Ein Gastbeitrag von Fritz Vahrenholt
Zu Beginn des neuen Jahres freute sich Wirtschaftsminister Habeck über den im Jahre 2023 gestiegenen Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung. Doch Ende Januar präsentierten die vier Stromnetzbetreiber die böse Rechnung: Der Ausbau von Wind- und Solarkraftwerken führt immer häufiger dazu, dass bei Starkwind oder starker Sonneneinstrahlung mehr Strom produziert wird, als benötigt wird. Die Strompreise an der Börse sinken gen Null, aber die Windanlagenbetreiber bekommen 7,35 €ct/ kwh an garantierter Einspeisevergütung, die Solaranlagenbetreiber 11 bis 13 €ct/kwh.
Die Differenz gleicht der Bundeshaushalt aus Mitteln der Steuerzahler aus. Geplant waren hierfür im Haushalt 2024 10,6 Milliarden €. Auf Grund des häufigeren Überangebots ist die Einspeisevergütung immer öfter höher als der Börsenpreis und demzufolge steigt die Differenz und damit die Subvention der Wind- und Solaranlagenbetreiber in 2024 um sage und schreibe 7,8 Milliarden €.
Die Netzbetreiber strecken diese Summe vor und fordern sie nun vom Finanzminister ab, der hierfür kein Geld mehr im Haushalt hat. Denn das Verschieben von Milliardenschulden in den sogenannten Transformationsfonds, aus dem die Subvention bezahlt werden sollte, hatte das Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft. Zwar fließen in den Transformationsfonds die CO2-Abgaben der Bürger für die Gas- und Strom-Heizung, sowie für Benzin und Diesel, die CO2-Abgabe der Industrie und die angehobene Dieselsteuer der Bauern, aber das wird nicht reichen, den wertlosen Überschusstrom aus Windanlagen und Solaranlagen mit 18,6 Milliarden € zu bezahlen. Auf Grund des weiteren Zubaus wird dieser Betrag Jahr für Jahr weiter steigen, solange das Erneuerbaren Energien-Gesetz mit dem auf 20 Jahre garantierten Festpreis für die Einspeisung nicht geändert wird. Denn wie der folgenden Grafik zu entnehmen ist, geht das auch im Januar 2024 munter weiter. Wenn zuviel Wind- und Solarstrom (grün) im System ist, geht der Preis (rot) gen Null und die Rechnung wird an den Finanzminister weitergereicht.
Die Energiefachfrau Katrin Göring-Eckardt hatte unmittelbar nach der Stillegung der Kernkraftwerke im April 2023 geweissagt: „Der Strompreis wird natürlich günstiger werden, je mehr Erneuerbare wir haben“. Nun sind es 8 Milliarden mehr, die dem Steuerzahler aufgebrummt werden.
Die Systemkosten für Erneuerbare Energien steigen gewaltig
Aber damit sind wir noch nicht bei allen Kosten, die uns die Energieexpertin verschwiegen hat. Immer häufiger müssen auch bei überschiessender Windproduktion Anlagen abgestellt werden und der nicht produzierte Phantomstrom wird trotzdem bezahlt. Wenn Sie also durch Deutschland fahren und stellen fest, heute sind aber wieder ganz schön viele Windräder kaputt, müssen Sie wissen: Sie sind wahrscheinlich abgestellt, weil sonst zu viel Strom im System wäre. Für den Stillstand fliesst aber das Geld, als ob sie produziert hätten. Das waren im Jahr 2022 rund 1 Milliarde €. Die gesamten Netzanpassungsmassnahmen, die auf Grund der schwankenden Einspeisung Erneuerbarer Energien zur Frequenzstabilisierung erforderlich waren, betrugen in 2022 4,2 Milliarden. Dieser Betrag wird über die Netznutzungsgebühren von jedem Kunden bezahlt.
Aber auch die Netzausbaukosten steigen. Der auf Grund des Ausbaus der Erneuerbaren notwendige Ausbau der Hochspannungsleitungen soll 300 Milliarden bis 2045 kosten, die Kosten der Verteilnetze in Städten und Gemeinden 150 Milliarden €.
Einen Vorgeschmack davon bekommen wir alle ab dem 1. Januar 2024. Seitdem hat sich die Netznutzungsgebühr von 3,12 Cent je Kilowattstunde auf 6,43 Cent/kwh verdoppelt.Die Hochspannungsleitungen in den Süden werden nötig, um den weggefallenen Kernenergiestrom in Bayern und Baden-Württemberg zu ersetzen. Allerdings ist an rund 120 Tagen im Jahr auch im Norden kein Wind, so dass dann auch die Leitungen nicht viel nutzen. Hochspannungsleitungen sind kein ausreichender Ersatz für Kernkraftwerke.
Ganz schlaue Grüne schlagen daher vor, dass man in Bayern sehr viel mehr Windkraftwerke bauen möge. In Bayern ist aber die mittlere Windgeschwindigkeit deutlich geringer als im Norden. Normalerweise würde niemand auf die Idee kommen im windschwachen Bayern Windkraftwerke zu bauen, da sie nur halb so viel Strom produzieren können wie die gleichen Windkraftwerke im Norden. Daher haben die grünen Schildbürger im Wirtschaftministerium die Lösung geschaffen, dass Windkraftwerke in Bayern mit bis zu 55 % mehr Einspeisevergütung subventioniert werden.
Jedes Windkraftwerk in Bayern, das nur auf eine Windgüte von 50 % kommt, macht den Strompreis in Deutschland teurer, Denn es wird mit einem Festpreis für 20 Jahre von 1,55×7,35 €ct/kwh, das sind 11,4 €ct/kwh belohnt. Das ist dann die Windkraft-Beglückungsprämie der Schildbürger für Bayern. Besonders wirksam war diese Prämie offenbar bei der bayrischen Chemieindustrie, die sich massiv für Windkraftanlagen im Burghausener Chemiedreieck einsetzt. Wenn die Chemieindustrie diesen Strom direkt abnehmen würde und mit 11,4 €ct/kwh bezahlen müsste, wären diese „Unternehmen nicht insolvent, sie hören nur auf zu verkaufen“.
Biden stoppt Flüssiggasterminals für den Export nach Europa
Ende Januar verfügte US-Präsident Biden aus Klimaschutzgründen ein Moratorium für 17 weitere LNG-Exportterminals, darunter das im Bau befindliche größte LNG Terminal Calcasieu im Golf von Mexiko. Heute gibt es lediglich 7 LNG Terminals in den USA.
Vermutlich treibt den Präsidenten ein anderer Grund als der Klimaschutz an. Der zunehmende Export von LNG nach Europa könnte den Gaspreis in den USA ansteigen lassen. Denn am ersten Tage im Weißen Haus hatte er einen Bohrstopp für Fracking-Gas auf öffentlichem Grund verfügt. Wenn die Förderung nicht erhöht wird und mehr exportiert wird, steigt der Preis. Und das kann der Präsident im Wahlkampf nicht gebrauchen. Besonders betroffen von einem Stopp des weiteren Ausbaus des LNG-Exports ist Deutschland. 83 % des LNG an den vier deutschen Terminals stammen aus den USA. Bislang wurden nur insgesamt 7 Milliarden m3 in 2023 importiert. Zukünftig sollen es 30 Milliarden m3 werden, deren Lieferung aus den USA zumindestens fragwürdiger geworden sind. Betroffen könnten auch die geplanten Gaskraftwerke von RWE sein, die langfristige Verträge mit US-Gaslieferanten geschlosssen haben, ebenso BASF und INEOS (frühere Erdölchemie Dormagen). Bejubelt wurde die Entscheidung Bidens von Klimaaktivisten in den USA sowie der deutschen Greenpeace und der Deutschen Umwelthilfe.
Bleibt als letzte Hoffnung für die Strategie der Bundesregierung : Donald Trump. Der hatte im Vorwahlkampf in Iowa erklärt, dass er weitere Bohrungen und den Export durch weitere LNG Terminals nicht blockieren werde.
Ukraine stoppt den russischen Gastransit ab 31.12.2024
Auch auf der Pipelineseite droht Ungemach. Weitgehend ist unbekannt, dass immer noch 40 Milliarden m3 Erdgas über die Ukraine nach Europa geliefert wird, insbesondere nach Österreich, Slowakei und Ungarn. Der Vertrag läuft Ende 2024 aus.
Ende Januar erklärte die ukrainische Regierung, dass der Transitvertrag mit Russland nicht verlängert wird. Die ukrainische Regierung wird dann auf 1,3 Milliarden US-Dollar Transitgebühren verzichten.
Natürlich könnte Russland auch über die Yamal Pipeline (über Polen) oder gar die noch intakte Nordstream Leitung 2 liefern. Aber es ist völlig ausgeschlossen, dass die polnische oder die deutsche Regierung hierzu bereit wären.
Besonders hart getroffen wäre Österreich, dass noch immer 50 % seines Erdgasverbrauchs aus russisch-ukrainischen Pipelines bezieht. Ein geringer Teil könnte aus der russisch-türkischen Turkstream-Pipeline bezogen werden. Aber sie beliefert schon die Türkei und Südosteuropa und hat keine freien Kapazitäten.
Dass durch den ukrainischen Transitstopp auch Deutschland betroffen sein könnte, macht ein Statement von Wirtschaftsminister Robert Habeck deutlich. Er hatte bereits im Sommer 2023 auf einen Ausweg aus dem österreichischen Dilemma verwiesen: „Würde das russische Gas nicht in dem Maße nach Osteuropa kommen, wie es noch immer durch die Ukraine fließt, gilt, was europäisch verabredet wurde: Bevor die Leute dort frieren, müssten wir unsere Industrie drosseln oder gar abschalten.“
Deutschlands Industrie ist dann zwar nicht insolvent, hört aber auf zu produzieren.
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Fritz Vahrenholt ist Honorarprofessor an der Universität Hamburg im Fachbereich Chemie und war bis 1997 Umweltsenator der Freien und Hansestadt Hamburg. Von 1998 bis 2013 war er in Vorstandsfunktionen im Bereich der Erneuerbaren Energien bei der Deutschen Shell AG, der Repower Systems AG und der RWE Innogy. Der Sozialdemokrat war bis Ende 2019 Alleinvorstand der Deutschen Wildtier-Stiftung. Seine Bücher finden Sie hier:.
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