Der Antisemitismus der Vereinten Nationen und die Rolle des UNRWA Hintergründe und Fakten

Von Kai Rebmann

Im Jahr 2022 wurden 15 UN-Resolutionen zu Israel verabschiedet und damit drei mehr als zu allen anderen Ländern zusammen. Selbst zu Russland äußerte sich die sogenannte „Weltregierung“ im vergangenen Jahr in nur sechs Resolutionen. Die weiteren Stellungnahmen erfolgten zu Afghanistan, Iran, Myanmar, Nordkorea, Syrien und die USA (je 1).

Eine Ausnahme ist das aber keineswegs. Laut „UN Watch“ verhängte die Generalversammlung der Vereinten Nationen zwischen 2015 und 2022 nicht weniger als 140 Resolutionen zu Israel sowie 68 weitere Beschlüsse zu allen anderen Mitgliedsstaaten zusammen. Ein ähnlich krasses Missverhältnis herrscht bei den seit dem Jahr 2006 durch den UN-Menschenrechtsrat verhängten Resolutionen: Israel (99), Syrien (41), Iran (13), Russland (4) und Venezuela (3).

Wenig überraschend geht es in diesen Beschlüssen zumeist um die Siedlungspolitik Israels und/oder die Situation der Palästinenser. Und spätestens an dieser Stelle kommt das alles andere als unumstrittene UNRWA ins Spiel, das „Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten“.

Flüchtlingsstatus wird seit 75 Jahren vererbt

Mit dem UNHCR verfügt die internationale Staatengemeinschaft bereits über ein Hilfswerk, das für die Versorgung aller Flüchtlinge weltweit zuständig ist – außer die Palästinenser. Das UNRWA entstand im Zuge der Staatsgründung Israels und wurde offiziell am 8. Dezember 1949 gegründet.

Damals waren bei den UN rund 700.000 Araber als Flüchtlinge gemeldet, heute zeichnet das UNRWA für rund 5,8 Millionen Palästinenser verantwortlich. Diese explosionsartige Vermehrung hat einen bemerkenswerten Grund: Als einziges Volk dieser Welt wird der Status als anerkannter Flüchtling unter den Palästinensern von Generation zu Generation vererbt. Anspruch auf finanzielle und weitere Unterstützung hat also auch jemand, der noch nie von irgendwo vertrieben worden ist.

Das nächste Alleinstellungsmerkmal betrifft die in den meisten Fällen lebenslange Anerkennung eines einmal erworbenen bzw. geerbten Status. Während UNHCR-Flüchtlinge spätestens dann keine solchen mehr sind, sobald eine „dauerhafte Lösung“ gefunden wurde, gilt auch das für Palästinenser nicht.

Kein Interesse an einer 'dauerhaften Lösung'

Von einer „dauerhaften Lösung“ wird im Regelfall unter anderem dann ausgegangen, wenn der betreffende Flüchtling die Staatsangehörigkeit seines Gastlandes angenommen hat. Die NZZ schrieb dazu im Februar 2019, also völlig unbefangen von der aktuellen Entwicklung im Nahen Osten: „Würde diese Regel auf die UNRWA-Flüchtlinge angewendet, würde ihre Zahl wohl deutlich schrumpfen. In Jordanien besitzen fast alle der 2,2 Millionen Flüchtlinge einen jordanischen Pass.“

Doch geht es dem UNRWA überhaupt um eine „dauerhafte Lösung“? Während für das UNHCR die Inhalte der Genfer Flüchtlingskonvention aus dem Jahr 1951 als verbindlich gelten, wurde das UNRWA davon ausdrücklich ausgenommen. Als eines der vorrangigen Ziele nennt diese Konvention die Ermöglichung der Rückkehr in die Heimat oder – sofern dies nicht möglich ist – die Integration in das Gastland oder – ersatzweise – die Umsiedlung in ein Drittland.

Auch das Erreichen eines dieser Ziele hätte im Sinne einer „dauerhaften Lösung“ die Aberkennung des Flüchtlingsstatus und den Verlust der daran gebundenen finanziellen und weiteren Unterstützung zur Folge – weshalb weder die Palästinenser selbst noch die arabische Staatengemeinschaft ein Interesse daran haben.

Apropos finanzielle Unterstützung: Für das Jahr 2023 hat das UNRWA ein Budget in Höhe von 1,63 Milliarden US-Dollar veranschlagt, wovon über die Hälfte (848 Millionen US-Dollar) in die Erreichung der Kernziele des Programms fließen sollen.

Zum Vergleich: Das Budget des UNHCR für das Jahr 2023 liegt bei rund 10,4 Milliarden Euro. Den 5,8 Millionen Palästinensern, die vom UNRWA betreut werden, stehen beim UNHCR gemäß UNO-Angaben (Stand: Ende 2022) jedoch 112,6 Millionen weltweite Flüchtlinge gegenüber. Pro Kopf gibt die „Weltregierung“ beim UNHCR also 92 US-Dollar aus, während es beim UNRWA schon 281 US-Dollar sind, also mehr als dreimal so viel.

Vor diesem Hintergrund ist es noch bezeichnender, dass Deutschland und weitere westliche Regierungen auf den Hamas-Terror vom 7. Oktober 2023 mit einer Vervielfachung ihrer Hilfen für den Gazastreifen reagierten – obwohl jedem, der es auch sehen will, klar sein muss, wohin diese Gelder in allererster Linie fließen.

Naher Osten anno 1949 - Große Vertreibung oder freiwilliger Exodus?

Der wohl entscheidende Ausgangspunkt für die Situation im Nahen Osten ist die Staatsgründung Israels im Mai 1948 sowie der unmittelbar folgende Unabhängigkeitskrieg, den der jüdische Staat gegen die angreifenden Nachbarn aus Ägypten, Jordanien, Syrien, Libanon und dem Irak zu führen hatte.

In den Monaten danach verließen rund 700.000 Araber ihre bisherige Heimat. Die Palästinenser bezeichnen dieses Ereignis bis heute als „Nakba“, die „Große Vertreibung“ also. Dem steht das von Israel gezeichnete Bild des freiwilligen Exodus gegenüber, da es die Araber ablehnt hätten, unter einer erwartbar jüdischen Regierung zu leben.

Die Wahrheit liegt, wie so oft, irgendwo dazwischen. Ja, es kam mit Sicherheit zu gewaltsamen Vertreibungen, die Siedlungspolitik Israels gilt bis heute in vielen Punkten als umstritten. Richtig ist aber auch, dass viele Araber – die heute als Palästinenser bezeichnet werden – sich aus freien Stücken für einen Neuanfang in einem der muslimisch geprägten Nachbarländer entschieden haben.

Tatsächlich sichert Artikel 11 der UNO-Resolution 194 den Palästinensern bis heute ein grundsätzliches Recht auf Rückkehr zu. Dieses ist jedoch an eine sehr entscheidende Bedingung geknüpft: „Flüchtlingen, die in ihre Häuser zurückkehren und mit ihren Nachbarn in Frieden leben wollen, soll dies zum frühestmöglichen Zeitpunkt erlaubt werden.“

Das Problem: Ein friedliches Zusammenleben mit jüdischen Nachbarn, wie es die oben zitierte Resolution ausdrücklich fordert, und der von nicht wenigen Arabern zum Ausdruck gebrachte Wunsch nach der Auslöschung Israels („Freies Palästina vom Fluss bis zum Meer“) schließen sich gegenseitig natürlich aus.

Eine dauerhafte und vor allem für alle Beteiligten zufriedenstellende Lösung des sogenannten „Nahost-Konflikts“ gleicht also weiter der Quadratur des Kreises und wird aller Voraussicht nach noch Generationen von Politikern und Diplomaten beschäftigen.

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

Bild: Anas-Mohammed/Shutterstock

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