So wird der linke Antisemitismus wieder salonfähig gemacht Solidarität mit Israel – nur ein Strohfeuer?

Von Kai Rebmann

Gut drei Wochen ist es her, dass Israel vom Terror der Hamas heimgesucht wurde. Von bis zu 1.400 toten Zivilisten und 240 in den Gazastreifen verschleppten Geiseln ist die Rede. Wurde das Bild in Politik, Gesellschaft und Medien in den ersten Tagen nach diesem Überfall noch von reflexartigen Solidaritätsbekundungen mit Israel bestimmt, hat sich der Wind inzwischen um nahezu 180 Grad gedreht.

Um es vorwegzunehmen: Ja, die humanitäre Lage in Gaza ist katastrophal. Und ja, auch unter den Palästinensern ist der Verlust unschuldiger Menschenleben zu beklagen. Fakt ist aber auch, dass die Hamas eben diese Kollateralschäden nicht nur in Kauf nimmt, sondern geradezu einkalkuliert – um, wenn schon nicht den militärischen, dann aber wenigstens den Propaganda-Krieg zu gewinnen.

Entgegen den Erwartungen zahlreicher Militär-Experten, die eine israelische Bodenoffensive binnen weniger Stunden – maximal aber Tagen – erwartet hatten, kam es dazu zunächst nicht. Stattdessen wurden Zivilisten aufgefordert, sich vom Norden in den Süden des Gazastreifens zu begeben. Die Hamas hat zahlreiche Bewohner dieser Gebiete teilweise gewaltsam daran gehindert, diesem Aufruf zu folgen.

Fakt ist außerdem: Die Kommando- und Schaltzentralen der Hamas wurden bewusst in Tunneln unter Schulen und Krankenhäusern eingerichtet, um die darüberliegende zivile Infrastruktur als Schutzschild zu benutzen.

Diese und weitere Tatsachen sind hinlänglich bekannt und wurden in den Tagen nach dem 7. Oktober auch in der Berichterstattung über die Eskalation im Nahen Osten entsprechend gewürdigt. Ebenso klar und unmissverständlich war die Ansage des durchaus umstrittenen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, dass die Hamas – und deren Unterstützer – „einen beispiellosen Preis“ bezahlen werden.

Radikale Linke gewinnt die Lufthoheit

Mit anderen Worten: Was seit einigen Tagen im Gazastreifen passiert, kann eigentlich niemanden überraschen. Die Welt sieht die Reaktion eines Staates, der sein grundsätzlich legitimes Recht auf Selbstverteidigung wahrnimmt. Ob dabei Maß und Ziel in einem zu rechtfertigenden Verhältnis stehen, darüber lässt sich – wie wohl bei jedem Krieg – mit Sicherheit trefflich streiten.

Dennoch fällt es auf, dass die Stimmung nicht zuletzt auch, aber nicht nur in Deutschland inzwischen wieder gekippt ist, wie Susanne Schröter in einem „Focus“-Interview zu bedenken gibt. Die Ethnologie-Professorin und Islamismus-Expertin benennt darin die Mechanismen, die es möglich machten, dass sich das Entsetzen über den Hamas-Terror und dessen offener Befürwortung auf deutschen Straßen binnen weniger Wochen – wenn nicht Tage – in Kritik am aktuellen Vorgehen Israels gewandelt hat.

 

Schröter wirft der deutschen Politik in Sachen Integration und Islam nicht weniger als „Komplettversagen“ vor. So sei über den „latenten Antisemitismus“ bei Migranten aus muslimisch geprägten Ländern „mit ihren teilweise rückwärtsgewandten religiösen Ansichten“ stets hinweggesehen worden. Die Professorin zielt damit offenbar ganz auf die Tatsache ab, dass antisemitische Straftaten in Deutschland per se dem rechten Spektrum zugeordnet werden.

Auch von den Bildern wie von der Sonnenallee zeigt sich die Professorin nicht wirklich überrascht. Der Hass auf Israel werde auch unter in Deutschland lebenden Arabern und Türken gepflegt, was bis in die Schulen hineinreiche, an denen jüdische Kinder gemobbt würden. Daran änderten auch politische „Sonntagsreden“ nichts. Direkt an Olaf Scholz (SPD) adressiert, fordert Schröter endlich „konkrete Maßnahmen“ und fragt: „Wann kommt denn nun das Verbot der Hamas-Helfer-Gruppe Samidoun?“ Ein solches hatte der Kanzler auch unter dem Druck der AfD in der Woche nach dem Hamas-Überfall angekündigt.

Schröter bleibt beim Beispiel Berlin-Neukölln und verweist auf ein dort geplantes Projekt, in dessen Rahmen Islamismus und Antisemitismus an Schulen bekämpft werden sollten. Die Reaktion der Politik: „Linke und Grüne im Senat haben dieses Vorhaben komplett eingestampft. Begründung: Das sei antimuslimischer Rassismus und Muslime würden unter Generalverdacht gestellt.“

Medien übernehmen antisemitische Narrative

Aber auch den Medien gibt die Expertin eine Mitschuld. So habe eine fehlgeleitete Rakete auf ein Krankenhaus in Gaza ausgereicht, um im aktuellen Konflikt eine Täter-Opfer-Umkehr einzuleiten. Die Behauptungen der Hamas seien „unhinterfragt“ übernommen und der Angriff „der israelischen Armee zur Last gelegt“ worden. Inzwischen versammelten sich deutsche Linke, Islamisten und marxistische Mitglieder der Palästinakomitees wieder geschlossen hinter ihrem gängigen Narrativ: „Die übermächtige israelische Armee bedroht die schutzlosen Palästinenser.“

Dabei würden wichtige Fakten ausgeblendet, wie Schröter beklagt: „Dass die Hamas diesen Krieg durch das Massaker provoziert hat. Dass sie die palästinensischen Bewohner im Gazastreifen als Schutzschilde benutzt. Dass sie Hilfsgelder für Waffen, Tunnelsysteme und das komfortable Leben der Elite verwendet, während es den Menschen in Gaza an allem fehlt. Dass sie schon Kinder so indoktriniert, dass sie sich wünschen, im Dschihad zu sterben.“

Die von Bund und Ländern eingerichteten Meldestellen gegen Diskriminierung sieht Schröter im Kampf gegen Israel- und Judenhass als ein stumpfes Schwert an, weil die Politik fälschlicherweise davon ausgegangen sei, dass es „Antisemitismus nur in rechtsradikalen Kreisen oder in der bürgerlichen Mitte“ gebe. In der Folge habe man „Antisemitismus in migrantischen und muslimischen Kreisen regelrecht tabuisiert, weil man Angst hatte, die Migrationspolitik infrage stellen zu müssen“.

„Juden zählen zu den Weißen, den Tätern“

Das Narrativ vom Juden als geborenem Täter, das dem linken Antisemitismus zugrunde liegt, passt ins Weltbild dieser Kreise. Für Teile der Linke, so die Überzeugung der Ethnologin, gibt es nur einen Übeltäter, der für alle Probleme dieser Welt verantwortlich ist: „Das ist der Westen, die Weißen, die Nachfahren oder angeblichen Nutznießer des europäischen Kolonialismus.“ Muslime hingegen würden per se als „schwarze oder indigene Menschen“ und damit als Opfer klassifiziert: „In dieser simplen Täter-Opfer-Dichotomie zählen die Juden zu den Weißen, den Tätern. Israel ist aus der kruden Perspektive ein Apartheidstaat, den es zu vernichten gilt.“

Dieser verqueren Logik begegnet Schröter mit einem Blick in die jüngere Geschichte des aktuellen Konflikts: „Israel hat 2005 alle jüdischen Siedlungen sowie alle administrativen und militärischen Einrichtungen aus Gaza abgezogen, um Frieden für das Land zu bekommen. Die Hamas hat Gaza danach nicht zu einem blühenden Gemeinwesen aufgebaut, sondern zu einer Militärstation, von der aus Israel permanent angegriffen wird.“

Die Lage im Westjordanland sei zwar komplizierter und werde auch innerhalb Israels kontrovers diskutiert, „von einem Apartheidstaat kann aber auch dort keine Rede sein“, wie die Expertin bekräftigt. In diesem Zusammenhang erscheint zudem der Hinweis angebracht, dass Israels Politik selbstverständlich – so wie die jedes anderen Staates – hinterfragt und gegebenenfalls auch kritisiert werden darf und an manchen Stellen vielleicht sogar muss.

Professorin steht unter Polizeischutz

Schröter warnt ausdrücklich davor, den Islamismus hierzulande als „Folklore-Erscheinung“ abzutun. Vielmehr sei er gerade für Einwanderungsgesellschaften wie Deutschland „ein großes politisches Problem“.

Aus ihrer eigenen Erfahrung weiß die Ethnologin zu berichten, dass linke Aktivisten und Professoren derartigen Warnungen an deutschen Universitäten immer wieder mit denselben Begriffen aus demselben „Schlagwort-Katalog“ zu begegnen versuchen: Offenheit, Diversität, Antidiskriminierung, Rassismus und so weiter.

Andersdenkende würden da schnell als „Nazi“ verunglimpft, so wie es Boris Palmer und ihr selbst nach einer gemeinsamen Veranstaltung an der Universität in Frankfurt/Main ergangen sei. Heute wisse sie jedoch, dass eben die Stimmen von damals „später Pro-Hamas-Demos in Frankfurt angemeldet haben“, sagt Schröter und ergänzt, „das sind Leute, die seit Jahren eine links-islamistische Allianz unterhalten“.

Die besagte Konferenz sei universitätsintern als „rassistisch“ eingestuft worden und selbst die Kollegen der eigenen Fakultät hätten sich von ihr distanziert, bedauert Schröter: „Dabei hatten wir ein breites Spektrum von Themen und Referenten, die auch politisch sehr unterschiedliche Positionen vertraten. Keiner von ihnen war auch nur im Entferntesten rassistisch.“

Migrationspolitik dürfe aber „nur unter dem Primat offener Grenzen diskutiert“ werden und wer etwas anderes sagt oder „realistische Lösungen anbietet“, werde sofort als Rassist denunziert. Viele Kollegen hätten dieser „perfiden Strategie“ nichts entgegenzusetzen und würden im Zweifel lieber den Mund halten – und das offenbar aus gutem Grund.

Schröter tut das nicht und wird deshalb beim Landeskriminalamt Hessen seit 2017 in einer „Gefährdungsstufe“ geführt, sprich, sie steht unter Polizeischutz: „Das war anfangs irritierend, aber inzwischen habe ich mich daran gewöhnt. Es ist jetzt auch keine große Sache. Immer, wenn ich öffentlich auftrete, muss die Polizei informiert werden. Manchmal passiert nichts, manchmal stehen dann Beamte vor der Tür. Ich fühle mich aber gut beschützt.“

Es ehrt Susanne Schröter, dass sie diesen Ball möglichst flachhalten will. Für das „beste Deutschland, das es je gegeben hat“, ist es aber nicht weniger als ein Armutszeugnis.

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

Bild: Dontworry CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

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