Von Kai Rebmann
Kinderärzte und -kliniken arbeiten seit Monaten am Limit. Auch reitschuster.de hat bereits Anfang Dezember in einem ausführlichen Artikel über die sich immer weiter zuspitzende Versorgungssituation berichtet. Neben einer beispiellosen Welle an Atemwegserkrankungen, insbesondere RSV-Infektionen, als Folge der durch die Corona-Maßnahmen geschwächten Immunsysteme sind diese Engpässe auch darauf zurückzuführen, dass seit dem Jahr 1991 bundesweit rund ein Drittel der verfügbaren Betten in Kinderkliniken abgebaut worden ist. Die AfD wollte daher in einer Kleinen Anfrage von der Bundesregierung unter anderem wissen, wie viele Betten in den Jahren 2021/22 neu aufgebaut bzw. weiter abgebaut wurden. Vor dem Hintergrund der zur „Pandemie“ erklärten Corona-Krise eine wohl durchaus berechtigte Frage.
Die Abgeordneten Thomas Seitz und Corinna Miazga bezogen sich bei ihrem Ansinnen auf ein Interview des RBB mit Dr. Steffen Lüders. Der Berliner Kinderarzt berichtete dem öffentlich-rechtlichen Skandal-Sender von unhaltbaren Zuständen in den Rettungsstellen. Seine Kollegen würden inzwischen sogenannte „Überlastungsanzeigen“ schreiben, um sich im Fall der Fälle juristisch abzusichern. „Ich glaube, es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis das erste Kind in einer Berliner Kinderklinik aufgrund dieser Überlastungssituation stirbt“, so die dramatische Warnung des Mediziners. Dem Bericht zufolge stand in Berlin zum Zeitpunkt des Interviews (Dezember 2022) kein einziges freies Bett auf den Stationen der Kinderkliniken mehr zur Verfügung.
Über 2,1 Millionen Behandlungstage in der Kinder- und Jugendpsychiatrie
Und damit zurück zur Kleinen Anfrage der AfD. Die Antwort aus dem Haus von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bestätigte nicht nur, dass es im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin im Jahr 2021 zum Abbau von 288 weiteren Betten gekommen ist, sondern legt auch zahlreiche weitere Folgen der verheerenden Corona-Politik offen. Sowohl in der klassischen Pädiatrie als auch in der Kinder- und Jugendpsychiatrie waren für das Jahr 2021 teils deutliche Anstiege der Belegungszahlen zu verzeichnen. Den Daten des Statistischen Bundesamtes zufolge summierten sich die sogenannten „Berechnungs- und Belegungstage“ in der stationären Psychiatrie auf insgesamt 2.100.919 Tage, was einer Zunahme um knapp 10 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (1.917.639 Tage) entspricht. Mit den von der AfD ebenfalls angefragten Daten für das Jahr 2022 ist laut dem zuständigen Staatssekretär Prof. Dr. Edgar Franke (SPD) nicht vor August 2023 zu rechnen.
Ob und wenn ja, wie oft es zu Abweisungen von Babys, Kindern und Jugendlichen in Krankenhäusern gekommen ist, „obwohl eine Einweisung medizinisch indiziert war“, konnte oder wollte Franke nicht beantworten. „Der Bundesregierung liegen hierzu keine Daten vor“, teilte das Bundesgesundheitsministerium denkbar knapp mit. Aber nicht nur um die Quantität der medizinischen Versorgung in deutschen Kinderkliniken scheint es schlecht bestellt zu sein, sondern auch um die Qualität. Nicht etwa, weil die Pfleger, Krankenschwestern oder Ärzte schlecht ausgebildet wären, sondern weil dieses Personal schlicht an allen Ecken und Enden fehlt. Karl Lauterbach habe die Krankenkassen deshalb dazu aufgefordert, „vorübergehend die Einhaltung der Pflegepersonaluntergrenzen nicht mehr zu überprüfen, da vom Vorliegen des Ausnahmetatbestandes nach Paragraf 7 Satz1 Nr. 2 Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung ausgegangen wird“. Besonders dreist: Franke behauptet im Namen seines Dienstherrn, dass die Krankenhäuser dadurch „von Bürokratie entlastet und zusätzliche stationäre Behandlungskapazitäten geschaffen werden“.
Fakt ist aber: Eine Pflegekraft „darf“ – oder besser gesagt muss – derzeit also mehr stationäre Patienten betreuen, als laut dieser noch in der Amtszeit von Jens Spahn (CDU) eingeführten Verordnung maximal vorgesehen ist. Lauterbach macht es sich damit sehr einfach, denn eine solche Ausnahme ist laut Verordnung lediglich für besondere Lagen „wie beispielsweise Epidemien oder Großschadensereignisse“ vorgesehen. Der AfD-Abgeordnete Thomas Seitz kritisiert daher: „Diese Politik halte ich für ausbeuterisch gegenüber den Pflegekräften und Ärzten und mit Blick auf die medizinische Versorgung von Kindern höchst bedenklich. Der Behandlungserfolg hängt im Wesentlichen von der Gesundheit des ärztlichen Personals ab, die im Rahmen einer solchen Politik akut gefährdet ist.“
Die Rechnung bezahlen also das medizinische Personal und nicht zuletzt unsere Kinder und deren Eltern. Nicht umsonst haben sich die ersten Pflegekräfte, wie von Dr. Lüders ausgeführt, vorsorglich von jeglicher juristischer Haftung befreien lassen. Ein unmittelbarer Zusammenhang zu überfüllten Kliniken besteht auch mit dem desaströsen Grad der ambulanten Versorgung. Aus der Antwort des Bundesgesundheitsministeriums geht hervor, dass in Deutschland auf insgesamt knapp 13,9 Millionen Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 0 und 18 Jahren bundesweit lediglich 16.068 Kinder- und Jugendärzte kommen. Rein rechnerisch hat jeder niedergelassene Mediziner also 863 junge Patienten zu betreuen, im ländlichen Raum sind es noch deutlich mehr.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog. Bild: ShutterstockMehr von Kai Rebmann auf reitschuster.de