Kulturkrieg auf dem Weihnachtsmarkt: „Lumumba“ soll auf den Index Rassismus-Debatte um heiße Schokolade

Von Kai Rebmann

Es ist die wohl beliebteste Kakao-Variante für Erwachsene: Heiße Schokolade mit Rum, wahlweise auch mit anderen Spirituosen kombinierbar und in weiten Teilen Deutschlands auch als „Lumumba“ bekannt. Auch in diesen Tagen zählt das Heißgetränk neben Glühwein wieder zu den absoluten Klassikern auf unseren Weihnachtsmärkten.

Was hingegen nur wenige wissen: Der „Lumumba“ ist bzw. soll nach dem ersten Premierminister Patrice Émery Lumumba benannt worden sein. Das behauptet zumindest die Historikerin Annalena Schmidt aus Bautzen (Sachsen), die einst für die Grünen im Stadtrat saß.

Klarer Fall von Rassismus auf dem Weihnachtsmarkt also, findet jedenfalls die ehemalige Lokalpolitikerin. Via X ließ sie ihre Mitmenschen wissen: „Patrice Lumumba steht für die Unabhängigkeitsbewegung in Afrika! Er wurde erschossen! Und ihr benennt ‚Kakao mit Schuss‘ nach ihm!“

Wen Schmidt mit „ihr“ meint, geht aus dem Tweet nicht hervor. Fakt ist aber: Das beliebte Heißgetränk wird schon seit den 1960er-Jahren als „Lumumba“ getrunken. Es handelt sich also keineswegs um eine völlig neuartige Bezeichnung für ein Kult-Getränk.

Ob der unbekannte Namensgeber tatsächlich so zynisch war, wie die Historikerin es vermitteln will, oder eben dieser vermeintliche Zusammenhang nur geschickt konstruiert wurde, bleibt daher offen.

Hinrichtung durch Erschießungskommando

Zu den historischen Fakten: Patrice Émery Lumumba gilt als eine der wichtigsten Figuren der afrikanischen Freiheitsbewegung und trug in dieser Rolle maßgeblich dazu bei, die heutige Demokratische Republik Kongo aus der belgischen Kolonialherrschaft herauszuführen.

Zwischen Juni und September 1960 war er dann für wenige Wochen erster Premierminister des Landes, ehe er auf Betreiben Belgiens und der USA abgesetzt wurde. Am 17. Januar 1961 wurde Lumumba in Katanga und im Beisein belgischer Offiziere und Beamter von einem Erschießungskommando hingerichtet.

Die weit überwiegende Mehrheit der X-Nutzer scheint die Einschätzung der grünen Historikerin nicht zu teilen und hat demzufolge offenbar auch kein schlechtes Gewissen, weiterhin den „Lumumba“ zu schlürfen.

Ein Nutzer wundert sich: „Weil er erschossen wurde, ist das rassistisch? Da fällt mir jetzt auch nichts mehr ein. Außer, dass ich es wunderbar finde, ein Getränk nach einem wunderbaren Mann zu benennen.“ Zustimmung wird in weiteren Kommentaren geäußert, wonach bestimmt niemand „einen Kakao mit Schuss mit rassistischen Hintergedanken“ trinke.

Und auch über die Verfasserin des ursprünglichen Tweets hat sich die X-Community eine Meinung gebildet. Beispielhaft wird kritisiert: „Leute, die versuchen, alles mit Rassismus in Verbindung zu bringen, sind auch ein Problem.“

Cancel Culture der Kulturkrieger

Tatsächlich ist in den letzten Jahren ein zunehmender Hang zur Aufarbeitung des vermeintlich strukturellen „Alltags-Rassismus“ zu erkennen. Begriffe und Bräuche, an denen sich teilweise seit Jahrzehnten niemand gestört hat, rücken urplötzlich ins Visier der selbsternannten Bessermenschen.

Man kann diese Entwicklung mit Humor nehmen. So wie Harald Schmidt zum Beispiel, der selbst schon Opfer dieser neuartigen Cancel Culture geworden ist. Oder man könnte diese Auswüchse schlicht ignorieren, womit man diese grünroten Kulturkrieger auf der Suche nach ihren persönlichen 15 Minuten Ruhm wohl am härtesten treffen würde.

Andererseits ist die Prioritätensetzung bestimmter politischer Kreise aber immer wieder zu erstaunlich, um sie nicht ernst zu nehmen oder gar zu verschweigen. Es ist mehr als bezeichnend, dass Lokalpolitiker ausgerechnet in Zeiten, in denen sich die Deutschen auf ihren Weihnachtsmärkten so unsicher fühlen wie nie zuvor, lieber Scheindebatten um angeblich rassistische Heißgetränke führen wollen.

Annalena Schmidt wurde im Jahr 2018 ironischerweise zur „Botschafterin für Demokratie und Toleranz“ ernannt und ein Jahr später in den Stadtrat gewählt. Einen tiefen Einblick in ihr Demokratieverständnis gewährte die Grüne unter anderem im Juni 2020 mit folgendem Tweet: „Bautzen ist komplett im Arsch! Hier haben CDU, Grüne, SPD und Linke gemeinsam keine Mehrheit!“

Nur wenige Wochen später gab Schmidt Ende Juli dann bekannt, im Oktober 2020 nach Dresden zu ziehen und damit auch ihr Mandat im Stadtrat abzugeben – vor allem aufgrund ihrer „veränderten beruflichen Situation“, wie es damals offiziell hieß.

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

Bild: NatalyaBond/Shutterstock

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