Wladimir Kara-Mursa kenne ich von mehreren Begegnungen. Der 41-Jährige mit dem jugendlichen Charme war auch schon zu Gast in der Fernsehsendung, die ich früher im russischen Exil-Sender „OstWest“ in Berlin moderierte. Mit seinem Anwalt Wadim Prochorow bin ich befreundet. Kara-Mursa, Vater dreier Kinder, ist für mich ein Musterbeispiel an Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit. Einer, der immer den geraden Weg geht. Er machte mobil gegen die korrupten Beamten und Richter, die den Moskauer Anwalt Sergej Magnitski im Gefängnis faktisch zu Tode foltern ließen, nachdem er korrupte Machenschaften im Staatsapparat aufgedeckt hatte. Zweimal wurde Kara-Mursa vergiftet.
Jetzt hat ihn ein Moskauer Gericht in einem Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu 25 Jahren Lagerhaft unter erschwerten Bedingungen verurteilt. Für „Hochverrat“, „Verbreitung von Falschaussagen über die russische Armee“ sowie für „Führung einer unerwünschten Organisation“. Der angebliche „Hochverrat“ bestand darin, dass er im Westen öffentlich über die Korruption innerhalb der russischen Machtelite und Kriegsverbrechen in der Ukraine informierte – was in seinen Augen seine Bürgerpflicht war. Kara-Mursa wurde für nichts anderes als Regierungskritik zu einem Viertel Jahrhundert Gefängnis verurteilt und soll damit länger hinter Gittern bleiben, als es ein durchschnittlicher Mörder in Deutschland muss – der nach 15 Jahren auf eine Freilassung hoffen kann.
Besonders pikant: Der Richter, der das Urteil fällte, Sergei Podoprigorow, ist einer jener Justizbeamten, die wegen der Aktivitäten des Angeklagten im Fall Magnitski auf die Sanktionslisten im Westen kam. Einen Befangenheitsantrag gegen sich wies er einfach selbst zurück – mit dem Hinweis, er sei nicht befangen. Der Staatsanwalt warf Kara-Mursa in Stalinscher Tradition vor, er arbeite für die Geheimdienste der USA und von Großbritannien.
In seinem letzten Wort bekannte sich Kara-Mursa, der neben der russischen auch die britische Staatsangehörigkeit hat und dessen Vorfahren schon unter Stalin politisch verfolgt worden, zu dem, was ihm die Staatsanwaltschaft vorwarf. Er sei stolz auf seine Kritik an der Regierung und Oppositionsarbeit und sehe sie als seine Pflicht, nicht als Verbrechen, so der Tenor seiner Aussage. „Ich habe mir nur eines vorzuwerfen: dass es mir in den Jahren meiner politischen Tätigkeit nicht gelungen ist, meine Landsleute sowie die Politiker demokratischer Länder von der Gefahr zu überzeugen, die das gegenwärtige Regime des Kremls für Russland und die Welt darstellt. Heute ist das für jeden offensichtlich, aber der Preis dafür ist schrecklich: Es ist der Preis des Krieges“, sagte Kara-Mursa.
Laut seinen Anwälten hat er im Gefängnis bereits 17 Kilogramm abgenommen. Laut Anwalt Prochorow leidet er an einer Erkrankung des Nervensystems, die zu einer teilweisen Taubheit der Beine führt. Die Krankheit gelte in Russland offiziell als Grund für eine Haftverschonung, bei Kara-Mursa werde diese Vorschrift aber ignoriert. Bereits infolge der beiden Vergiftungen sei der 41-Jährige bereits vor der Festnahme im April vergangenen Jahres schwer angeschlagen gewesen. 25 Jahre Lagerhaft unter erschwerten Bedingungen – wie das Urteil lautet – werde Kara-Mursa nicht überleben, heißt es aus seinem Umfeld.
Doch brechen lässt er sich nicht. Er hatte keine Illusionen, was das Urteil angeht. Und direkt nach der Verkündung sagte er kämpferisch in dem Käfig, in dem er im Moskauer Stadtgericht vor seinem Richter stand: „Russland wird frei sein. Sagt es allen!“
Kara-Mursas Frau Jewgenija sagte dem Sender „Radio Liberty“, bei dem Urteil gehe es zum einen um persönliche Rache wegen der personenbezogenen Sanktionen, an denen ihr Mann einen wesentlichen Anteil habe. Zum anderen gehe es darum, mögliche Nachahmer einzuschüchtern und das Klima der Angst in der russischen Gesellschaft noch weiter zu verschärfen. Erst kürzlich wurde ein Alleinerziehender zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt und seine Tochter in ein Kinderheim gegeben, nur weil das Kind in der Schule ein Anti-Kriegs-Bild gemalt hat. Das ist nur die Spitze des Eisbergs von drastischen Fällen; wer den Krieg als Krieg bezeichnet, muss in Russland mit Gefängnis rechnen.
Bei aller nötigen und berechtigten Kritik an den Zuständen in Deutschland, bei der ich an vorderster Reihe stehe: Was bei uns im Argen liegt, ist keine Rechtfertigung dafür und darf auch nicht als Relativierung dafür missbraucht werden, wie in Russland der Staat die eigenen Bürger (und ein Nachbarland) terrorisiert und in Denkweisen und Methoden zurückfällt, wie sie unter Stalin bekannt waren. So desolat die Zustände bei uns sind und so schlecht es hierzulande um die Meinungsfreiheit bestellt ist – diese zu instrumentalisieren, um Putins Gewaltherrschaft schönzureden, ist fatal. Genauso wie umgekehrt, also mit den Zuständen in Russland die Probleme bei uns zu bagatellisieren (Motto: „geh doch nach Russland!“). Leider gibt es viel zu viele Menschen auf beiden Seiten der politischen Front, die sich an dieser Relativierung beteiligen. Unrecht bleibt Unrecht und wird nicht durch Unrecht anderswo oder schwereres Unrecht aufgewogen.
Ausschreibung zur Fahndung durch die Polizei, Kontenkündigungen, Ausschluss aus der Bundespressekonferenz: Wer in Deutschland kritisch berichtet, sieht sich Psychoterror ausgesetzt. Und braucht für den Spott der rot-grünen Kultur-Krieger nicht zu sorgen. Ich mache trotzdem weiter. Auch, weil ich glaube, dass ich Ihnen das schuldig bin. Entscheidend fürs Weitermachen ist Ihre Unterstützung! Sie ist auch moralisch sehr, sehr wichtig für mich – sie zeigt mir, ich bin nicht allein und gibt mir die Kraft, trotz der ganzen Schikanen weiterzumachen! Ganz, ganz herzlichen Dank im Voraus für Ihre Unterstützung, und sei es nur eine symbolische!
Aktuell sind (wieder) Zuwendungen via Kreditkarte, Apple Pay etc. möglich – trotz der Paypal-Sperre: über diesen Link. Alternativ via Banküberweisung, IBAN: DE30 6805 1207 0000 3701 71. Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut.
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