Dass Politiker ausgebuht werden, ist nichts Neues. Helmut Kohl konnte ein Lied davon singen. Insofern wäre es eher eine Überraschung gewesen, wenn Bundeskanzler Olaf Scholz bei seinem Besuch bei der Handball-Europameisterschaft in Berlin nicht ausgepfiffen worden wäre – nachdem er sich dort lautstark vom Stadionsprecher ankündigen ließ. Auch, dass die Pfiffe heftig und eher lange waren, dürfte kaum überraschen angesichts der miserablen Zustimmungswerte für die Regierung im Allgemeinen und den Kanzler im Besonderen.
Was aber wirklich überrascht, das sind die Reaktionen des Deutschen Handballbundes (DHB) und der Medien. Die empfingen es offenbar als Majestätsbeleidigung, wenn Menschen ihren Unmut mit Politikern äußern – obwohl es in einer funktionierenden Demokratie die normalste Sache der Welt sein sollte.
Untertänigst bedauerte der DHB die Pfiffe. „Es tut mir leid für Herrn Scholz, dass er ausgepfiffen worden ist“, sagte DHB-Sportvorstand Axel Kromer bei einem Medientermin des Verbands am Montag: „Ich glaube, er hat trotzdem ein ganz tolles Spiel erlebt und er hat sich als wahrer Fan des deutschen Handballs präsentiert, was uns sehr gefreut hat.“
Generell sei es „überhaupt nicht schön, wenn unsere Gäste ausgepfiffen werden“, so Kromer laut dem Portal „sport1.de“. Er sei „froh, dass wir relativ schnell ein Tor erzielt haben, um den Fokus wieder auf das Sportliche lenken zu können“.
Was für Schleimer!
Schlimmer noch in diesem Metier aber war die einst konservative „Frankfurter Allgemeine“. Deren Autor Christian Kampf machte in seinem Kommentar keinen Hehl aus seiner Verachtung für den undankbaren Pöbel. Dass auch Leser seines Blattes darunter sein konnten, war ihm offenbar nicht bewusst.
Die Pfiffe könne man empfinden „als Ausdruck einer politischen (Un-)Kultur, die sich längst dort festgesetzt hat, wo man sich für die Mitte hält“, so Kampf – mit einem dezenten Hinweis darauf, dass die vermeintliche Mitte doch aus bösen, bösen Rechten bestehe.
Weiter schreibt der Bauchpinsler der Mächtigen in seinem Kommentar: „Man muss aus Pfiffen gegen einen Politiker keine Staatsaffäre machen. Aber das hätte man beim DHB, der sonst so viel Wert auf sein tolles Publikum legt, klarer benennen und sich distanzieren können. Dass bei der großen deutschen Sause ausgerechnet der deutsche Kanzler der einzige Gast ist, der stört, hinterlässt angesichts dieser Form und Phonstärke ein dumpfes Echo.“
Wie bitte? Der DHB hat so schon überreagiert. Hätte er einen Kniefall machen und öffentlich Abbitte leisten sollen?
Viele Leser der einst konservativen Zeitung fühlten sich vor den Kopf gestoßen – obwohl solche Töne inzwischen üblich sind in dem Blatt. Ein Leser kommentierte: „Sowas aber auch! Jetzt hat doch die SPD in den großen Koalitionen mit Mutti Merkel die Hilfen aller Art für die Geschundenen erhöht und immer noch was drauf gepackt. Aber diese Stadionpöbler schätzen das nicht einmal wert, was da in den durchgemachten Regierungsnächten und bei der Regierungsdemo alles geleistet wird. So gemein aber auch, jetzt wo der Spielführer angeschlagen ist wird er auch noch ausgepfiffen. Klarer Fall: alles rechtsunterwandert, Frau Faeser bitte kommen !“
Ein anderer Leser meinte: „Was soll dieser Kommentar? Bei Grossveranstaltungen und Konzerten ist es üblich, Beifall zu spenden, wenn man zufrieden ist. Ist man unzufrieden, wird gebuht oder gepfiffen. Da die Veranstalter entschieden hatten, Herrn Scholz über die Hallenlautsprecher zu begrüssen, wurde er Teil der Öffentlichkeit der Veranstaltung und entsprechend seinem ‚Standing‘ bei allen Meinungsumfragen ausgebuht. Mein Gott, Herr Kommentator, wir sind in einer Demokratie mit Meinungsfreiheit und da ist es eben keine Majestätsbeleidigung, einen unbeliebten Politiker auszupfeifen. Niemand hat ihn angegriffen oder auch nur behindert, was soll also Ihr Gegreine, werter Herr Kamp?“
Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
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