Vor kurzem waren solche Aussagen noch Ketzerei, und man musste damit rechnen, dafür diffamiert und in den sozialen Netzwerken gesperrt zu werden. Jetzt sind sie quasi amtlich: Laut einer Auswertung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung sind im vergangenen Jahr 2,5 Millionen Menschen in Deutschland wegen Nebenwirkungen infolge der Corona-Impfung zum Arzt gegangen. Das ist eine deutlich höhere Zahl als bei anderen Impfungen. Und das, obwohl Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach vor gar nicht allzu langer Zeit noch beteuerte, die Impfung sei nebenwirkungsfrei. Eine ebenso ungeheuerliche wie dumme Aussage, die er später zurücknehmen musste.
Blicken wir zurück: Kaum vier Monate ist es her, da sorgte der Vorstand einer Krankenkasse für Aufregung – und musste für seine Ehrlichkeit mit seinem Posten bezahlen: Andreas Schöfbeck. Der Mann, der 21 Jahre die BKK ProVita leitete, warnte davor, dass es eine erhebliche Untererfassung von Corona-Impfnebenwirkungen gebe. Grundlage der Warnung: Die Daten von 10,9 Millionen BKK-Versicherten. Die verglich Schöfbeck mit den Sicherheitsberichten des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI). Seine Schlussfolgerungen: Es muss viel mehr Nebenwirkungen geben, als die Bundesbehörde PEI, die sie eigentlich erfassen müsste, angibt.
Schöfbeck wurde faktisch zum Ketzer erklärt, der geballte Zorn des polit-medialen Komplexes ergoss sich über ihn, er wurde fristlos gekündigt. Und nun das: Seine Zahlen, die ihn zum Aussätzigen machten, sind laut einem Schreiben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) von Mitte Juni plausibel, wie jetzt die „Welt“ berichtet – die den Beitrag aber sorgsam hinter einer Bezahlschranke versteckt hat. Sonst könnten ihn am Ende ja noch zu viele Menschen lesen! Die „Welt“ schränkt dann auch sofort ein – bloß keine Rehabilitierung des bösen Corona-Ketzers Schöfbeck: „Bloß: Was sie“ – also die Zahlen – „im Detail bedeuten, dazu lässt sich – anders als Schöfbeck meinte – keine verlässliche Aussage treffen. Das Grundproblem: Wie es wirklich in Sachen Impfnebenwirkungen in Deutschland aussieht – das will offenbar niemand wissen.“
„Im Rahmen der Analyse hatte die KBV die Anzahl der Impfungen mit der Anzahl der Patienten mit von den Vertragsärzten codierten Impfnebenwirkungen für die Jahre 2016 bis 2020 gegenübergestellt“, schreibt die Welt: „Aus der Auswertung geht ein deutlicher Zuwachs an Impfnebenwirkungen durch die Corona-Schutzimpfungen hervor. Für 2020 etwa führt die KBV 76.332 Patienten mit Nebenwirkungen bei 29.937.878 Impfungen auf – das ist eine Rate von 0,25 Prozent. Ähnlich waren die Werte in den Jahren zuvor. Im vergangenen Jahr dann ein anderes Bild: Bei laut KBV mehr als 153 Millionen Corona-Impfungen wurden knapp 2,5 Millionen Patienten wegen Impfnebenwirkungen beim Arzt vorstellig – das sind 1,4 Prozent.“
Dabei herrscht nach Auskunft von vielen Medizinern bei den Ärzten eine gewisse Scheu vor, Impfnebenwirkungen zu melden. Bei vielen Beschwerden sehen sie demnach keinen Zusammenhang oder wollen ihn nicht sehen – obwohl er durchaus naheliegend wäre. Zum einen sind Meldungen von Impfnebenwirkungen zeitaufwändig, bringen aber anders als die Impfung selbst kein Geld. Zudem fürchten viele Ärzte, schief angesehen zu werden oder Unannehmlichkeiten zu bekommen, wenn sie zu viele Impfnebenwirkungen melden. Wer möchte schon als „Querdenker“ oder „Corona-Leugner“ verschrien werden?
Umso absurder die Erklärung der Kassenärztlichen Vereinigung, wie sie in der „Welt“ nachzulesen ist: „Die KBV erklärt sich diesen Anstieg damit, bei einer neuen Impfung mit den besonderen Zulassungsgegebenheiten wie bei den Covid-19-Impfstoffen sei ‘mit einer erhöhten Aufmerksamkeit gegenüber Impfreaktionen (…) sowie einer verstärkten Motivation, dies anzusprechen bzw. zu dokumentieren, zu rechnen‘“. Wie oben ausgeführt, ist laut Insidern genau das Gegenteil der Fall.
Was die bloße Zahl von 2,5 Millionen Patienten mit Impfnebenwirkungen angeht, weist die KBV in ihrem Schreiben darauf hin, „dass es nicht möglich sei, zwischen einer üblichen und damit nicht meldepflichtigen Impfreaktion und einer darüber hinausgehenden meldepflichtigen gesundheitlichen Schädigung zu unterscheiden. Ergo: Der Wert 2,5 Millionen könne nicht ins Verhältnis gesetzt werden zu den 296.233 Meldungen von Nebenwirkungsverdachtsfällen des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) zwischen Ende 2020 und dem 31. März dieses Jahres.“
Da hat die Organisation der Kassenärzte offenbar Angst vor der eigenen Courage bekommen und knickt in vorauseilendem Gehorsam ein. Aber Hand aufs Herz: Wenn jemand wegen einer Impfnebenwirkung zum Arzt geht – und nur dann wird sie bei den 2,5 Millionen erfasst – wird es zumindest in den meisten Fällen mehr sein als eine bloße Rötung der Haut an der Einstichstelle.
Auch trotz des Einknickens: „Die KBV-Auswertung belegt, wie groß die Wissenslücke in Deutschland bezüglich Impfnebenwirkungen ist“, schreibt die „Welt“. Nicht meldepflichtig seien „etwa ein bis drei Tage Fieber, Rötungen sowie Schwellungen an der Einstichstelle und Kopfschmerzen. Alles, was darüber hinausgeht, muss dem PEI gemeldet werden. Was bei den 2,5 Millionen Patienten meldepflichtig war und was nicht? Das weiß die KBV nicht. Dass die Nebenwirkungsmeldungen an das PEI annähernd vollständig erfolgen, erscheint indes ausgeschlossen.“
Die Geschichte zeigt, wie groß das Chaos ist. Ob das reiner Zufall ist? Oder Unfähigkeit? Oder ist man einfach nicht gewillt, einen realistischen Überblick über die Zahl der Impfnebenwirkungen zu bekommen? Weil sie die Bevölkerung verunsichern könnte?
Eine Harvard-Studie aus dem Jahr 2010, die das Blatt zitiert, kommt zu dem Schluss, dass weniger als ein Prozent aller vermutlichen Nebenwirkungen von Impfstoffen tatsächlich bei dem weltweit größten Meldesystem für Impfnebenwirkungen VAERS (Vaccine Adverse Event Reporting System) gemeldet werden: „Das US-System funktioniert ähnlich wie das deutsche des PEI. In der Pandemie dürfte die Meldequote zwar deutlich höher liegen. Doch viele Hausärzte geben offen zu, dass sie nicht melden. Zu aufwendig, zu teuer: Die zusätzlichen 20 bis 30 Minuten pro Patient können sie nicht abrechnen.“
Der Berliner Hausarzt Erich Freisleben berichtet, er werde von den Patienten mit schweren Impfnebenwirkungen geradezu überrannt. „Von den 300 Fällen sind nur drei ans PEI gemeldet worden“, erklärte er gegenüber der Welt: „Typisch ist, dass ein Strauß von Beschwerden auftritt. Man kann es in keinem Krankheitsbild zusammenfassen“. Viele Ärzte seien davon überfordert, „viele wollen es auch nicht wahrhaben“, so Freisleben laut dem Blatt.
Solche Zweifel will man bei der Kassenärztliche Bundesvereinigung zerstreuen. Weil man nicht die Hand beißen möchte, die einen füttert? In dem Papier der Organisation steht: „Der Unterschied zwischen den von Ärztinnen und Ärzten dokumentierten im Vergleich zu den dem PEI gemeldeten Impfreaktionen ist nachvollziehbar und war zu erwarten.” Das würde ich auch unterschreiben – allerdings auch aus einem ganz anderen Grund als die KBV – weil ich nicht an echte Transparenz von Seiten des PEI und der Bundesregierung glaube und seit zwei Jahren massiv verschleiert und mit Nebelgranaten gearbeitet wird. Insofern ist der Unterschied in den Zahlen wirklich keine Überraschung.
Dass die Daten überhaupt bekannt wurden, ist dem AfD-Bundestagsabgeordneten Martin Sichert zu verdanken. Er wollte in einer Expertenanhörung des Gesundheitsausschusses im März zur Impfpflicht von KBV-Chef Andreas Gassen wissen, wie viele Patienten aufgrund von Beschwerden nach einer Corona-Impfung zum Arzt gegangen sind.
Sichert sagte nun der „Welt“, er halte es für einen „Skandal“, dass die Bundesregierung entgegen ihrem im Infektionsschutzgesetz (IfSG) festgelegten Auftrag die Daten der kassenärztlichen Vereinigungen zu Impfnebenwirkungen weder erfasse noch auswerte. Das Bundesgesundheitsministerium hält laut dem Blatt dagegen: „Die Zahlen sind so nicht miteinander vergleichbar. Abrechnungsdaten von Vertragsärzten folgen einer völlig anderen Logik als Meldungen ans PEI.“
Erstaunlich ist auch, was der Gesundheitswissenschaftler Thomas Mansky erklärt. Nach seiner Ansicht wäre „eine personenbezogene anonymisierte Verknüpfung der Daten“ notwendig. Damit könne man „Behandlungs- und Krankheitsverläufe sowie Folgewirkungen und Komplikationen nach Eingriffen oder beispielsweise auch nach Impfungen über lange Zeiträume nahezu vollständig nachverfolgen und so nachvollziehen, ob bestimmte Krankheitsbilder und Symptomatiken bei geimpften Personen statistisch häufiger vorkommen als bei ungeimpften Patienten.“ Ein solches Verfahren, so Mansky zur „Welt“, sei „bei den Krankenkassen etabliert und werde unter anderem für die Qualitätssicherung genutzt. Die Impfdaten habe man allerdings aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht in diese Datenbasis integriert.“
Merkwürdig, oder? Wenn man wirklich ehrliche Zahlen haben möchte zu den Impfnebenwirkungen, wäre es doch oberste Priorität, die Impfdaten in diese Datenbasis aufzunehmen. Das PEI will nun eine Integration mit den Krankenkassen besprechen. Warum so spät? Warum so zaghaft? Und wird es wirklich umgesetzt?
Mühsam aufrechterhaltenes Narrativ
Das Fazit der „Welt“: „Bis es soweit ist, bleibt es in Sachen Impfnebenwirkungen in Deutschland vorerst beim Stochern im Nebel.“
Mein Fazit: Das Narrativ von der „nebenwirkungsfreien Impfung“ ist endgültig gekippt. Und nur dank eines Schweige-Kartells von weiten Teilen der Politik und Medien – die „Welt“ ist trotz Bezahlschranken eine löbliche Ausnahme – ist die Nachricht bei einem großen Teil der Menschen in unserem Land noch nicht angekommen. Sucht man bei Google News mit den Schlagworten „2,5 Millionen KBV“, kommt außer der Welt nur eine andere Fundstelle – die Berliner Zeitung. In einer funktionierenden Medienlandschaft wäre die Zahl allgegenwärtig, die Medien würden die Regierung vor sich hertreiben. In Deutschland funktioniert die vom Staat üppig gepäppelte und versorgte Medienlandschaft nicht als Kontrolleur der Regierung, sondern als Schutzwall, der diese vor Kontrolle schützt.
Die Geschichte zeigt: Solche Schweigekartelle halten nie ewig. Die Wahrheit sucht sich ihren Weg.
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Text: br