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Erst gestern hat sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit seiner Aussage entlarvt, dass „friedlich seine Meinung zu äußern … eines der wichtigsten Rechte unserer Demokratie“ sei – aber dieses eben nicht gelte, wenn „Extremisten, Querdenker und Verfassungsfeinde“ am Werk sind. Also Kritiker der Regierung – die heute genau mit diesen Begriffen diffamiert werden.
Heute folgte nun der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth. Aber der Reihe nach. Beginnen wir mit der schönen Fassade, in die Harbarth seine Kriegserklärung an Andersdenkende hüllte. Er sorge sich um den gesellschaftlichen Diskurs, die Anonymität des Internets befördere Verrohung, sagte er laut „Welt“ bei einem Auftritt im erlesenen „Übersee-Club“ in Hamburg. Es entstünden, begünstigt durch die Algorithmen, „Filterblasen und Echokammern“, die „geschlossene Weltbilder“ erzeugten, „die zur kommunikativen Radikalisierung beitragen.“ Ebenso zur „Polarisierung und Spaltung“. Das färbe auch ab auf das „Ansehen demokratischer Institutionen“.
Soweit, so richtig. Dass der Merkel-Vertraute, der direkt aus der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag an die Spitze des Verfassungsgerichts wechselte, dort eine Rolle spielt, selbst das „Ansehen demokratischer Institutionen“ massiv gefährdet – so viel Selbstkritik war von ihm nicht zu erwarten. Das einst zu Recht hoch angesehene oberste Gericht in Karlsruhe hat sich unter ihm zu einer Abstempel-Maschine für die Entscheidungen der Regierung entwickelt. Statt unser Grundgesetz vor der Regierung zu schützen, wie Generationen von Verfassungsrichtern es früher taten, schützt das Gericht unter Harbarth hauptsächlich die Regierung vor der Verfassung. Wie es die Corona-Maßnahmen ohne Rücksicht auf die Faktenlage immer wieder durchwinkte, ist ein finsteres Stück Rechtsgeschichte.
Klüngel oder Norm? Oder beides?
Legendär ist auch das Abendessen am 30. Juni 2021 im Bundeskanzleramt von Verfassungsrichtern mit Merkel, die dafür extra mit einer Regierungsmaschine der Flugbereitschaft eingeflogen wurden – so als käme man von Karlsruhe nicht anders nach Berlin, etwa mit einem Linienflug. Alle 16 Verfassungsrichter sowie die meisten Bundesminister haben an dem Abendessen teilgenommen. Unter anderem drehten sich die Gespräche an der feinen Tafel um die Corona-Politik – zu der Verfahren am Bundesverfassungsgericht liefen. Stellen Sie sich einmal vor, ein Richter geht vor der Urteilsverkündung mit den Angeklagten essen!
Das Gericht sprach sich jedoch selbst frei: Einen Befangenheitsantrag gegen Harbarth lehnten dessen Untergebene, also andere Karlsruher Richter, ab. „Auf die Frage aus dem Publikum, ob Treffen dieser Art noch zeitgemäß seien, antworte Harbarth vor dem Übersee-Club, dass es sich dabei um einen regelmäßigen Austausch zwischen den Verfassungsorganen handele“, schreibt die „Welt“. „Dies halte er für wichtig und nötig, weil sich sonst die Sicht des Bundesverfassungsgerichts verenge. Die Vorstellung, dass solche Treffen die Unabhängigkeit und Unvoreingenommenheit des Bundesverfassungsgerichts gefährdeten, hält er für ‘abwegig‘. Das Gericht nehme keine Befehle entgegen.“
Starker Tobak! Was daran abwegig sein soll, dass die stramme Unterstützung der Regierung durch Karlsruhe seit seinem Amtsantritt etwas mit seiner Nähe zu Merkel zu tun haben soll, hätte Harbarth schon genauer erklären müssen. Dass das Gericht keine Befehle entgegennehme, das würde ich dem obersten Richter dagegen abnehmen: Wozu sollte jemand Befehle nach Karlsruhe schicken, wenn dort ein Getreuer installiert ist, der von sich aus weiß, was die Regierung von ihm erwartet? Warum sollte sich jemand in Berlin da noch die Blöße geben, in Karlsruhe anzurufen?
Wobei ich absolut nicht ausschließe, dass Harbarth einen Lügendetektortest bestehen würde, wenn er sagt, er sei „unabhängig“. Er mag sich wirklich dafür halten – nur deckt sich halt seine Position merkwürdigerweise zu fast hundert Prozent mit der der Regierung. Man könnte das auch „Opportunismus“ nennen, um das böse Wort des „voreiligen Gehorsams“ nicht zu gebrauchen.
Zensur delegiert
Harbarth verwies laut „Welt“ auch noch darauf, dass „das Grundgesetz alle staatliche Gewalt an die Vorgaben der Verfassung bindet“. Das erinnert fast schon an die DDR-Verfassung, die ja etwa Reisefreiheit und Meinungsfreiheit garantierte. Auf dem Papier. Dabei reicht allein schon ein Blick auf die Vorgabe des Grundgesetzes, dass keine Zensur stattfinde, um zu sehen, wie weit sich Realität und Verfassung voneinander entfernt haben. Denn die Zensur wird einfach im „Outsourcing“ an Dritte delegiert, etwa den Bertelsmann-Konzern, der auf Facebook zensiert. Oder Banken kündigen kritischen Journalisten die Konten. Harbarth kann dann bequem von der „Bindung der staatlichen Gewalt“ an das Grundgesetz schwärmen – wenn die Drecksarbeit delegiert wird.
Anders als die DDR-Verfassung nahm Harbarth aber teilweise die Maske ein Stück weit ab – erkennbar allerdings nur für Zuhörer, die zwischen den Zeilen lesen bzw. zuhören. Er warnte laut „Welt“ davor, dass der Gebrauch der Freiheitsrechte dazu geeignet sein könne, die Verfassungsordnung zu delegitimieren. Das ist identisch mit dem eingangs zitierten Scholz-Zitat: Freiheitsrechte sind gut, solange sie nicht diejenigen nutzen, die gegen die Regierung sind. Denn Kritik an dieser wird heute als „Delegitimierung“ diffamiert.
Freiheit? Nicht für alle!
Und wie man mit solchen Kritikern umzugehen hat, machte Merkels Liebling laut „Welt“ dann deutlich: „Der wehrhafte Verfassungsstaat muss sich den Feinden von Recht und Rechtsstaatlichkeit konsequent entgegenstellen.“ Eine Beschränkung von Freiheitsrechten könne darum legitim sein.
Der Mann, der oberster Hüter des Grundgesetzes sein müsste, outet sich damit als dessen Totengräber.
So richtig seine Worte in einer funktionierenden, pluralistischen Demokratie wären – so verheerend sind sie in einem Land, in dem Regierungskritiker als „Extremisten“ und „Feinde von Recht und Rechtsstaatlichkeit“ diffamiert und verfolgt werden.
Faktisch bläst der Verfassungsgerichtspräsident zur Jagd auf Regierungskritiker. Möglicherweise, ohne sich dessen selbst bewusst zu sein – weil er eben in einer dieser „Blasen“ lebt, von der er zuvor selbst gesprochen hat. In einer, in der man Menschen mit anderer Meinung wirklich als „Feinde des Rechts“ sieht. Das sind genau die Mechanismen, die man aus autoritären Regimen kennt, und die bei uns immer noch von vielen nicht verstanden werden: Dass das „Böse“ in der Regel von Leuten verübt wird, die sich selbst für die „Guten“ halten – und deshalb alle, die anderer Meinung sind als sie, für legitime Opfer.
Politiker wie Scholz und Richter wie Harbarth sind Brandstifter. Sie schaffen mit ihren Aussagen die Atmosphäre, in der Menschen mit anderer Meinung quasi „vogelfrei“ sind. In der sie diffamiert werden und entmenschlicht. In denen Banken ihnen Konten kündigen, die Polizei sie schikaniert und Attacken auf sie demonstrativ nicht verfolgt. Eine Atmosphäre, in der genau das wieder beginnt, was eigentlich nie wieder geschehen sollte.
Leider erkennen diesen schleichenden Prozess viele, die immer nur Freiheit und Demokratie erlebt haben und sich ausschließlich aus den großen Medien informieren, immer noch nicht.
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Bild: CDUText: br