Erinnern Sie sich an den deutschlandweiten Aufschrei der Empörung, als einst Frauke Petry als AfD-Chefin von Waffengewalt als letztem Mittel der Grenzsicherung redete. Ob solche Aussagen zulässig sind oder nicht, hängt offenbar vor allem davon ab, wer sie tätigt. Denn sonst müsste der Aufschrei darüber, was die Stadt Ostfildern jetzt in einer Allgemeinverfügung veröffentlichte, noch größer sein als der bei Petry. Die Verwaltung der 35.000-Einwohner-Gemeinde in Baden-Württemberg winkt nämlich nicht gegenüber illegalen Grenzverletzern mit dem Einsatz von Waffen – sondern gegenüber ganz normalen „Spaziergängern“.
Wörtlich steht in der Allgemeinverfügung:
Um sicherzustellen, dass das Versammlungsverbot eingehalten wird, wird die Anwendung unmittelbaren Zwangs, also die Einwirkung auf Personen durch einfache körperliche Gewalt, Hilfsmittel der körperlichen Gewalt oder Waffengebrauch angedroht. Dies ist nach Abwägung der gegenüberstehenden Interessen verhältnismäßig. Es ist erforderlich, da mildere Mittel, die die potenziellen Versammlungsteilnehmer von der Durchführung der verbotenen Versammlungen abhalten würden, nicht ersichtlich sind…. Die Androhung des unmittelbaren Zwangs ist angemessen, da die negativen Auswirkungen für den Betroffenen nicht erkennbar außer Verhältnis zu Schutzgut körperliche Unversehrtheit der Passanten und anderen Versammlungsteilnehmer steht. Nicht verkannt wird, dass die Anordnung des unmittelbaren Zwangs einen erheblichen Eingriff in die Versammlungsfreiheit der Betroffenen darstellt. Wegen der erheblichen Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit einer Vielzahl von Personen stehen diese Nachteile jedoch nicht außer Verhältnis dazu.
Menschen, die sich im Freien friedlich zum Protest versammeln, sind also eine so große Gefahr für die Gesundheit anderer – entgegen der Meinung führender Aerosolforscher, denen zufolge eine Ansteckung im Freien praktisch ausgeschlossen ist –, dass dies die Androhung von Waffengebrauch rechtfertigt. So also die von SPD-Oberbürgermeister Christof Bolay geführte Stadtverwaltung. Bolay begann seine Laufbahn als Büroleiter des Staatssekretärs sowie als Referent im baden-württembergischen Landeswirtschaftsministerium und war im Büro des Bundesgeschäftsführers der SPD in Berlin tätig. Er ist also ein Politikgewächs.
Hier muss ich diesen Artikel leider beenden. Weil mir die Worte fehlen. Zumindest die anständigen.
Ich kann nur mit einem – sinngemäßen – Zitat meines Freundes und Vorbilds Henryk M. Broder aufwarten, mit dem er 2018 auf die Frage antwortete, wie es damals so weit kommen konnte: „Weil sie damals so waren, wie ihr heute seid!”
Die Bundespressekonferenz vom 26.1.2022Bei berechtigtem Protest gegen staatliche Willkür wird über #Schusswaffengebrauch fabuliert: @rbb24 pic.twitter.com/AxtbZVYsO5
— storymakers (@mz_storymakers) January 30, 2022
Bild: Shutterstock/Twitter
Text: br
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