Von Kai Rebmann
Einerseits erscheint es müßig, über immer neue Enthüllungen aus den RKI-Protokollen zu berichten oder sich gar darüber aufzuregen. Mancher mag sich fast gelangweilt abwenden und sich denken: „Haben wir doch von Anfang an gewusst oder zumindest geahnt.“ Andererseits wäre es genau das, was sich die einstigen Akteure der Pandemie und heutigen Gegner einer Aufarbeitung derselbigen wünschen, wenn wir nicht fortlaufend über das berichten würden, was inzwischen schwarz auf weiß dokumentiert und für jedermann einsehbar ist.
Zu den wohl wichtigsten Fragen im Hinblick auf die Corona-Maßnahmen ab dem Frühjahr 2020 – neben der später forcierten Impfkampagne – gehörte von Anfang an die, weshalb das Handeln von Regierungen weltweit erstens in einem derartigen Einklang erfolgte und zweitens so stark an das erinnerte, was man bis dahin nur aus Fernost und insbesondere China kannte. Die Antwort liefert der Expertenrat im Protokoll aus einer seiner ersten Sitzungen. Am 14. Februar 2020 hieß es dazu:
„Auf Initiative der Leopoldina war der Kontakt zur Chinesischen Botschaft entstanden. Es wird nächsten Mittwoch ein Treffen mit der chinesischen Botschaft geben, um z.B. über Forschungsthemen und zukünftige Kooperation zu reden. BMG Bund [Bundesgesundheitsministerium] und Auswärtiges Amt sind über Treffen informiert. Darüber hinaus hat die Botschaft zugesagt, dass das RKI zukünftig das aktuelle Gesundheitskommissionspaket Chinas erhält.“ Um die bisweilen sehr merkwürdigen, aber auch vielsagenden Verstrickungen der Bundesregierung mit der Kommunistischen Partei Chinas im Zusammenhang mit Corona geht es auch in diesem Artikel.
Senioren hatten mehr Angst vor Maßnahmen als vor Corona
Dabei sollten die Maßnahmen doch nur zu unserem Besten sein. Insbesondere der angeblich unvermeidliche Schutz der vulnerablen Gruppen wurde stets betont. Dumm nur, dass die Angehörigen dieser Gruppe gar nicht so viel Angst vor diesem neuartigen Virus aus China hatten, wie ihnen die Regierungen zu machen versucht hat.
Aus der Sitzung vom 2. Mai 2020 wurde in den RKI-Protokollen vermerkt: „Kollateralschäden: Insbesondere alte und hochalte Personen in häuslicher Pflege oder entsprechenden Einrichtungen formulieren, dass sie die Kollateralschäden der sozialen und physischen Distanzierung als schlimmer empfinden als ihre Angst vor einem möglichen Tod an COVID-19.“
Nur zwei Tage später musste die Expertenrunde eingestehen, dass auch beim Umgang mit den Masken ein heilloses Chaos herrschte: „Anmerkung RKI: In dem BZgA Video [Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung] zur Mund-Nasen-Bedeckung gibt es Szenen, die Personen z.B. auf dem Fahrrad mit MNB zeigen. Dies kann eine falsche Botschaft senden. MNB sollen in geschlossenen Räumen getragen werden. Laut BZgA soll die Szene jemanden darstellen, der nicht mit dem ÖPNV, sondern mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt; sonst gibt es Szenen in geschlossenen Räumen. Viele Personen haben jedoch sowieso schon den Eindruck, dass das Corona Virus in der Luft schweben würde und es gibt viele Personen, die Maske auf dem Fahrrad tragen. Das Video vermittelt einen falschen Eindruck für die Bevölkerung. Das dauerhafte / vermehrte Tragen von Masken kann auch Schaden bringen.“
Schon wenige Wochen zuvor, bei einer Sitzung am 19. März 2020, wurde protokolliert, dass das RKI Masken zum Fremdschutz zwar als potenziell „sinnvoll“ ansieht, es aber „keine Empfehlung für die Gesamtbevölkerung“ geben solle. Dennoch wurden RKI-Chef Lothar Wieler, dessen Stellvertreter Lars Schaade und der damalige Bundesgesundheitsminister nicht müde, den vermeintlichen Nutzen von Masken auch im Freien zu betonen.
Politisches Wünsche im Kampf gegen die Realität
Zunehmend klar wird darüber hinaus, dass die Steuerung der Maßnahmen politischen Wünschen folgte und nicht wissenschaftlichen bzw. evidenzbasierten Notwendigkeiten. Bei der Ermittlung der ominösen 7-Tage-Inzidenz entsteht der Eindruck, dass diese den Verantwortlichen beim RKI aus dem Bundeskanzleramt und Bundesgesundheitsministerium in den Block diktiert wurden.
Über die Sitzung vom 7. Mai 2020 wurde festgehalten: „Aufgabe aus dem BMG: Wert 35/100.000 Einwohner (5 Fälle pro Tag, pro 7 Tage) ist vom BKAmt gewünscht, Schwelle soll in Karten abgebildet sein. Warnwert bevor die Schwelle 50/100.000 Einwohner mit den automatischen Maßnahmen erreicht wird.“
Das zweite Beispiel stammt aus der Sitzung vom 29. Juni 2020. Dort heißt es über die „Aktuelle Risikobewertung“ etwa: „Immer noch hohes Risiko, Vorgabe vom BMG: bis 1. Juli wird daran nichts geändert.“ Und weiter: „Der Satz: ‚Die Anzahl der neu übermittelten Fälle ist aktuell rückläufig‘ soll angepasst werden.“
Im Klartext: Die Risikobewertung musste auf „hoch“ gehalten werden, völlig unabhängig von der Anzahl der neu übermittelten Fälle – und zwar nach Vorgabe von Jens Spahn, dem damaligen Bundesgesundheitsminister. Die Realität musste vom RKI also an politische Erfordernisse „angepasst“ werden.
‚Impfstoffwirkung ist noch nicht bekannt‘
Als wären diese Enthüllungen über das Maßnahmen-Regime aus der absoluten Frühphase der Corona-Jahre nicht schon absurd genug, folgte ganz offenkundig auch die Impf-Kampagne allem – nur eben nicht wissenschaftlicher Evidenz. Das Handeln der hierfür verantwortlichen Akteure ist nach dem, was die RKI-Protokolle darüber enthüllen, bestenfalls noch als „fahrlässig“ zu bezeichnen.
So wusste man intern spätestens am 6. Januar 2021, also nur wenige Tage nach dem offiziellen Anlaufen der Kampagne, welche Folgen sich daraus ergeben würden: „Eine Zunahme von Varianten durch die Impfung ist zu erwarten.“ Es wurde sehenden Auges also ein Teufelskreis losgetreten, dem man später dann durch immer weitere „Booster-Impfungen“ gegen immer neue Varianten zu entkommen versuchte.
Doch selbst zu den kurzfristigen Effekten – positiver wie negativer Art – wusste man zu diesem Zeitpunkt nichts und zwar gar nichts. Am 8. Januar 2021 wurde zur „Evidenzlage“ niedergeschrieben: „Impfstoffwirkung ist noch nicht bekannt; Dauer des Schutzes ist ebenfalls unbekannt; Evidenz ist aktuell nicht genügend bezüglich Reinfektion und Ausscheidung (für Genesene und Geimpfte); es sind keine Ausbrüche bekannt, die von Reinfizierten ausgehen, diese scheinen nicht den gleichen Beitrag zur Gesamtausbreitung zu haben wie Erstinfizierte.“
Und es folgt ein Satz, dessen Sprengkraft größer wohl kaum sein könnte und der für sich selbst spricht: „Wir müssen noch Erfahrungen mit Geimpften sammeln.“ Wohlgemerkt, dieser Satz wurde am 8. Januar geäußert und protokolliert, also nach (!) der Zulassung der sogenannten Impfstoffe in der EU und nach (!) dem Start einer Kampagne, die an Abermillionen Menschen in Deutschland und auf der ganzen Welt adressiert war.
Hier geht es zu den bisher entschwärzten RKI-Protokollen
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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