbst an seinem Schicksal zumindest mitschuldig: Ob der Mercedes-Fahrer, der seinen Wagen in der Rigaer Straße parkt, der Jude, der mit Kippa durch Neukölln – oder inzwischen auch Charlottenburg – läuft, das hübsche Mädchen abends allein in der U-Bahn. Oder eben auch Henryk M. Broder. Alle irgendwie ja auch mitschuldig, diese Provokateure.
Denn ohne die Provokation keine Tat – das Opfer eines Unrechts, gar eines Verbrechens, ist nach dieser Denkweise selbst schuld, nicht der Täter. Victim Blaming nennt man das, also klassische Täter-Opfer-Umkehr.
Aber es ist nicht das Opfer eines Unrechts das Problem, sondern stets der Täter. Und nur mit einem Wort kann man das umdrehen?
Es ist eben schon ein Unterschied, ob ich von der „Nachrichtenseite T-Online“ oder der „Propagandaplattform T-Online“ schreibe, ob ich den Beitrag als „politisch“ oder „antisemitisch“ bezeichne, oder den Verfasser desselben als „Journalisten“ oder „politisch zuverlässigen Blogger“.
Im ersteren Fall informiere ich, andernfalls betreibe ich Stimmungsmache, also Agitation, gerne auch als „Framing“ bezeichnet.
Dieser Artikel fiel mir deshalb besonders auf, weil zufällig bei Google für kurze Zeit zwei Fassungen nebeneinander angezeigt wurden, offenbar die ursprüngliche und die nun aktuelle Fassung – nur mit diesem kleinen Unterschied.
Und das wirft die Frage auf, warum wer genau es als notwendig erachtet hat, Herrn Broder mit einer – und dann dieser – Bezeichnung zu versehen, und ob (um es mit Henryk M. Broder zu sagen) dieser Jemand vielleicht auch gar kein Problem mit Juden hat. Also jedenfalls nicht mit allen. Nur den lebenden, die humorvoll, klar und frei ihre Meinung vertreten – statt Stimmungsmache als redaktionellen Beitrag zu tarnen.
Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Und ich bin der Ansicht, dass gerade Beiträge von streitbaren Autoren für die Diskussion und die Demokratie besonders wertvoll sind. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen, und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Marcel Luthe war von 2016 bis 2021 Mitglied des Abgeordnetenhaus für Berlin, zunächst für die FDP und später für die Freien Wähler. Der studierte Wirtschaftswissenschaftler ist Autor und Unternehmer.
Bild: Shutterstock
Text: Gast
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