Sortierung an der Tafel: Lebensmittel nur noch für Geimpfte und Genesene "Wunsch, dass alle Kunden geimpft sein sollten"

Immer mehr Menschen sind gezwungen, das Angebot der Tafel in Mönchengladbach zu nutzen: Sozial Schwache in der Großstadt im Westen Nordrhein-Westfalen bekommen dort von ehrenamtlichen Helfern Lebensmittel. „Deutlich mehr Familien kommen, darunter etliche Flüchtlingsfamilien aus der Ukraine“, schreibt die Rheinische Post. Und berichtet dann, dass nicht jeder an der Tafel willkommen ist – möge er noch so arm und hungrig sein: Die Essensausgabe erfolgt ausschließlich an Geimpfte und Genese, die zudem noch einen Test vorweisen müssen. 2G Plus für die Ärmsten – in Zeiten, in denen zahlreiche Länder bereits auf jegliche Corona-Maßnahmen verzichtet haben.

Die Rheinische Post erklärt diesen deutschen Sonderweg in der Stadt so: „Die Ehrenamtler der Mönchengladbacher Tafel sind zwischen 65 und 85 Jahren alt. Sie übernehmen Fahrdienste, sortieren Waren und geben die Lebensmittel an Bedürftige aus. Ohne die rund 100 Ehrenamtler würde der Betrieb nicht funktionieren. ‚Wir haben sehr viele ältere Mitarbeiter, und wir möchten sie schützen‘, sagt die Vorsitzende der Mönchengladbacher Tafel, Monika Bartsch. Deshalb hat der Verein entschieden, von seinem Hausrecht Gebrauch zu machen und nur noch geimpfte und genesene Kunden zu bedienen. Sie müssen mindestens doppelt geimpft sein und zudem einen tagesaktuellen Test vorweisen, um Waren bei der zweimal pro Woche stattfindenden Ausgabe im Nordpark zu erhalten.“

Auf der Internet-Seite der Tafel steht, das seien die „Mindestvoraussetzungen. Geboostert wäre auf jeden Fall besser“. Ist jemand mindestens dreimal geimpft, „dann entfällt zumindest für den Tafel-Besuch der Mehraufwand für einen aktuellen Test.“

Die 2G-plus-Regel gelte seit März und werde „insgesamt gut angenommen“, berichtet Bartsch laut der Zeitung. „Natürlich protestiert auch der eine oder andere. Aber der Wunsch, dass alle Kunden geimpft sein sollten, ist von vielen älteren Mitarbeitern an uns herangetragen worden, die sonst ihre Mitarbeit nicht mehr fortführen würden. Und ohne ihre Hilfe könnten wir den Betrieb dichtmachen.“

Diese Herangehensweise ist überaus bemerkenswert. Wie passt sie dazu, dass nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen – ich drücke es extra diplomatisch aus – eine Impfung keinerlei zuverlässigen Schutz vor einer Übertragung bietet? Worin soll also der Sinn bestehen, die Abholung von Essen von einer Impfung abhängig zu machen? Die Regelung ist gleich doppelt widersinnig – wenn die Mitarbeiter davon ausgehen, dass eine Impfung zuverlässig schützt – warum sollten sie dann immer noch Angst vor einer Ansteckung haben?

Fragen über Fragen.

Das Beispiel Mönchengladbach zeigt, wie tief verwurzelt die „German Angst“ ist – die im englischsprachigen Raum zu einem fest stehenden Begriff mit dem deutschen Wort wurde. Viel spricht dafür, dass sie mit einer auch über Generationen weitergegebenen Traumatisierung nach den Erfahrungen des Kriegs und vor allem des Kriegsendes und der Nachkriegszeit zu tun hat. Umso verantwortungsloser ist es, das Politiker wie Karl Lauterbach oder Wissenschaftler wie Christian Drosten sie triggern – und damit faktisch alte Wunden aufreißen. In anderen, weniger traumatisierten Ländern, ist Corona so gut wie vergessen. Die Menschen dort schütteln nur den Kopf, wenn sie hören, dass jetzt bei frühlingshaften Temperaturen in Deutschland immer noch die Angst allgegenwärtig ist.

Ebenso wie der Hang zum Belehren. Tafel-Chefin Bartsch sieht nämlich „einen positiven Effekt der neuen, strengen Regeln“, wie sie der Rheinischen Post sagte: „Einige ungeimpfte Kunden würden sich direkt nebenan im Impfzentrum immunisieren lassen – und dürfen dann mit negativem Test wieder zu einer der nächsten Ausgaben kommen.“

Man könnte das, was Bartsch „einen positiven Effekt nennt“, auch böse Erpressung nennen – wenn man die Essensausgabe an Bedürftige davon abhängig macht, dass sie sich ein medizinisches Präparat verabreichen lassen.

PS: Zwischenzeitlich wurde bekannt, dass die Tafel zum 1. Mai ihre Regeln ändern will und ab dann ein negativer Test ausreichen werde, auch ohne Impfung oder Genesung.

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Bild: Shutterstock
Tex: br

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