Heute vor 90 Jahren wurden in 19 deutschen Universitätsstädten Bücher von 150 Schriftstellern ins Feuer geworfen. Darunter Werke von Heinrich Heine, Kurt Tucholsky, Franz Kafka, Erich Kästner, Bertolt Brecht und vielen anderen. Die Buch-Mörder schrien Parolen wie „Wider den undeutschen Geist“. Die Bücherverbrennungen waren der Höhepunkt einer Aktion unter dem gleichnamigen Motto, mit dem die Nationalsozialisten seit der Machtergreifung im Januar 1933 gegen Andersdenkende hetzten. Zentrale Stelle des Kampfes gegen die geistige Freiheit war der Opernplatz in Berlin, der inzwischen in Bebelplatz umbenannt wurde. Joseph Goebbels selbst führte dort das Zepter, hetzte in der ihm eigenen, gruseligen Manier. Erich Kästner stand selbst mit in der Menge und musste mit ansehen, wie seine eigenen Werke brannten. Was für unheimliche Szenen!
Unter dem Motto „nie wieder“ wird seither jährlich der Bücherverbrennung gedacht. Ich habe lange geglaubt, dass die Deutschen die Lektion aus den unvorstellbaren Verbrechen des Nationalsozialismus und auch der Bücherverbrennung gelernt haben. Und ich habe mich furchtbar geirrt, wie die vergangenen Jahre gezeigt haben. Und insbesondere die Corona-Politik.
Die richtige Lehre wäre es, dass nie mehr Menschen mit anderer Meinung mundtot gemacht, diffamiert, ausgegrenzt und mit Hetze überzogen werden dürfen – weil der Nationalsozialismus zeigt, zu welchen schrecklichen Folgen das in letzter Konsequenz führen kann.
Doch eine Mehrheit der Deutschen, zumindest in Politik und Medien, hat die umgekehrte Lehre aus den Verbrechen des Nationalsozialismus gezogen: Dass man Menschen mit anderer – aus ihrer Sicht falscher – Meinung mundtot machen, diffamieren, ausgrenzen und mit Hetze überziehen muss.
Wie sehr sie damit in der geistigen Tradition derer, die sie zu bekämpfen glauben, stehen, wird den vermeintlichen „Nazi-Jägern“ vor lauter ideologischer Verblendung gar nicht bewusst.
Gruselige Entwicklung
Dass ausgerechnet in Deutschland Jahrzehnte nach der Bücherverbrennung Menschen mit „falscher“ Meinung wieder reihenweise zensiert, schikaniert, entmenschlicht und verhetzt werden, dass Buchhändler wieder Bücher sortieren, um politisch „unreine“ Bücher aus dem Sortiment zu halten, ist unerträglich. Die Denk- und Verhaltensmuster haben sich leider, anders als erhofft, nur wenig geändert – nur die Erscheinungsformen und vor allem die Lackierung sind andere.
Bundesjustizminister Marco Buschmann von der FDP twittere heute: „Vor 90 Jahren verbrannten die Nationalsozialisten Tausende Werke herausragender Autoren. Der NS-Diktatur ging es um die Auslöschung unliebsamen Gedankenguts – doch die #Bücherverbrennungen offenbaren ebenso die Furcht des Totalitarismus vor der Kraft der freien Meinungsäußerung.“
Alexander von Hohenberg kommentierte diesen Post auf Facebook wie folgt: „Marco Buschmann, Fan des Zensurgesetzes „NetzDG“, verurteilt andere mit gleichem Geiste.“
Bizarre Realitätsverweigerung
Im Gegensatz zu seinen Regierungspartnern von der SPD und den Grünen dürfte Buschmann zwar zu den noch halbwegs liberalen Politikern gehören. Dass er aber gar nicht merkt, wie sehr seine Aussage nicht nur auf die Vergangenheit zutrifft, sondern auch Parallelen zur Gegenwart bestehen, ist geradezu tragikomisch.
Und es ist auch die Folge eines weiteren Versagens in der – vermeintlichen – deutschen Vergangenheitsbewältigung. Sie ist ganz auf die schlimmsten Auswüchse des Nationalsozialismus fixiert und vernachlässigt dabei einen entscheidenden Punkt: Wie die Anfänge waren und warum der Boden so fruchtbar war für all den späteren Schrecken.
Wer unsere Gesellschaft mit den späteren Phasen der Nazi-Zeit vergleicht, kommt völlig zu Recht zu dem Schluss, dass der Unterschied kaum größer sein könnte. Wer hingehen der Frage nachgeht, durch welche Geisteshaltung der Aufstieg der Nazis und ihrer Macht möglich wurden, der wird viele Parallelen finden.
Doch genau diese entscheidende Einsicht ist heute geradezu tabuisiert.
90 Jahre nach den Bücherverbrennungen ist der Geist, der diese möglich machte, immer noch erschreckend lebendig.
PS: Besonders bizarr ist, dass die Zensoren teilweise wieder die gleichen sind wie damals, etwa auf Facebook, wo der Bertelsmann-Konzern fürs Zensieren zuständig ist. Der hat schon unter Hitler groß Kasse gemacht und fiel schon damals durch besonders eifrige Zensur auf. Das kann man sich nicht ausdenken!
PPS: Bemerkenswert ist auch, das Wikipedia, das sich von einer Online-Enzyklopädie zu einem rot-grünen Gesinnungs- und Diffamierungs-Instrument gewandelt hat, den Eindruck erweckt, die Bücherverbrennung habe sich explizit auch gegen „queere“ Schriftsteller gerichtet. In meinen Augen ein Musterbeispiel für die Instrumentalisierung der Geschichte für eine aktuelle politische Agenda.
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