Von Mario Martin
Südkorea hat eine der höchsten Impfquoten der Welt. Mittlerweile sind 86,7 Prozent der Südkoreaner doppelt geimpft. 63 Prozent haben eine Auffrischungsimpfung erhalten. Südkorea ist außerdem weltweit führend bei der durchschnittlichen Zahl der täglich gemeldeten Neuinfektionen und ist für eine von vier weltweit täglich gemeldeten Infektionen verantwortlich.
Mit Südkorea nun also das nächste Land, das trotz (oder wegen?) hoher Impfquote voll von der Omikron-Variante erwischt wird. Erinnerungen an Warnungen werden wach, die genau dieses Szenario vorhersagten.
Das 52 Millionen-Einwohner-Land meldete vergangene Woche für einen einzigen Tag 621.000 Neuinfektionen (positive Tests). Am vergangenen Dienstag waren es noch immer mehr als 350.000.
In den beiden Vorjahren lag der Tageshöchstwert bei 7.580 Infektionen. Die Gemüter erhitzt dieses Szenario allerdings nicht mehr, obwohl die offizielle Zahl der an und mit Corona Verstorbenen bei über 300 Personen pro Tag liegt. Dies hat die Regierung dazu veranlasst, Zusatzschichten für die Krematorien zu verordnen, wie die faz hinter einer Bezahlschranke berichtet.
Also doch ein Zusammenhang zwischen Inzidenzzahlen und Coronatoten, wie er in letzter Zeit in den deutschen Statistiken vermisst wurde?
Regierung schafft Impf- und Testnachweispflicht ab
Die Regierung lockerte derweil zum März die Corona-Maßnahmen. Impf- und Testnachweispflicht in Geschäften wurden abgeschafft und inzwischen werden bei der Einreise in das Land Impfungen akzeptiert, die im Ausland verabreicht wurden. Die Lockerung dürften mit den bald anstehenden Wahlen zusammenhängen.
Das Land hatte sich lange Zeit abgeschottet und die Einreisebedingungen für Ausländer schwierig gestaltet. Südkorea hatte am Anfang der Pandemie hinter China die höchsten Infektionszahlen, was zur Einführung der “K-Quarantäne” führte.
Das koreanische Vorgehen in Sachen Quarantäne bestand aus radikalen Maßnahmen mit strikter Überwachung samt verpflichtender Kontaktnachverfolgung per Handy. Diese dystopisch-totalitären Methoden wurden in Südkorea von Medien und Politik als Erfolg verbucht, da die Infektionszahlen abflauten und auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau verblieben. Die Regierung nimmt das Vorgehen als einen der größten Erfolge der laufenden Amtszeit in Anspruch.
Aber auch in Südkorea gab es Widerstand gegen den digitalen Impfnachweis, der nötig war, um Geschäfte und Restaurants zu betreten. Eine Gruppe von über 1.000 Klägern, darunter Ärzte, verklagte die Regierung im Februar und wirft ihr vor, Menschen zur Impfung zu nötigen.
Wieder einmal stellt sich die Frage, die von offizieller Seite nicht gestellt wird: Sind es die Impfungen, die zu diesem wilden Infektionsgeschehen führen, welches dann anhand von Daten beurteilt wird, die oft dem Verdacht der Manipulation unterliegen und daher keine Vergleichswerte liefern?
Es scheint schier aussichtslos, sich anhand der Datenwüste ein klares Bild von der Situation machen zu können.
Immerhin ist man in Südkorea damit weiter als in Deutschland, was die Rückkehr zu einem eigenverantwortlichen Umgang mit einer Krankheit angeht. Vermutlich bleibt dies wohl eine Momentaufnahme, die den Wahlen geschuldet war, die Anfang März stattfanden. Was ist von einer Regierung zu erwarten, die einmal die digitale Kontaktnachverfolgung verpflichtend gemacht hat?
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Mario Martin ist Ökonom und arbeitet als Software-Projektmanager in Berlin.
Bild: ShutterstockText: mm