Von Daniel Weinmann
22 Prozent aller Arzneimittel-Wirkstoffe kommen heute aus China. Schon dies ist eine bedenkliche Abhängigkeit, da es angesichts von Produktionsausfällen vor Ort und der langen Lieferkette und immer wieder zu Engpässen auf dem deutschen Markt kommen kann. Doch zwischenzeitlich stehen die hiesigen Pharmaproduzenten vor einem noch größeren – politischen – Problem.
Bereits im Juli des vergangenen Jahres verschärfte China sein sogenanntes Anti-Spionage-Gesetz, um nicht mehr nur Staatsgeheimnisse, sondern darüber hinaus – sehr schwammig definierte – „nationale Interessen“ zu schützen. Da seither jede Nutzung von Daten und Dokumenten aus China unter Strafe gestellt werden kann, fürchten ausländische Unternehmen, dass ihre Mitarbeiter im Rahmen ihrer regulären Tätigkeit als Spione verurteilt werden könnten.
Die neue Version des im Mai dieses Jahres in Kraft getretenen „Staatsgeheimnisgesetzes“ erhöht die Hürden nochmals, indem sie dessen Geltungsbereich auch auf „Arbeitsgeheimnisse“ erweitert. Mitarbeiter ausländischer Firmen können damit an der Ausreise gehindert werden, sofern durch sie „Arbeitsgeheimnisse“ bekannt werden, die „nachteilige Auswirkungen“ für den Staat und die Unternehmen Chinas haben könnten.
Anti-Spionage-Gesetz fast beliebig anwendbar
Besonders heikel ist die Lage bei Antibiotika. Laut Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie stammen derzeit 90 Prozent dieser Medikamente aus der Volksrepublik. „Wir hängen am Tropf von China“, warnt der Herstellerverband ProGenerika gegenüber der „Welt am Sonntag“.
Als wäre dies nicht genug, droht noch ein weiteres Problem. Laut Arzneimittelgesetz müssen die zuständigen Behörden der Bundesländer Inspektionen bei Pharmaherstellern in China durchführen. Seit die Volksrepublik die Schrauben beim Anti-Spionage-Gesetz angezogen hat, haben gleich mehrere Länder Probleme, diese sogenannte GMP-Inspektion im Reich der Mitte durchzuführen.
GMP steht für „Good Manufacturing Practice“ (gute Herstellungspraxis) und damit für den Teil der Qualitätssicherung, der konsequente und gleichbleibende Qualitätsstandards bei der Herstellung und Prüfung von Arzneimitteln oder Wirkstoffen gewährleistet. Dabei wird jeder Aspekt des Produktionsprozesses analysiert, um Risiken zu vermeiden, die gerade bei Arzneimitteln fatale Folgen haben können, etwa Querkontamination, Verunreinigung oder Fehletikettierung.
Inspektionsreisen nach China wegen „erheblicher Sicherheitsbedenken“ auf unbestimmte Zeit ausgesetzt
Im Zuge der verschärften China-Gesetze machen die zuständigen Inspektoren laut „Welt“ seit Monaten keine Kontrollreisen mehr nach China. Sie befürchten Probleme bei der Durchführung der GMP-Prüfungen – von der Verweigerung der Einreise bis hin zur Gefahr der Verhaftung. Laut einer Umfrage der Springer-Zeitung unter 16 Landesgesundheitsministerien gaben Hessen, Berlin und Schleswig-Holstein an, geplante Inspektionsreisen nach China aufgrund „erheblicher Sicherheitsbedenken“ für unbestimmte Zeit ausgesetzt zu haben.
Die Crux: Ohne diese Überprüfungen könnte es zum Stillstand in den Lieferketten der betroffenen Firmen und damit zu einer eingeschränkten Medikamentenversorgung in Deutschland kommen. Um eine Herstellungserlaubnis zu bekommen, müssen Betriebe nämlich weltweit die GMP-Vorschriften befolgen. Beim Import von Medikamenten und Wirkstoffen in die Bundesrepublik muss eine GMP-Kontrolle laut Arzneimittelgesetz alle drei Jahre erfolgen. Andernfalls endet die Importerlaubnis.
Schon 2023 stieg die Anzahl der Lieferengpässe um fast 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr
„Wir sind deshalb sehr alarmiert“, sagt die Expertin für GMP-Zertifizierungen beim Verband Pharma Deutschland , Fatima Bicane, in der „Welt am Sonntag“. Deutschland riskiere einen Stillstand in der Lieferkette und damit weitere erhebliche Lieferengpässe, die in diesem Fall hausgemacht seien. Andere europäische Länder gehen laut Bicane mit dem Problem „deutlich flexibler“ um.
Schon im vergangenen Jahr erreichten die Lieferengpässe ein Rekordniveau. Kassen-Patienten mussten auf 300 Medikamente verzichten. Laut einer Datenauswertung von BR24 vom Januar stieg die Anzahl der Lieferengpässe der Arzneimittel 2023 um fast 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Dorothee Brakmann, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller, sieht die Politik in der Pflicht. In der „Stuttgarter Zeitung“ forderte sie, „dass ein Bundesministerium die Federführung übernimmt in Kooperation mit den Ländern“. In China müssten die Verantwortlichen davon überzeugt werden, dass die Zertifizierungen im Interesse beider Seiten seien. Bleibt abzuwarten, wie schnell Berlin reagiert.
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Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.
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