Ein Gastbeitrag von Gunter Weißgerber. Weißgerber war Redner der Leipziger Montagsdemonstrationen 1989/90, Mitbegründer der Ost-SPD, Mitglied der freigewählten Volkskammer 1990, Mitglied des Deutschen Bundestages 1990–2009.
Deutschland wird transformiert. So beschloss es die Koalition aus SPD, FDP und Grünen. Das euphemistisch verschwurbelte Ziel lautet „Ökosoziale Marktwirtschaft“. Gemeint ist eine grünlinke Lagerhaltung der Bevölkerung. Das gesamte Leben soll dem grünen Fetischismus unterworfen werden. Damit das auch immer schön öffentlich begleitet wird, debattiert der Deutsche Bundestag derzeit die Schaffung eines hochbesoldeten „Parlamentspoeten“. Wer nun meint, das ist ein politischer Scherz, der irrt gewaltig. Die meinen das ernst und glauben sich auf geschichtsdeterministischer Linie à la den Gesängen der Klassiker des Marxismus-Leninismus. Auch das sagen sie nicht so, sondern fabulieren linksgrün, das Amt einer Parlamentspoetin könne als Irritation, als Störfaktor dienen, Brücken bauen, Risse in unserer Gesellschaft heilen sowie parlamentarische Diskurse, politische Debatten und Strömungen in Poesie und Prosa gießen, die Politik poetischer und die Poesie politischer machen und die sinnliche Welt des Fühlens, Sehens, Schmeckens, Metaphernfindens, der Synästhesie in den Bundestag usw. usf.
Sie wollen also wie im Bereich von Mobilität und Energiesicherheit auch mit dem Parlament zurück ins Mittelalter. Was damals Hofnarr hieß und den Herrschern Erbauung bieten sollte, heißt 2022 „Parlamentspoet“ und soll die grünlinke Mehrheitsmeinung fortschrittlich unter das zu dressierende Volk bringen.
In der DDR gab es eine Comic-Serie „Mosaik“ von Hannes Hegen. In Heft Nummer 114 vom Mai 1966 jubilierte ein „Chor der Schmeichler“ dem byzantinischen Kaiser Andronikus II.
Die künstlerisch interessanten Elogen lauteten „Du göttlicher Mann, du all unser Glück, geh du stets voran und tritt nie zurück!“ – „Unserm Kaiser, das ist fein, fällt immer wieder etwas ein! Heil, heil!“ – „Immer nur Glück hienieden sei dir, o Herrscher, beschieden!“
DerDieoderDas kommende multikulturell-gegenderte Parlamentspoet*in könnte sich an den Schmeichlern des Andronikus orientieren, die Aufgaben sind fürwahr deckungsgleich: Die Herrscher sollen zufrieden und das verblödete Volk glücklich sein.
Wie wäre es als Einstieg mit „Du Transformationskoalition, du all unser Glück, geh du stets voran und tritt nie zurück!“?
Das Zurücktreten auf Grund von Fehlern ist seit Merkel ohnehin ein Relikt der überwundenen bürgerlichen Vergangenheit der Bundesrepublik von vor 2015. Eine weitere Verheißung könnte lauten: „Unserer Transformationskoalition, das ist fein, fällt immer wieder etwas ein! Heil! Heil!“.
Ich lege der Transformationsriege in Berlin und vor allem dem Parlamentspoeten an dieser Stelle die eingehende Lektüre der Mosaik-Klassiker von Hannes Hegen ans grünlinke Herz. Die Welt wartet auf die poesiefortschrittlichen Großdeutschen.
Deutschland ist seit 1990 wiedervereint. Besaßen 1990 Naturwissenschaften in beiden Teilen der Republik noch große Bedeutung, so erfuhren diese mit den Einfluss- und Machtzuwächsen der Grünen seither einen beachtlichen Niedergang. Der Eindruck ist, Mathematik, Physik, Chemie werden in den Schulen getanzt und nicht mehr vom Katheder vom Lehrer an die Schüler weitergegeben. Auch Kiffen muss inzwischen irgendwie dazugehören.
Real ist das alles nicht mehr. Das Beispiel der deutschen Energiepolitik ist eindeutig surreal. Die Grundlastsicherung ist durch die sogenannte Energiewende nicht mehr gesichert und statt die Unsicherheiten wieder zu beseitigen, stürzt die grünlinke Politik das Land und seine Bevölkerung sogar mit doppelter Geschwindigkeit in noch größere und unbezahlbar werdende Versorgungsunsicherheiten. Welcher klardenkende Kopf soll das noch aushalten? Ein Blackout Deutschlands wird einen Blackout der EU provozieren. Die EU ist abhängig von Deutschlands Sonne und Wind. Lächerlich, aber wahr.
Im Bereich der Zuwanderung verstärkt die neue Regierung ebenfalls den falschen Kurs. Innenministerin Faeser (SPD) will eine „Koalition der aufnahmebereiten Mitgliedsstaaten“ schmieden. Was nichts anderes heißt, als Deutschland soll das Haupteinfallstor für die Zuwanderung aus archaischen Regionen werden. Damit es hier so wird, wie es dort schon lange ist? Deutschland entwickelt sich zur Sprengkraft in der Europäischen Union.
Ein weiteres absurdes Beispiel liefert das ZDF, eine der beiden öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten. Bezahlt von allen Einwohnern per Zwangsabgabe, fokussiert sich diese Sendeanstalt auf die Bevölkerungsjahrgänge zwischen 25 und 49 Jahren. Der Hauptanteil der ZDF-Zuschauer ist jedoch älter als 60 Jahre. Das ZDF maßt sich also an, das Geld von allen zu nehmen und es vor allem einer Gruppe zukommen zu lassen und dann sogar die offensichtlich zweitrangige Gruppe mit Propaganda zu überschütten. Ein klassischer Zielkonflikt, der in die Hose geht. ARD und ZDF verlieren kontinuierlich Zuschauer. Leider sind die meisten Privatsender beinahe noch stärker propagandistisch unterwegs.
Deutschlands Medienlandschaft ist ein Trauerspiel.
Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Gunter Weißgerber war Montagsdemonstrant in Leipzig, Mit-Gründer der Ost-SPD und saß dann 19 Jahre für die SPD als Abgeordneter im Deutschen Bundestag. 2019 trat er aus der Partei aus. Der gelernte Bergbauingenieur ist heute Publizist und Herausgeber von GlobKult. Im Internet zu finden ist er unter www.weissgerber-freiheit.de. Dieser Beitrag ist zunächst auf www.weissgerber-freiheit.de erschienen.
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