Schon wieder Fußball? Schon wieder Sandro Wagner? Das werden Sie jetzt vielleicht sagen – aber bevor Sie den Stab brechen und weiter klicken, geben Sie mir eine Chance. Denn in diesem Text geht eigentlich gar nicht um Fußball – sondern um ein Phänomen, das unsere ganze Gesellschaft erfasst hat – und nur in diesem konkreten Fall besonders deutlich wird. Es geht um Realitätsverweigerung, die Überzeugung, die Wirklichkeit werde sich schon irgendwie den eigenen Wunschvorstellungen fügen, um Medien, die all das bejubeln und mit fliegenden Fahnen mitmachen, ohne einen Hauch von Selbstkritik zu zeigen. Und es geht darum, dass dies in einem Ergebnissport wie Fußball rechtzeitig an der Realität scheitert – in der Politik aber leider wohl erst, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Was wir gerade erleben.
Was ist passiert? Sandro Wagner, 38, ehemaliger Nationalstürmer, TV-Experte und Lieblingsschüler von Julian Nagelsmann, hat noch keinen einzigen Erst-, Zweit- oder Drittligaklub trainiert. Seinen Trainerschein macht er gerade erst fertig. Trotzdem haben ihn die Medien zur Zukunftshoffnung des deutschen Fußballs hochgeschrieben – eloquent, ehrgeizig, fotogen. Ein Mann, der wie geschaffen scheint für die Ära des schönen Scheins: mehr Rhetorik als Realität, mehr Wirkung als Wirken. Schon als Spieler war Wagner berüchtigt für große Worte und überschaubare Resultate. Nun erging es ihm als Trainer nicht anders – ein Produkt des modernen Funktionärsdenkens, das lieber Visionen honoriert als Ergebnisse. Wie bei manchen Grünen-Politikern reicht heute Haltung statt Handwerk, Überzeugung statt Qualifikation. Hauptsache fotogen, Hauptsache cool, Hauptsache Schein – Substanz ist zweitrangig (siehe meine Artikel „‚Das Habeck-Prinzip‘ – Wenn Scheitern zum Gütesiegel wird“ und „Sandro Wagner und der deutsche Realitätsverlust“).
Doch die desolaten Resultate machten schnell deutlich: Der vermeintliche Fußball-Kaiser war nackt. Nur vier Siege, ein Unentschieden und neun Niederlagen in 14 Pflichtspielen, darunter extrem peinliche Klatschen wie ein Heimdesaster von 0:6 gegen Leipzig oder das Ausscheiden im DFB-Pokal gegen den Vorletzten der Zweiten Liga. Das Frappierende – von der „Augsburger Allgemeinen“ über die „Bild“ bis hin zum „Kicker“ gab es bis zuletzt mehr Hofberichterstattung als Klartext.
Wagner selbst beschwichtigte, redete die Misserfolge klein, erklärte, es liege an „individuellen Fehlern“, alles laufe prima, man sei „auf dem richtigen Weg“ – und wurde in dieser Selbsttäuschung von weiten Teilen der Medien noch gedeckt. Die Journalisten agierten als Brandbeschleuniger und Echokammer statt als Korrektiv. Das fatale Ergebnis: Statt Analyse: Ausreden. Statt Kurskorrektur: Durchhalteparolen. Ein toxisches Zusammenspiel aus Eitelkeit, Naivität und Medienverblendung, das in der Politik längst zur Systemkrankheit geworden ist.
Doch weil im Fußball anders als in der Politik die Resultate sofort kommen, kam das Ende von Wagner viel schneller, als die Medien dachten – und so waren sie am Montag überrascht, als der FCA die Trennung von Wagner bekannt gab. „Im beiderseitigem Einvernehmen“, wie es hieß. Während auch der erneuten Niederlage am Samstag gegen Hoffenheim die Vereinsführung erst noch ihre Loyalität beteuerte und die Medien weiter vermieden, Klartext zu schreiben und das ganz offensichtliche Desaster beim Namen zu benennen, war keine 48 Stunden später Schluss.
Sportdirektor und Geschäftsführer stellten ihm am Montag in einer Dreier-Runde laut „Bild“ die Frage: „Glaubt er, dass er weiter der richtige Trainer für die Mannschaft sei? Als Wagner nicht mit Ja antwortete, war allen klar: Es ist vorbei.“
Denn wenn ein Trainer auf diese entscheidende Frage – „Bist du noch der Richtige für diese Mannschaft?“ – nicht mit einem klaren Ja antwortete, ist in der Trainersprache so gut wie eine Rücktrittserklärung. Der Verein musste nicht mehr viel entscheiden, nur noch reagieren. Und das tat er – und zwar mit mehr Konsequenz, als man es von der Politik kennt.
Wagner hat mit seiner Einsicht Habeck, Baerbock, Klingbeil, Heil & Co. etwas voraus – die glauben immer noch, die Richtigen zu sein. Und anders als der FCA glauben viele Wähler immer noch, die richtige Regierung zu haben. Natürlich kam die Einsicht bei Wagner und beim FCA nicht freiwillig, sondern weil die fatalen Ergebnisse anders als in der Politik klar von einer Tabelle abzulesen und nicht dauerhaft medial schöngeredet werden konnten. Dank dieses Umstandes sind Wagner und FCA jetzt erlöst – anders als unser Land.
„Bei Wagner soll in den letzten Partien die Erkenntnis gereift sein, dass der Kader nicht über die nötige Qualität verfüge, um seine Auffassung von Fußball umzusetzen“, schreibt die „Bild“. Dabei war das von Anfang an klar. Man hätte nur hinsehen müssen. Doch wie ein Großteil der Wähler in Deutschland der rot-grünen Ideologie lange verblendet hinterher lief, so lief auch Augsburgs Geschäftsführung der Wagner-Utopie hinterher. Und träumte davon, die graue Maus Augsburg zu einer schmucken Fußball-Macht aufzupolieren.
Da liegt der Kern des Problems – und seines Scheiterns: Wagner kam nicht als Analyst, sondern als Heilsbringer, ja Erlöser. Dass die Spieler nicht zu seinem Konzept passten? Geschenkt. Dass Augsburg eben nicht München oder Leipzig ist? Nebensache.
Wagner ist, und auch da gehen die Parallelen mit Habeck & Co weiter, vor allem ein Medienphänomen. Er galt als Hoffnungsträger einer neuen Trainer-Generation – modern, selbstbewusst, locker. Nun scheitert er mit einem Knall – und reißt ein ganzes Narrativ mit sich. Denn sein Scheitern ist auch ein Offenbarungseid dieser Medien. Die Kollegen müssten erkennen: Sie haben eine Projektionsfläche gefeiert. Genauso wie ihre Kollegen in den Politik-Ressorts.
Mein Fazit: Ob auf dem Rasen oder im Parlament – man entwirft ein Idealbild, eine „Vision“, ein Hochglanzkonzept – und wenn es dann kracht, liegt’s nie am Konzept, sondern immer an der Realität. Oder wie Habeck sagen würde: „Die Wirklichkeit ist kaputt.“
Wie nennt man ein Konzept, das gut gemeint, aber völlig untauglich ist – und trotzdem mit missionarischer Inbrunst verkauft wird? Wagners Offensivfußball war wie eine grüne Wärmepumpe – gut gemeint, teuer, nicht funktionstüchtig, aber mit maximalem Sendungsbewusstsein verkauft. Und wehe, einer widerspricht – der ist dann „strukturpessimistisch“ oder „Zweifler“ (oder wird nicht zur Pressekonferenz zugelassen, wie ich – siehe hier).
Am Ende merken alle: Die Mannschaft (bzw. das Land) kann das Tempo nicht mitgehen. Im Ergebnissport wird wenigstens „aus beiderseitigen Einvernehmen“ der Stecker gezogen. In der Politik darf die SPD dank „Brandmauer“ das Land weiter gegen die Wand fahren – nur jetzt unter CDU-Deckmantel.
Der FC Augsburg hat reagiert. Deutschland nicht.
Im Fußball fliegt der Trainer. In der Politik wird er Vizekanzler, Ministerpräsident oder Kanzlerkandidat – je nach Schadensbilanz.
Der FCA hat jetzt Manuel Baum. Deutschland hat weiter Friedrich Merz, Lars Klingbeil, Bärbel Bas und Jens Spahn.
Im Fußball wird die Notbremse gezogen. In der Politik rast man weiter – mit Ideologie als Navi und medialen Claqueuren als Beifahrer.
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