Von Daniel Weinmann
Sollte jemals eine Aufarbeitung der Corona-Jahre stattfinden, wofür gerade in diesem Land verschwindend wenig spricht, wäre Frank Ulrich Montgomery einer derjenigen, die besonders zur Verantwortung gezogen werden müssten. Der Chef des Weltärztebundes war einer der vehementesten Fürsprecher der Ausgrenzung Ungeimpfter – und hat offensichtlich nichts hinzugelernt.
„Wenn das Omikron-Virus, was wir im Moment nur hoffen können, eine deutlich geringere Krankheitslast hat, würde ich dennoch impfen wie verrückt“, postulierte der 70-Jährige fast genau vor einem Jahr. Welchen Stellenwert er der Freiheit zumisst, unterstrich er damals mit dieser Aussage: „Ich stoße mich daran, dass kleine Richterlein sich hinstellen und wie gerade in Niedersachsen 2G im Einzelhandel kippen, weil sie es nicht für verhältnismäßig halten.“
In einem aktuellen Interview mit der „Welt“ demonstriert der Maßnahmen-Hardliner einmal mehr die für ihn typische Mischung aus Überheblichkeit, Altersstarrsinn und Arroganz. Gefragt, ob es ihm leidtue, von der „Tyrannei der Ungeimpften“ gesprochen zu haben, antwortet er gänzlich ungeniert: „Nein, es tut mir gar nicht leid… Es war eine Tyrannei, dabei bleibe ich. Es war eine Bevormundung der Mehrheit durch eine Minderheit.“
»Das ist doch Unsinn, was Sie hier erzählen«
Der Mann, der offensichtlich glaubt, die Weisheit mit dem Schöpflöffel verabreicht bekommen zu haben, outet sich zugleich als unwissend. „Hätten wir damals mit einer Impfpflicht erreicht, alle Menschen zu impfen, wären wir sehr viel schneller über den Berg gewesen“, behauptet der Funktionär. Von dem geschätzten Kollegen Tim Röhn darauf aufmerksam gemacht, dass auch die Impfung die Ausbreitung des Virus nicht stoppen kann, antwortet Montgomery mit einem Mix aus Stur- und Dummheit: „Ihre Einschätzung teile ich nicht. Es geht immer auch um Fremdschutz … Wir haben ja immerhin einen 90-prozentigen Fremdschutz, das ist auch nicht zu vernachlässigen.“
Die Impfungen hätten keine Infektionen nachhaltig verhindert, hält ihm Röhn vor und die Inzidenzen in den Unikliniken seien zeitweise „gigantisch hoch“ gewesen. Die Antwort des Weltärztebund-Chefs (sic!): „Das ist doch Unsinn, was Sie hier erzählen. Wir haben massiv weniger Infektionen und vor allem weniger schwere Verläufe.“ Hält man sich die jüngste Entwicklung vor Augen, kann man nur zu dem Fazit kommen: Frei von jeglicher wissenschaftlichen Evidenz hört Montgomery nur auf sich selbst bzw. macht sich die Welt – wie Pippi Langstrumpf – widewidewie sie ihm gefällt. Medizin scheint – entgegen seiner beruflichen Position – nicht seine Stärke zu sein.
Wilhelm Busch hätte Montgomery vermutlich als „notorischer selbstgerechter Besserwisser mit aufgeblähtem Ego, der keine große Leuchte, sondern im Grunde eine ganz kleine Lampe“ ist“, charakterisiert.
Tatbestand der Volksverhetzung?
Wes Geistes Kind der Infantino der Ärzteschaft ist, zeigte er schon 2009, als er „Schmiergeldzahlungen für Mediziner in „Hart-aber-fair“ als „normales, natürliches Verhalten“ bezeichnete. Dass die Annahme von Geld und Geschenken aber ein klarer Verstoß gegen die Berufsordnung ist, ficht den Mann, der sich wie ein Despot geriert, nicht an.
Ein funktionierender Rechtsstaat müsste längst prüfen lassen, inwieweit Montgomery gegen Paragraph 130 des Strafgesetzbuches (Volksverhetzung) verstoßen hat. Dieser schützt die Menschenwürde und den öffentlichen Frieden. Wörtlich heißt es:
Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
1. gegen eine nationale, rassistische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen einzelnen, wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
Vor diesem Hintergrund würde Montgomery – aber ebenfalls nur in einem funktionierenden Rechtsstaat – zumindest Gefahr laufen, mit einem Fuß im Gefängnis zu stehen.
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Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.
Bild: Boris Reitschuster