Vielleicht haben Sie schon davon gelesen, dass Brandenburgs AfD-Chef Christoph Berndt bei einer Diskussion der Spitzenkandidaten im Potsdamer Hans-Otto-Theater am Sonntagabend vorzeitig die Runde verlassen hat. Der Grund: Er warf den Moderatoren von den „Potsdamer Neuesten Nachrichten“, die zum linken Berliner „Tagesspiegel“ gehören, vor, sie hätten ihn zu wenig zu Wort kommen lassen. Details dazu finden Sie hier in einem Bericht der „Jungen Freiheit“.
Mir geht es hier und heute nur um einen Teilaspekt der Veranstaltung – der in den Berichten nur mit einem Satz oder einem Halbsatz auftaucht. Aber den ich für sehr richtig halte, und der mich sehr erschüttert hat.
Als der AfD-Mann Berndt zu dem von seiner Partei geforderten „Betretungsverbot“ für Asylbewerber auf Stadtfesten sagte: „Wollen Sie weiter zusehen, dass Leute abgeschlachtet werden?“ gab es Buhrufe aus dem Publikum. An dieser Stelle zuckte in mir förmlich alles zusammen. Mein erster Gedanke: „Unfassbar! Die ideologische Verblendung geht so weit, dass sich die Menschen eher abstechen lassen, als von der reinen rot-grünen Lehre abzuweichen – oder von dem Opportunismus, der vor dieser Lehre Männchen macht.“
Ich überlegte dann noch weiter. Natürlich kann man argumentieren, dass ein solches Verbot diskriminierend wäre. Es stellt Menschen aufgrund ihrer Herkunft unter Generalverdacht, was die fundamentalen Prinzipien der Gleichheit und Fairness infrage stellt, könnte man sagen. Und argumentieren: Diskriminierung ist nicht hinnehmbar, und solche Maßnahmen sind in einem demokratischen Rechtsstaat problematisch.
Es gibt aber auch gute Argumente für die Gegen-Position: Asylbewerber unterliegen oft bereits einer Residenzpflicht. Sie sind an bestimmte Wohnorte oder Regionen gebunden, in denen sie sich aufhalten dürfen. Die Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit ist also nichts Neues, sondern ein Instrument, das aus bestimmten Gründen eingesetzt wird. Wenn der Staat diese Menschen aufnimmt, versorgt und unterbringt, ist es nicht zu viel verlangt, ihnen auch bestimmte Regeln und Einschränkungen aufzuerlegen, wenn es der Sicherheit aller Bürger dient.
Ein Asylbewerber, der in einem vorläufigen Status lebt und von staatlicher Unterstützung abhängig ist, muss sich darauf einstellen, dass er nicht dieselben Freiheiten genießt wie ein langjähriger Bürger dieses Landes. Solche Maßnahmen als „Diskriminierung“ abzutun, ohne die Sicherheitsaspekte zu berücksichtigen, ist nichts anderes als eine ideologische Verengung des Diskurses. Und der muss offen geführt werden, ohne Scheuklappen und „Buh“-Rufe.
Verblendet vom Dogma
Bei dem Zwischenfall in Potsdam stellt sich für mich auch die Frage, ob es sich bei denjenigen, die zu solchen Podiumsdiskussionen gehen, tendenziell eher um besser betuchte, akademische Bürger handelt – Menschen, die vermutlich selten auf Stadtfeste gehen und deren Alltag weniger von derartigen Sicherheitsfragen betroffen ist. Für sie mag die Gefahr fern erscheinen, weil sie selbst nicht in den sozialen Brennpunkten leben oder auf Stadtfesten unterwegs sind, weil sie mit dem Taxi fahren statt mit dem öffentlichen Nahverkehr. Die Sorge um die Sicherheit ist dann leicht abzutun, wenn man selbst nicht direkt betroffen ist. Aber für andere Menschen – jene, die tatsächlich auf diesen Festen unterwegs sind – sieht die Realität anders aus.
Doch man muss noch tiefer bohren. Was mich an dieser Szene so schockiert, ist, dass der Versuch, Lösungen für reale Gefahren wie die wachsende Messergewalt zu finden, mit größerem Zorn und mehr Empörung aufgenommen wird als die Gewalt selbst. Die Buhrufe im Saal zeigen: Es scheint, als ob die moralische Entrüstung über einen „politisch unkorrekten“ Vorschlag weit stärker ist als die Besorgnis über die Opfer von Gewalt. Es ist ein klassischer Fall von ideologischer Verblendung.
Max Frisch hat dieses Phänomen in seinem Stück „Biedermann und die Brandstifter“ treffend beschrieben (nachzulesen hier). Die Biedermänner, die brav und blind auf ihre Prinzipien pochen, lassen die Brandstifter gewähren, bis es zu spät ist. Statt gegen die Brandstifter vorzugehen, wird jeder Versuch, die Gefahr zu benennen und zu bekämpfen, als „unangemessen“ oder „übertrieben“ gebrandmarkt. Und die Warner beschimpft und diffamiert. Das ist genau das, was wir in dieser Situation erleben.
Anstatt die Diskussion sachlich zu führen und darüber nachzudenken, ob bestimmte Vorschläge – wie gut oder schlecht sie auch sein mögen – der Sicherheit dienen könnten, reagiert ein Teil der Gesellschaft reflexartig mit Ablehnung und Empörung. Der Feind ist nicht die Gewalt, sondern jeder, der es wagt, aus der politisch korrekten Linie auszuscheren.
Mehr Empörung über Worte als über Gewalt
Für mich ist das immer noch schwer zu fassen: Warum empört viele Menschen die Idee eines Betretungsverbots für Asylbewerber auf Stadtfesten mehr als die Tatsache, dass Menschen dort mit Messern angegriffen und getötet werden? Warum sind diese Menschen schneller bereit, jemanden niederzubuhen, der auf die Gefahr hinweist, sich gegen die Gefahr selbst zu wehren? Wer sich mehr über die Wortwahl eines Politikers aufregt als über die Gewalt auf den Straßen, der hat die Orientierung verloren.
Doch das eigentliche Problem liegt noch tiefer: Es ist die kollektive Verdrängung in Politik, Medien und Teilen der Gesellschaft, die unser Land lähmt. Diese Realitätsallergie, dieses bewusste Wegsehen und Ignorieren der Fakten, ist letztlich gefährlicher als die Messer selbst. Denn die Gewalt könnte bekämpft werden, wenn man die Realität anerkennen und sich ihr stellen würde. Doch stattdessen tauchen weite Teile der Gesellschaft in eine Parallelwelt ab, in der Probleme, die nicht ins eigene ideologische Weltbild passen, schlicht nicht existieren. Das ist die wahre Bedrohung – und solange diese Verdrängung weitergeht, wird sich an der Gewalt auf unseren Straßen nichts ändern.
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