Spanien: Telegram-Sperre alternativlos? Wendehals-Tanz beim Nationalgericht

Von Kai Rebmann

Der beliebte Messengerdienst Telegram sollte in Spanien ab dem heutigen Montag gesperrt werden. So steht es in einer einstweiligen Anordnung, die der Nationale Gerichtshof am Freitag verkündet hat.

Mit dem Beschluss wurde der Klage mehrerer Medienunternehmen entsprochen – unter anderem Atresmedia, EGEDA, Movistar Plus und Mediaset – die sich durch die Verbreitung entsprechender Inhalte in ihren Urheberrechten verletzt sahen. Kritiker hingegen argwöhnten, dass die spanische Justiz die Vorwürfe als willkommene Gelegenheit sah, um unliebsame Stimmen mundtot zu machen.

Aus der Urteilsbegründung geht hervor, dass Richter Santiago Pedraz dabei nicht nur den eingeklagten Schutz von Urheberrechten im Blick hatte. Das Gericht habe demnach auch eine Abwägung zwischen Anonymität und Straflosigkeit im Internet zu treffen gehabt. Zuvor waren mehrere Amtshilfeersuchen der spanischen Ermittler bei den Behörden der Britischen Jungferninseln, wo der Messengerdienst seinen Sitz hat, zur Klärung der Identität hinter bestimmten Telegram-Konten erfolglos geblieben.

In der Folge bezeichnete Pedraz die Telegram-Sperre in Spanien am vergangenen Freitag noch als „notwendig, angemessen, verhältnismäßig und alternativlos“. Der Branchenverband Consejo General de Colegios Profesionales de Ingeniería Informática verwies dagegen auf andere Beispiele, bei denen derart drastische Maßnahmen ausgeblieben seien. So seien etwa Ermittlungen zu Kindesmissbrauch, Drogenhandel oder Terrorismus auf Instagram in der Vergangenheit ergebnislos im Sande verlaufen.

Auch einschlägig mit der Thematik befasste Juristen zeigten sich von der ursprünglichen Entscheidung aus Madrid überrascht. Eine generelle und „wahllose“ Sperre von Telegram in Spanien treffe alle rund 8,5 Millionen Kunden gleichermaßen, ohne dabei zwischen legaler und illegaler Nutzung des Dienstes zu unterscheiden. Das Urteil sei daher „unverhältnismäßig“ und lasse andere, weit mildere Möglichkeiten außer Acht.

Und jetzt die Kehrtwende! Wie aus heiterem Himmel verkündete der Nationale Gerichtshof am Montag, dass die wenige Tage zuvor beschlossene Telegram-Sperre in Spanien ausgesetzt sei, zumindest vorerst. Bemerkenswert: Der entsprechende Beschluss trägt die Unterschrift von Santiago Pedraz, von ausgerechnet jenem Richter also, der noch am Freitag eine völlig konträre Ansicht vertreten hatte.

In dem jetzt veröffentlichten Papier bittet das Gericht den Generalbeauftragten der Policía Nacional um einen Bericht über „die Funktionsweise der Anwendung und deren Bedeutung für spanische Telegram-Nutzer.“ Damit sei die zuvor verkündete Telegram-Sperre in Spanien ausgesetzt, könne aber jederzeit wieder in Vollzug gesetzt werden, wie es weiter heißt.

Diese Erklärung eröffnet die Fragestellung, auf welcher Grundlage der am Freitag verkündete Beschluss fußte. Wurden wirklich alle für und gegen einen derart massiven Eingriff der Freiheitsrechte sprechenden Argumente abgewogen – oder wurde die Möglichkeit dankbar genutzt, einen ohnehin schon umstrittenen Messengerdienst aus dem Verkehr zu ziehen? Zumindest soweit es dessen legale Nutzung betrifft, denn selbst eine offizielle Sperre ließe sich mit vergleichsweise geringem Aufwand umgehen.

Die Posse aus Spanien erinnert auch ein wenig an Nancy Faeser (SPD) und deren Umgang mit Telegram. Die Bundesinnenministerin, der bisweilen ein gestörtes Verhältnis zur Meinungsfreiheit nachgesagt wird, drohte in der Vergangenheit ebenfalls mit Sanktionen bis hin zu einer Sperre des Messengerdienstes. Telegram werde insbesondere von Rechtsextremisten und Verschwörungstheoretikern genutzt, so die Behauptung der Genossin, ohne diese jedoch mit handfesten Beweisen zu unterlegen.

Anders als zuletzt in Spanien ließ sich Telegram von dieser damals aus Berlin aufgebauten Drohkulisse beeindrucken und händigte vom Bundeskriminalamt in Wiesbaden angeforderte Nutzerdaten aus.

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