Von Kai Rebmann
Die durch die Corona-Maßnahmen verursachten Kollateralschäden für Wirtschaft und Gesellschaft, aber auch für die Gesundheit von Millionen Menschen sind derzeit noch nicht absehbar und werden in ihrer Gänze wohl nie wirklich zu erfassen sein. Alarmierende Zahlen wurden in dieser Woche aber von der Weltgesundheitsorganisation WHO und der UN-Kinderschutzorganisation Unicef bekanntgegeben. Demnach wurden allein im Januar und Februar dieses Jahres weltweit 17.338 Masern-Fälle gemeldet. Zum Vergleich: Im Vorjahreszeitraum wurden bei der WHO nur rund 9.600 Fälle verzeichnet, was einem Plus von knapp 80 Prozent innerhalb eines Jahres entspricht. Ein Unicef-Vertreter führte diesen explosionsartigen Anstieg der Masern-Fälle unter anderem auf die im Zuge der Corona-Pandemie unterbrochenen Impfprogramme zurück und warnte, dass die Masern-Ausbrüche rund um die Welt das Leben von Millionen Kindern bedrohten.
Zwischen April 2021 und April 2022 hat die WHO weltweit insgesamt 21 große Masern-Ausbrüche registriert. Am stärksten waren Regionen in Afrika und rund um das östliche Mittelmeer betroffen. Wie die WHO und Unicef mitteilten, versäumten seit dem Frühjahr 2020, als die ersten Corona-Maßnahmen und Lockdowns verhängt wurden, mehr als 23 Millionen Kinder ihre obligatorische Masern-Impfung. Die in diesem Zuge aufgeschobenen Impfkampagnen gegen das Masernvirus konnten den Angaben zufolge in 43 Ländern bis heute nicht vollständig nachgeholt werden. Die WHO geht davon aus, dass davon bis zu 203 Millionen Menschen betroffen sind. Nach Ansicht von WHO-Chef Tedro Adhanom Ghebreyesius werden die Folgen dieser Unterbrechungen der Masern-Impfungen noch mehrere Jahrzehnte lang zu spüren sein.
Kriegsgebiete und Krisenregionen besonders stark betroffen
Die größten Ausbrüche gab es innerhalb des letzten Jahres überwiegend in Kriegsgebieten und ähnlichen Krisenregionen. Eine besonders starke Zunahme der Masern-Fälle gab es demnach in Ländern wie Afghanistan, Äthiopien, dem Jemen, Nigeria und Somalia. Solche Ausbrüche deuteten auf eine Schwächung bei Immunisierungskampagnen hin, weshalb gerade in Afrika in der Folge auch mit einer Zunahme von Gelbfieber-Infektionen zu rechnen sei, wie Christopher Gregory von der Unicef gegenüber der Nachrichtenagentur AFP erklärte. Dieser rasante Anstieg der Masern-Fälle ist den Experten von WHO und Unicef zufolge vor allem darauf zurückzuführen, dass Länder Mittel, die für Masern-Impfungen vorgesehen waren, im Zuge von Corona anderweitig einsetzen mussten.
Durch den Krieg in der Ukraine, wo die Menschen derzeit ganz andere Probleme als das Tragen von Masken und Einhalten von Abständen haben, könnte sich die Situation auch in Europa noch weiter zuspitzen. Schon in den Jahren vor Corona und dem Krieg hatte die Ukraine die höchsten Masern-Infektionsraten in ganz Europa. Das durch Corona-Maßnahmen, wie etwa die Maskenpflicht in den vergangenen beiden Jahren, ohnehin schon wenig trainierte Immunsystem könnte nun, zusammen mit den oftmals relativ beengten Unterkünften im Falle der Ukraine-Flüchtlinge, zu einem idealen Nährboden für das Masernvirus werden. Masernviren sind hochansteckend und können lebensbedrohliche Krankheiten wie Lungen- oder Hirnhautentzündungen verursachen. Kinder gelten im Hinblick auf einen möglicherweise tödlichen Verlauf einer Masern-Infektion als deutlich gefährdeter als Erwachsene. Vor diesem Hintergrund betrachtet dürfte das Tragen von Masken und ähnlicher Corona-Maßnahmen in den jetzt von Masern-Ausbrüchen besonders schwer betroffenen Ländern und Regionen definitiv mehr Schaden als Nutzen angerichtet haben.
In Deutschland wird die Impfung gegen Masern bei Kindern in der Regel gegen Ende des ersten Lebensjahres vorgenommen. Üblicherweise geschieht dies im Rahmen einer sogenannten Vierfach-Impfung, bei der gleichzeitig gegen Mumps, Röteln und Varizellen geimpft wird. Die dabei eingesetzten Impfstoffe sind seit Jahrzehnten erprobt und schützen sehr zuverlässig sowohl vor der Infektion mit der Krankheit als auch der Weitergabe des Virus. Damit unterscheiden sich diese Vakzine in ganz wesentlichen Aspekten von den Corona-Impfstoffen, zu deren Gunsten in den vergangenen beiden Jahren, gerade in besonders von Ausbrüchen bedrohten Krisengebieten, auf die Impfung gegen Masern verzichtet wurde.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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